#9
Was war Dunkel überhaupt? Und wieso übte es eine solche Faszination auf die Lebewesen aus? Am Ende waren dies Fragen, deren Beantwortung unabdingbar schien - zumindest wenn der Erwählte vorhatte Herr seines eigenen Verstandes zu bleiben. Simples Schwarz beschrieb es nur unzulänglich. Schwarz war lediglich eine Farbe, die früher oder später verblasste, unbeständig und an den Fluss der Zeit gebunden. Die Galaxis selbst bestätigte dieses Bild, es genügte ein einfacher Blick durch die großen Transparisstahlfenster, um den Beweis einzufordern. Der Weltraum war nicht schwarz, dunkel, fürwahr, aber mit Aspekten durchsetzt. Sternen, Sonnen, Monde und Nebel, selbst schwarze Löcher, die einen glänzenden Partikelstrudel in sich aufnahmen. Das Dunkel war die Verbundenheit. Dunkelheit war die große Masse, die den feineren Strukturen ihren Halt gab. Verbundenheit... aus Hass? Aus Liebe? Wer wusste es schon? Was bedeutete es schon? Keine anderen Emotionen lagen so dicht beisammen wie diese beiden, keine anderen verfolgten ein solch farbenfrohes Wechselspiel. Dunkelheit war also keineswegs ein kaltes Grab, dass jene, die im Schatten wandelten, in den Sumpf der Verderbnis zog, nicht von sich aus. Die Assoziation des Dunklen mit dem Bösen, offenbarte sich oft als irdische Verfälschung, als etwas, dass einer uralten Angst entsprang, für die es keine Worte gab. Die Nacht war nicht destruktiver als der Tag, lediglich mysteriöser, exotischer und oft eigenartig betörend. Das oft propagierte Grauen der dunklen Seite war ihre Natürlichkeit. Das Dunkel war natürlich und sprach die ureigensten Emotionen an, es war ein Schlag gegen selbstauferlegte Kontrollen, gegen erzwungene Rationalität. Es riss Grenzen ein und schuf Naturgewalten: es verformte die künstlich geschmiedete äußere Hülle zur wahren Gestalt des Menschen. Ob monströs, ob grausam - letztlich waren diese Worte hohl und leer, Worte für jene, die sich nicht mit ihrer Natur abfinden konnten und es vorzogen im Reich der Kontrolle. Dunkelheit bedeutete letzten Endes nichts geringeres als Menschlichkeit. Die Hingabe und Verwirklichung des Ichs.

Mit anderen Worten war die verhasste Antriebsfeder die Sehnsucht selbst, jener schöne Glimmer, der Milliarden Wesen täglich hoffen ließ. Auf ein besseres Leben, auf Erlösung, auf Wiederauferstehung. Der ausgesprochene Wunsch nach etwas, dass nur schwerlich oder nie zu erreichen war, gespickt mit düsterer Gier - natürlich, Habsucht war stets ein Teil der Gesellschaft. Selbst noble Kreaturen waren nicht davor gefeit, denn wie ließe sich die Natur selbst bekämpfen? Die Düsternis also, war nichts anderes als die Reinheit des eigenen Wesens. Sie zeigte das unverfälschte Bild einer Persönlichkeit, indem sie alle Schleier und Masken einriss. Dies galt sowohl für Vesperum, als auch für sie selbst.

Und war der Weg den sie hier beschritt deshalb falsch? Oder folgte sie nur ureigenen Instinkten, de das Leben als solches ausmachten? Richtig und falsch hingen oft nur an losen Fäden indoktrinierter Wertevorstellungen, die das Individuum im Rahmen einer bereits etablierten Gesellschaft erhalten sollte, doch schlussendlich waren sie weniger real, als viele dachten. Selbst eine von der breiten Masse als amoralisch angesehene Entscheidung konnte subjektiv richtig sein - so sie den Weg des eigenen Wesens folgte und sich nicht dagegen aufbegehrte. Bösartigkeit des Prinzips wegen, war ein Makel der Willensschwäche. Ein Zeichen jener Personen, die weder die nötige Kraft noch die Entschlossenheit besaßen, sich über die gängigen Strukturen hinwegzusetzen und die Verwirklichung eigener Wünsche und Träume anzustreben. Insofern hatte der Imperator recht, er vermochte diese Gedanken kurz zusammenzufassen und die Essenz aufzuzeigen. Aber war es tatsächlich das Wesen der Sith? Oder waren die Sith selbst nur Knechte dieser Lebensvorstellung? Wandelnde Symbole, Träger einer Idee, aber nicht zwingend der Ursprung hinter der Idee selbst. Vielleicht sogar noch weniger, vielleicht waren sie nur ein Antriebsmotor, ein Sprungbrett in die Freiheit, in die Grenzenlosigkeit, dort hinein, in diese Zone jenseits von Zeit und Raum. Es mochte nicht relevant sein, für was die Sith als Orden standen, viel bedeutender hingegen war, was sie anzubieten hatten. Nüchtern betrachtet war es symbolisch und besaß nur wenig reellen Wert, denn im Grunde vermochte jedes Wesen dem Weg der Sith zu folgen, auch ohne sich an den Orden zu binden oder als solcher zu bezeichnen. Aber waren sie deshalb freier? Unabhängiger? Wohl kaum. Freiheit und Unabhängigkeit lagen im Wesen und Aufbau einer Gesellschaft und in der imperialen, selbst in der republikanischen Gesellschaft, war die Freiheit da unerreicht, da unangreifbar, wo ein Wesen außerhalb der Hierarchie stand, wo es den Eindruck von Exklusivität und Extravaganz erweckte.

