#27
Die Zeit lief ab. Es war jene Zeit, die für einen jeden unmittelbar ablief; einem Schicksal gleich, einfach verweilte und unabänderlich ablief. Manche mochten sich an Ideale, Hoffnungen und Träume klammern, wiederum andere an weltliche Dinge oder Mächte und doch lief für alle die Zeit ab, denn sie war stets nur geborgt und letztlich war alles sterblich, alles ging zu Ende, selbst die Monumente dieser Epoche.

Auch Tiberius Vaash klammerte sich an alte Träume, an etwas, was bleiben sollte, von ihm und seine Taten. Eine Rechtfertigung, eine Erklärung und eine Absicht, die bleiben sollte und Erleichterung verschaffte. Doch für manches gab es keine Erleichterung, keine gute Erklärung und auch mit aller Mühe keine Rechtfertigung. Manches war einfach getan, unverändlerich in die Zeit geworfen, so denn nichts bleiben konnte aus dieses taube Gefühl. Diese eine Gewissheit, dass der Tod kommen würde. In welcher Form auch immer. Es war dieses Gefühl, welches sich nicht abschütteln ließ, keine Wunder erlaubte und letztlich jeden Versuch bedeutungslos machte. Tiberius Vaash war so weit von dem entfernt, was er eigentlich sein wollte, sein müsste und sich erträumte. Dieser Krieg war auch sein Werk. Sein Handwerk. Es sollte Frieden herrschen. Gerechtigkeit und Stabilität für alle. Alle Kriege zu beenden, war das Versprechen gewesen. Das Imperium sollte ein Zuhause sein, für alle und jeden, indem jeder sicher und gerecht aufwachsen konnte. Doch inzwischen waren dies leere Versprechungen. Leere Gedanken, benutzt und weggeworfen. Die Zeit hatte sie entlarvt. Vaash sprach es nicht aus, erlaubte sich kaum einen wahrhaftigen Gedanken daran und doch musste ihm immer klarer werden, dass alle seine Handlungen und Entscheidungen an diesen Ort, in diesen Moment, geführten hatten. Fern seiner Hoffnungen, seiner Familie und all dem, was er eigentlich beschützen wollte.

Er betrachtete Sloane. Aufmerksam, zielgerichtet und versuchte zu verstehen, was diese Frau antrieb. Sie wirkte nicht verlassen, nicht entrückt oder deplatziert, wie er sich selbst fühlte. Was glaubte sie wirklich? Was erhoffte sie sich? Sie wirkte menschlich, erschien menschlich aber war nicht, wie Acchetia oder Vaash. Sie war versessen auf einen Kampf, einen Konflikt, auf ein Imperium des Todes und der Gewalt, welches Vaash abstoßend fand. Rücksichtslos wollte sie ihre Schiffe verwenden, Abertausende opfern, um nur eine Möglichkeit zu erhalten, einen Sieg zu erzielen, der im Gesamtkonzert dieses Albtraums bedeutungslos war. Hingegen schien Acchetia sehr wohl zu verstehen, folgte aber seiner eigenen Resignation, wie er nun feststellen musste. Hektisch blickte er zu jener Gestalt, die nahezu wortlos verweilte, vieles über sich ergehen ließ und sich schlicht in diese Zeit fügte. Und sie fügten sich alle sehr genügsam in diese verdammenswerte Zeit ein, wie Maschinen einer Untergangsindustrie, die einfach immer weiter machten, wie Kampfdroiden oder automatisierte Kriegsgeräte eines vergessenen Krieges. Diese Trostlosigkeit nahm sich ihren Raum und jener Abgrund nahm Gestalt an. In seinen Gedanken sah er jenes Bild des Vesperum. Diese Fratze, diese eine Fratze, welche kalt und ebenso trostlos auf sie alle herabblickte. Ja, es war jene Kälte, die über ihn kam und er hatte sie das letzte mal in seiner Nähe gespürt. Auch der Thron war trostlos. Die Dienerin seiner Macht war hier, an Bord, beobachtete sie alle. Sie diente ihm. Und wer ihm so unmittelbar diente, war ein Bote der Entropie und der gleichsamen Trostlosigkeit, welche sie alle erwarten würde.

Sloane betrat mit den Droiden den Raum, die sich unmittelbar an ihr Werk machten und ihre Positionen bezogen. "In wenigen Augenblicken treffen die Kommandanten ein. Ich habe sie bereits auf dem Gang gesehen," sprach Sloane und ließ die Tür offen. Vaash nickte, zog Luft durch die Nase ein, als jenes bekannte Gefühl blieb. Doch etwas stimmte nicht. Sloane setzte sich an ihren Platz und in der Tat traten die einzelnen Schiffskommandanten und Geschwaderkommandeure auf, die sich höflich vorstellten und Vaash zunächst zuerst grüßten. Doch die Begrüßung war weniger militärisch als bei einem offiziellen Protokollanlass. Sie war nicht respektlos, sondern entsprach den bürgerlichen Gebräuchen der Offiziere.

