#28
Das Prozedere nahm den gewohnten Gang. Cassio verblieb in seinem Mahl spartanisch und schien insgesamt kein großes Interesse der anderen Kommandeure oder Kommandanten auf sich zu ziehen noch ein solches erwecken zu wollen. In vielerlei Hinsicht empfand er sich hier als fremd und dem Gefüge nicht zugehörig, wenngleich es nur ein erstes Indiz für das war, was noch folgen sollte.

Den Beginn der Besprechung vermochte Cassio daher nur schwerlich abwarten zu können. Etwas unruhig hatte er sich auf dem Stuhl hin und her bewegt, weil ihm diese Form der Sozialisierung wenig behagte, insbesondere nicht mit einer Vielzahl fremder Personen, die er nicht einzuschätzen wusste. Anders als andere Offiziere gab Cassio kein Raunen von sich ab, als Vaash begann, von einem Plan zu berichten. Aus Cassios Sicht war dieser Plan so gut wie jeder andere. Es war, ganz gleich, was Vaash vorbereitet hätte, einfache Arithmetik. Irritierender für Cassio war dagegen die Reaktion von Sloane auf das Ganze, ihr Zwinkern – und, erstaunlich, beinahe vermochte er dadurch sogar so etwas wie Mitleid für sie zu empfinden. Ob es an der fehlenden Stabsausbildung oder generell mangelnder Weitsicht lag, aber Sloane schien nur das Prestige des Angriffs auf das Schlachtschiff erfasst zu haben und machte sich keine Gedanken darüber, dass sich nicht einmal Admiral Vaash Gedanken zu einer Rücknahme ihres Geschwaders gemacht hatte. Cassio folgerte daraus, dass ihm durchaus bewusst war, dass – selbst wenn ihr dieses unwahrscheinliche Manöver gelänge – es ein Himmelfahrtskommando ohne Aussicht auf Wiederkehr war. Eine, nun, wahrlich realistische Einschätzung. Denn das Schlachtschiff wurde dadurch bestenfalls bewegungsunfähig, nicht jedoch ernsthaft beschädigt, was wohl auch nicht das Ziel war. Es war dann nur eine Frage der Zeit, bis Sloanes Geschwader im Kreuzfeuer zwischen dem Schlachtschiff und dessen Eskorte zerrieben wurde. Cassios Rolle als Rückenschutz ihres Geschwaders empfand er dagegen als nur unwesentlich besser, doch das war nichts, womit er sich nicht bereits abgefunden hatte. Pestage war seinerzeit von ihm klar verstanden worden. Aber Cassio vermochte es nicht, in den Gesichtern der anderen Offiziere zu lesen, ob sie alle wirklich begriffen hatten, was ihre Rolle in diesem Schauspiel sein sollte. Bei Sloane schien diese Hoffnung indes vollkommen verloren zu sein. Es war für Cassio schwer verständlich, wie man dies nicht zu sehen vermochte, doch vermutlich hatte ein Glaube in die eigene Unfehlbarkeit und Selbstherrlichkeit am Ende diese Konsequenzen. Ohne sichtbare Regung im Gesicht wandte sich Cassios Blick wieder zurück zu Tiberius Vaash. Es entbrannte eine kurze Diskussion zwischen zwei Schiffskommandanten und ihr, die Vaash schließlich lautstark stoppte – offensichtlich bereitete Sloane nicht nur dem Vizeadmiral Kopfzerbrechen.