Und es bot noch mehr: als Existenz außerhalb des gängigen Gefüges, konnte sie nun Druck auf ebenjenes ausüben, die bestehenden Strukturen formen und verändern - zum Guten wie zum Schlechten. Selbst die Bindung an den Imperator selbst wurde loser, als auf den ersten Blick zu erahnen war. Die Sith-Ideologie forderte keine unbedingte Loyalität, nicht einmal den geheuchelten Ansatz davon, stattdessen ermutigte sie beinahe ausdrücklich auch neue, unkonventionelle Wegen zu gehen, solange nur der gewünschte Erfolg eintrat. Anders als Jedi, besaßen Sith weitaus mehr Spielraum, sich voneinander zu differenzieren - selbst wenn der Großteil nie über das widerliche Stadiums des Spiechelleckertums hinaus gelang, so bestand dennoch die theoretische Möglichkeit. Und oft es war auch dieser Gedanke gewesen: das Barbarische, das Mörderische, das sie vom Orden verschreckte. Die unzähligen Kleingeister, die sich an ihrer Boshaftigkeit und Grausamkeit zu messen versuchten, dabei jedoch nur sich selbst verloren. Nun aber wollte der Schatten selbst den Blutzirkus betreten, das Kosten, was die Sith als hohe Freiheit anpriesen. Vielleicht war daran sogar die kleine Jedi von Firrerre Schuld, jenes naive Ding, das meinte, sie solle sich nicht verändern, sie solle ihr Wesen behalten. Und als sie sich ihr Wesen eingestand, da musste es der Schatten erkennen, musste begreifen, dass ihr Herz, geprägt durch ihr Handeln bereits für die Sith schlug, als ihr Verstand sich noch verbissen dagegen wehrte. Der Blick in die Abgründe der Seele schien sie aus der Lethargie befreit zu haben, zu einem Wesen geformt, dass wieder Entscheidungen treffen konnte, dass Dinge beanspruchte, etwas, dass wieder nach dem Leben strebte, nachdem es so lange tot war.

Elektrostatische Luft, geschwängert mit den Entladungen der Dunkelheit, öffneten ihre Augen wieder für eine andere Welt. Nicht zwingend die Realität, denn hier im Thronsaal schien es für derart irdische Belange derzeit keinen Platz zu geben. Hier herrschte der kalte Sturm der Nacht, der die Umwälzungen, vielleicht sogar Verwüstungen herbeiführte. Bedurfte es noch weiterer Worte? Kaum, was blieb war ein Schritt nach vorn, der Griff nach dem Schleier der Finsternis, nach der Galaxis selbst - wer wusste schon, was der dunkle Lord dort in der Hand hielt? Ein Herz? Das Herz der Sith, das sie nun nehmen und sich einpflanzen sollte? Gedanken darüber waren verschwendet und selbst wenn sie wollte, nun konnte sie nicht mehr zurück. Das schwarze Etwas schein wie ein Magnet, Licht, das Motten anzog. War es das Teil was fehlte? Jenes verlorene Puzzlestück, dass die Seele eines Menschen wieder komplettierte? Ihr Arm glitt nach vorn und fließend streckten sich die geballten Finger zu einer gerade Fläche. Sie würde es annehmen, denn sie verlor nichts, vielmehr war es die Besiegelung der Endgültigkeit, die selbst Vesperum erkennen musste: eines Tages würde einer von ihnen weichen müssen - so sie nicht vorher einer anderen Generation zum Opfer fehlen. Kurzfristig waren ihre Ambitionen befriedigt, doch langfristig kannten Sith nur Verrat. Und Reah Nigidus war schon vor den Sith eine Verräterin, ein Makel, der im Herzen steckte und sich nicht herausschneiden ließ. Unterdrücken ließ es sich, verschweigen, doch verschwinden würde es nie. Derweil spann die Macht dünne Fäden hinüber zur wabernden Schwärze, dem Toxin, dass der Dunkle Lord als ein Wuderheilmittel zu verkaufen versuchte. Ein Scharlatan war er, ein Narr wer daran glaubte. Trotz aller Freiheit, trotz aller Wildheit, war Sith-Sein eine Prüfung der Entschlossenheit und Stärke, der ewige Kampf darum, das eigne Urwesen zu befreien. Langsam erhob sich das mysteriöse Objekt und glitt hinüber zu ihrer Hand, wo es in ihrer geballten Faust verschwand. "Ich nehme an." Damit verschwand Reah Nigidus, imperiale Inquisitorin von der Bildfläche, nunmehr aufgegangen in der Sith-Lady Darth Maledice.
Offline
Zitieren
 


Nachrichten in diesem Thema