Als alle Offiziere Platz genommen hatten, begrüßte sie Tiberius Vaash als Flottenadmiral und leitete das Gespräch höflich ein. Es verging einige Zeit mit einem höflichen Austausch, erste Speisen wurden zu sich genommen, bis Vaash sich entschied seine möglichen Pläne vorzustellen. Sloane beugte sich dabei entspannt vor, während die anderen aufmerksam aber bedächtig waren.

"Wir haben es mit einem überlegenen Gegner zu tun. Unsere Handlungsoptionen sind sehr begrenzt," begann der Flottenadmiral. "Sloane wird mit ihrem Geschwader bei einem Angriff von Grunger einen Stoßangriff unter Geleitfeuer von Acchetias Geschwader auf das Flaggschiff des Feindes durchführen, wo hingegen die anderen Geschwader eine Flächenlinie bilden, um die Raumüberlegenheit zu halten. Ich werde mit meinem Geschwader entsprechende Linienbrüche abdecken," fasste er grob einen Schlachtplan zusammen. "Die Raumüberlegenheit wird - auf meinen Befehl - mit einem schnellen Wechsel zu Breitseitenkämpfen aufgegeben. Die Ziele für einen vollen Breitseitenkampf wählen die jeweiligen Kommandanten unter dem Schlachteindruck jeweils selbst."

Ein skeptisches Raunen wich durch den Raum, bis sich Stille breit machte. Dieser Schlachtplan war aus Sicht der meisten Offiziere einer Selbstvernichtung gleichkommend, da in einem direkten Gefecht mit einem Sternenschlachtschiff kaum eine Chance auf Überlegenheit bestand. "Wir haben ansonsten nur wenige Möglichkeiten, so dass dieses Vorgehen, wenn es durch Sloane und Acchetia hart an der Schlachtlinie vorgetragen wird, eine Gelegenheit schaffen kann." Vaash blickte in die Runde, räusperte sich und trank einen kräftigen Schluck aus seinem Becher.

"Ich bin offen für Änderungen." Doch niemand meldete sich sofort. Nur Sloane blickte auf. "Also liegt die Kampflast in erster Linie bei meinem Geschwader?" Sloane lächelte selbstherrlich und zwinkerte Acchetia frech zu. "Acchetia wird sie flankieren und einen Korridor aufrecht halten. Seine Raumjäger werden Bomber fernhalten," antwortete Vaash nüchtern. "Ihr Hauptziel wird der Antrieb des Schlachtschiffs sein, welchen sie unter Schildreichweite erreichen und mit Bombern behaken sollen. Mit etwas Glück können wir das Feindschiff erheblich beschädigen und so weitere Vorstöße unterbinden," führte er weiter aus und mochte den Plan selbst nicht sonderlich aber die andere Alternative konnte er noch nicht aussprechen, denn sie machte nicht nur ihn ehrlos, sondern auch einen jeden Soldaten unter seinem Kommando. "Das ist doch Irrsinn," schimpfte zwei Schiffskommandanten und gestikulierten. Sloane zeigte sich wenig überrascht. "Für Feiglinge ist im Imperium kein Platz," schimpfte sie mit sanft-böser Stimme. Vaash schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, so dass sein Teller kurz bebte.

"Aus!"

Er duldete es nicht, wenn Offiziere als feige bezeichnet wurden, die sich bereits bewiesen hatten und noch dazu war dieser Vorwurf reines Gift in seinem Korps. "Vizeadmiral," konterte der Alte und blickte Sloane eindringlich an. Er musste nicht aussprechen, was er dachte und Sloane nickte verstehend. Vorerst gab sie sich geschlagen. "Acchetia hat keinerlei Kampferfahrung im Raumkampf und er soll den Vizeadmiral flankieren?" - fragte einer der Anwesenden. Vaash nickte abermals, seufzte dann und sprach eine aus seiner Sicht sinnvollen Punkt aus: "Für schnelle Raummanöver fehlt ihm in der Tat die Erfahrung, auch für den erweiterten Linienkampf oder starke Breitseiten. Doch Flankierungsmanöver anhand eines vordringenden Geschwaders und deren Nav-Punkten kann verfolgbar sein. Ich möchte sie nicht diskreditieren, Vizeadmiral Acchetia. Doch ich traue ihnen keinen eigenständigen Linienkampf zu, indem es auf Schlachtgefühl und Erfahrung ankommt. Ein Geleit scheint mir sinnvoll, auch wenn sie natürlich ein großes Feindfeuer erhalten werden. Ihre Piloten werden eigenen Schulungen erhalten," meinte er und wieder ging ein leiseres Raunen durch den Raum.