Dann aber kam ein plötzlicher, unerwarteter Überfall von anderer Seite. Cassio hatte sich das Ganze bislang seriös angehört. Das begann sich jedoch zu ändern, als einer der Offiziere seinen Namen in den Mund nahm. Seine Augen verengten sich sichtlich, als dieser Zweifel zu äußern begann – ein Affront. Cassio setzte zu einer Antwort für den Mann an, doch als er sah, dass Vaash dies übernahm, wartet er zunächst ab. Allerdings war die Antwort des alten Vaash etwas, womit Cassio überhaupt nicht gerechnet hatte. Überraschung breitete sich in seinem Gesicht aus, während er Vaash mit geweiteten Augen ansah. Was tat er denn da? Offensichtlich hatte Cassio nicht erwartet, dass… der Flottenadmiral diesen Punkt des anderen Offiziers nicht nur aufnahm, sondern Cassio nun wie einen Kadetten an die Hand zu nehmen versuchte. Das machte das Ganze jedoch nur schlimmer und stelle ihn vor den Augen aller noch viel dramatischer bloß als das die Aussage eines Kommandeurs hätte können. Die Überraschung hielt dadurch nur kurz an, Cassios Gesichtsausdruck wich einer Enttäuschung und wurde kurz darauf grimmig. Dennoch wartete er ab, bis der alte Mann seine Ausführungen beendet hatte, ehe er das Wort ergriff.
„Darf ich die Anwesenden daran erinnern, dass ich nicht im Stab geboren wurde? Ich habe bis Yavin bereits ein Geschwader geführt“, entgegnete er dem Raum sichtlich kratzbürstig, der Boden seines Wasserglases kam mit einem durchaus hörbaren Geräusch in Kontakt mit der Tischplatte. „Ich verbitte mir daher eine solche respektlose Behandlung.“
Mit dem Anzweifeln von Cassios Führungskompetenz im Feld hatten die Anwesenden durchaus einen wunden Punkt bei ihm getroffen. Seine Aussage zu seiner Stellung als Geschwaderkommandeur bis Yavin war zwar nicht falsch, aber andererseits auch irreführend. Etwa ein Jahr vor Yavin war ihm nach Jahren wieder ein eigenes Kommando übertragen worden, bis er unmittelbar nach der Zerstörung des Todessterns wieder in den Stab berufen wurde – ein nicht allzu langes und im Ergebnis auch wenig erfolgreiches Intermezzo also, das ihn beinahe zum Verlassen des Militärs gebracht hätte. Etwas, das aus Dienstgradgründen aber, wenn überhaupt, vermutlich nur der Flottenadmiral zur Kenntnis haben konnte. Doch diese selbstgefälligen Frontkommandeure sollten es nicht wagen, ihm etwas über Kriegsführung zu erzählen, nur weil sie an Bord von wohltemperierten und klinisch reinen Raumschiffen gedient hatten und sich nun ihm gegenüber so aufspielten, als hätten sie im Gegensatz zu ihm jahrelang bei Brot und Wasser im Dreck geblutet. Das Denken kleingeistiger Wichtigtuer. Während sie mit ihren Kleinverbänden Krieg spielten, hatte er sich mit ganz anderen Dimensionen auseinandergesetzt. Das war nichts, wofür er sich schämte. Eine Schande war, dass man ihn hier vor allen Anwesenden bloßstellte. Ob das nun die Absicht war oder nicht – ihm vor versammelten Offizieren zu unterstellen, er könne kein Manöver fliegen, war entwürdigend. Wenn das die berüchtigte Kameradschaft unter den Frontoffizieren sein sollte, war das schlechterdings nur charakterlos. Da hatte er sogar bei seiner eigenen schroffen Art mehr Kollegialität im Oberkommando erhalten.

Cassios Augenbrauen zogen tiefe Furchen in sein Gesicht, während einer von ihnen in diesem Moment auf ihn so feindselig wirken mochte wie jeder andere, auch wenn der Großteil davon sich hierzu gar nicht eingelassen hatte. Seine Reputation hatte indes bereits Schaden genommen, wenn man es für nötig hielt, ihm wie einem Kind zu erklären, wie man Messer und Gabel hält. Den Rest des Gesprächs verhielt er sich daher abwesend. In seinem Inneren breitete sich der Geschmack der Verachtung auf diesen Raum aus, der Stimme und Geist lähmte. In gewisser Weise fand er eine düstere, destruktive Befriedigung in dem Wissen, dass in wenigen Tagen voraussichtlich ein Großteil der hier Versammelten tot sein würde. Als der Eklat mit der Gesandten des Throns geschah, regte sich Cassio daher auch keinen Zentimeter, sondern beobachtete das Ganze lediglich wie ein Zuschauer. Es gab schlichtweg keinen Grund für ihn, für diese Menschen aufzustehen und zu ihren Gunsten zu intervenieren. Somit blieb er lediglich sitzen, während seine beiden Hände ungezielt das Glas vor ihm rotieren ließen, die Augen irgendwann nur noch hierauf gerichtet, bis die Show vorüber war und er wieder aufsah, als der Flottenadmiral schließlich wieder das Wort ergriff. Etwas hatte sich jedoch an diesem merklich verändert. Er war deutlich nervöser als zuvor, fahrig direkt. Cassio irritierte diese Änderung – der alte Mann schien selten darüber nachdenken zu müssen, wie er in einem Vortrag die Worte wählte. Dass es hier nicht gut gelang, erregte daher Cassios Aufmerksamkeit.