"Irrsinn," murmelte ein Offizier. Vaash räusperte sich abermals, trank einen weiteren Schluck und sagte dann weniger mutig: "Ich habe keine wirklichen Optionen. Sie wissen selbst, dass der Kern uns nicht ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt hat. " In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und eine seidig-dunkelrot schimmernde Robe gehüllte Person trat auf. Vaash schluckte, als er diese Gestalt sah. Es war die Gesandte des Throns.

"Sie haben Optionen, Admiral. Sehr viele sogar," sagte sie und trat mit einer von selbstgerechter Erhabenheit durchdrungender Geste ein, wobei sich ihr Schritt elegant wiegte. "Dies ist eine Offiziersmesse, Gesandte," erklärte Vaash abwehrend. "Ich denke, dass ich in einem Offizier gleichkomme," entgegnete Jessra und nahm die Kapuze zurück, so dass ihr schönes aber auch aschgraues Gesicht zum Vorschein kam. Ihre okkulten Augen blickten Vaash durchdringend an. "Euer geliebter Admiral wird vom Imperator höchstselbst unterstützt. Bald wird eine Flotte als Entsatz eintreffen, sobald sich dieser - bald tote - Grunger zeigt. Auch ist mir zu Ohren gekommen, dass der Geheimdienst eine Option vorbereitet hat...," sprach sie mit einem melodiösen Tonfall und zeigte sanft durch die Menge, um alle Anwesenden einzubinden.

Sloane blickte die merkwürdige dunkle Gestalt an und stand auf. "Verlassen Sie den Raum, Gesandte. Dies ist eine Angelegenheit der Flotte und ich muss sie eindringlich bitten, dass Sie den Admiral und uns alle unsere Arbeit machen lassen." Sie baute sich unmittelbar vor Jessra auf, wenig beeindruckend von diesen dekadenten, merkwürdigen und seltsamen Anhängern seiner Majestät. "Wenn Sie nicht unmittelbar vom Thron in eine Flaggposition in dieser Flotte beordert wurden, können Sie jetzt gehen," sagte Sloane und zwei weitere Offiziere standen auf, um Sloane symbolisch zu unterstützen. Auch Vaash trat von seinem Platz weg, um Jessra symbolisch des Raumes zu verweisen. Jessra rumorte, wollte bereits ihre widernatürlichen Kräfte einsetzen aber entschied sich dagegen. Wortlos verließ sie den Raum. Vaash nickte Sloane und den beiden Offizieren zu. Danach setzte er sich wieder und merkte, dass er seinen Kameraden und Offizieren eine Erklärung schuldete. Bevor diese Fragen aufkamen, sich weitere Unsicherheit breit machte, blickte er besorgt in die Runde. Sloane und die beiden Offiziere nahmen ebenfalls Platz und fast alle Offiziere blickten Vaash unmittelbar ins Gesicht.

"... der Imperator hat Pläne... die mir noch nicht so klar sind...," suchte der Alte seine Worte und fand sie kaum. Es fiel ihm schwer diesen Weg zu akzeptieren aber manchmal gab einem die Zeit keine Möglichkeit zur Wahl. In diesem Spiel zogen andere die Fäden. "... der Geheimdienst plant... ich habe die Information kurzfristig erhalten... in einem Augenblick der Ablenkung... die Herdenschiffe der Ithorianer zu entern und mit Droiden zu automatisieren... um diese als Angriffsbrecher auf die Feindschiffe, insbesondere das Schlachtschiff, zu schleudern ... und dann mit hunderten Wellen die Schilde zu brechen und die Formation zu zerschlagen... ehrlos... wirklich ehrlos... Ich... Ich... muss das überdenken."

Der Admiral wirkte hiflos, so dass Sloane die Gunst nutzte und mit der Faust auf den Tisch schlug. "Das ist doch eine gute Sache! Ein Sieg ist niemals ehrlos!" Doch Vaash konnte gerade nicht weiter antworten, da die Nachwirkungen von Jessras Erscheinung, der Offenbarung seiner eigenen Unfähigkeit zur echten Entscheidung und sein verkümmerter aber noch immer vorhandener Ehrbegriff ihr Übriges taten. Es entstand eine minimale Stille, die nahezu simultan von den Anwesenden für hektische und wirre Einzelgespräche genutzt wurde.
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Ithor - von Protokolldroide - 02.05.2020, 17:18
RE: Ithor - von Tiberius Vaash - 02.05.2020, 17:47
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RE: Ithor - von Cassio Acchetia - 06.05.2023, 23:40