Als der Flottenadmiral schließlich in ungelenken Worten erklärte, was der Umstand dessen war, starrte er den Mann an. Cassio entglitten ungläubig die Gesichtszüge und er schien etwas bleich zu werden. Er mochte kein besonderes Gespür auf der taktischen Ebene haben, doch selbst für den bestmöglichen Fall, wenn nämlich dieser durch den Flottenadmiral soeben geschilderte Einsatz konkreten taktischen Erfolg bringen sollte, war dieser Vorschlag für Cassio der sichere Weg in die ultimative Katastrophe.
„Das kann doch nicht deren Ernst sein“, entgegnete er schließlich in Richtung des alten Mannes gerichtet, die Aussage von Sloane faktisch völlig ignorierend. „Wir sprechen hier von Bürgern des Imperiums. Hat der für diesen Unsinn zuständige Abteilungsleiter jemals die Charta gelesen? Das ist Banditentum – nichts weiter.“
Er stoppte kurz, aber nicht lange genug, um jemandem wirklich die Möglichkeit zu geben, in dieser Zeit zu antworten. Nur lange genug, um kurz seine Erwiderung zu überdenken. Cassio war bei den planerischen Angelegenheiten vergleichsweise offene Gespräche gewohnt – nach außen hin galt er indes nicht als jemand, der gegenüber direkten Befehlen als besonders querulatorisch galt - eher im Gegenteil. Allerdings handelte es sich bei einer Angelegenheit des Geheimdienstes auch nicht um eine Sache der Flotte und somit nicht um eine Befehlslage, was es ihm nun wohl einfacher machte, seine Haltung zu dieser Sache klarer zu äußern.
„Schlimmer noch. Planloses Banditentum noch dazu. Denken die, so etwas wird niemanden scheren? Das wäre… in gewisser Weise schwerwiegender als Alderaan. Dass die die Rebellen unterstützt haben, war immerhin jedem klar. Aber die Ithorianer? Jeder weiß, dass die seit der Einnahme nicht opponieren. So eine Aktion wird unsere Unterstützung bis in den Kern hinein erschüttern.“
Cassio vergrub sein Gesicht in seiner linken Hand, fassungslos von dem, was ihm vorgetragen worden war, als würde es ihm körperliche Schmerzen bereiten.
„Unfassbar, diese Dummheit“, sagte er kopfschüttelnd, völlig offen. Es zeigte nur, wie verzweifelt man mittlerweile war, dass solche Mittel überhaupt in Betracht gezogen wurden. Ein äußerst schlechtes Zeichen, sowohl nach innen als auch nach außen. Bezeichnend schien indes, dass er nicht wie der Flottenadmiral auf der Ebene der Ehre, also letztlich moralisch, argumentierte, sondern seine Kritik auf der legalistischen und strategischen Ebene vorbrachte – ein guter Indikator vielleicht, dass die beiden sich bei vielen Dingen einig sein mochten, aber möglicherweise aus ganz unterschiedlichen Betrachtungswinkeln. Aus Cassios Sicht war es objektiv sinnvoller, die 12. Flotte gegenüber Grunger lieber zu opfern als Grunger mit Mitteln zu schlagen, die dem Imperium den letzten Hauch von Legitimität nahmen.

Dass der Geheimdienst aber so etwas in Erwägung zog, konnte beinahe nur einen Anlass haben – im Hintergrund zog ein sloanesker Emporkömmling eifrig seine Fäden, um mit vermeintlich klugen, unkonventionellen Vorschlägen für sich kurzfristigen Erfolg und somit einen Sprung auf der Karriereleiter zu erreichen. Er konnte sich daher eine Erwiderung zu Sloane in Anbetracht dessen daher dennoch nicht ersparen. Sein Blick ging dadurch zwar fort vom Flottenadmiral, doch keineswegs blickte er stattdessen Sloane an, sondern zeigte ihr weiter nur das Profil, während er sie ansprach.
„Was Sie einen Sieg nennen, nenne ich den Sargnagel des Imperiums. Was denken Sie denn, wie das bei Kuat ankommen wird, wenn wir anfangen, im großen Stil einfach planetare Raumschiffe imperialer Welten zu kapern? Dann können Sie Kuat auch direkt den Mitgliedsantrag für die Republik zusenden.“
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Ithor - von Protokolldroide - 02.05.2020, 17:18
RE: Ithor - von Tiberius Vaash - 02.05.2020, 17:47
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RE: Ithor - von Cassio Acchetia - 06.05.2023, 23:40