#23
Ein wirrer Geist, durchzogen von Labyrinthen, die sich selbst beständig neu formten, um neue Gefängnisse zu errichten. Manches versuchten sie auszusperren, anderes hingegen einzusperren, damit es nicht entkam… oder vielleicht auch verborgen und sicher blieb? Möglicherweise war es das, was Maledice… was Reah gesucht und gefunden hatte. Unklar. Bis zuletzt war es das geblieben. Und würde es auch weiterhin. Doch irgendetwas anderes drang noch hinzu. Eine gewisse Ruhe und Beständigkeit, das Gefühl von Morgentau nach der düsteren Nacht. Die Augen öffneten sich allmählich, flimmrig, die Sicht unscharf von Flüssigkeit. Sedrael blinzelte einige Male, um wieder klarer sehen zu können. Es dauerte etwas, ehe die Formen vor ihr wieder erkennbare Gestalt anzunehmen begannen. Instinktiv glitt ihr erster Blick allerdings an sich, an ihre Seite hinab. Ihre Kleidung war noch immer blutrot verfärbt, durchnässt, wenn auch schwer zu sehen auf dem purpurnen Stoff. Aber auch nicht mehr. Sie fasste über die Stelle, die vor kurzem noch malträtiert gewesen war und glaubte unter dem Stoff den Verband sowie die trocknende Festigkeit von Synthfleisch zu spüren. Kein unmittelbarer Schmerz, ihre Haut kitzelte auch nicht weiter, mehr hatte nun die Taubheit überhandgenommen. Das war in gewisser Sicht aber kein schlechtes Zeichen, wenn sie das richtig interpretierte. Sie bemühte sich um ein ruhiges Einatmen, verengte nochmals kurz die Augen. Ein kurzes Aufwallen in der Macht, mehr eine kleine Woge denn eine vereinnahmende Welle. Genug aber, um die Botenstoffe in ihrem Körper zu spüren, die eifrig ihre Informationen durch den Körper trugen. Es mochte genügen, für den Augenblick zumindest. Sie zuckte kurz, kaum merklich, als das Bild eines Schädels im roten Sand plötzlich vor ihrem Auge erschien. Sofort ebbte die Macht binnen einer Sekunde wieder ab. Der Schädel, nur da für den Bruchteil eines Herzschlags, war fort. Gepresst atmete sie die Luft schließlich wieder aus. Vorsichtig.

Als ihre blauen Augen wiederkehrten, blieben sie dieses Mal jedoch nicht an sich selbst hängen, sondern an dem Fremden ihr gegenüber. Er und seine Motivation mochten sich ihr noch entziehen, doch schien für den Moment zumindest kein Zweifel angebracht zu sein, dass er ihr geholfen hatte. Etwas, das zu diesen Zeiten weder häufig noch selbstverständlich zu sein schien, ganz unabhängig von etwaigen Hintergründen. In das blasse Gesicht kehrte merklich wieder ein Stück weit die Farbe zurück, zu schnell vielleicht, um unmittelbar mit der Behandlung zu tun zu haben.
„Ich danke dir“, sagte sie dann, halb zu Boden blickend und dadurch beinahe wie eine beschämte Schülerin wirkend. Doch nur für einen Augenblick, ehe ihre Augen im Augenwinkel ebenso wahrnahmen, wie der goldfarbene Protokolldroide ebenfalls recht nah stand und dessen Hände auch ein Stück weit von der Behandlung abbekommen hatten. Sie hob ihren Kopf erneut an, drehte ihn in Richtung des Droiden an, und hob dann einen Mundwinkel zu einem gequält wirkenden Lächeln. Immerhin.
„Und dir.“
Es war ein seltsames Gefühl, mehr und mehr auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein – die letzten Jahre waren so sehr anders gewesen. Auf Firrerre waren tagtäglich Leute an der Seuche gestorben, für die sie nichts mehr hatte tun können. Schwierige Jahre sicherlich, dennoch kam sie nicht umhin einzugestehen, dass es für sie einfacher war zu helfen als geholfen zu werden. Sie war sich nicht im Klaren über die kulturellen Gepflogenheiten des Menschen, welche Implikation das nun mit sich brachte, sofern es das überhaupt tat. Es gab praktisch endlos viele Gebräuche in dieser Galaxis, nicht nur, aber gerade auch unter den weit verbreiteten Menschen. Doch aktuell machte ihr Gegenüber nicht den Eindruck, als wären soziale Normen gerade sein Hauptanliegen. Er hatte sich ein kleines Stück weit von ihr entfernt zu Boden fallen lassen, völlig erschöpft von der Anstrengung, die er durch ihre Versorgung erlitten hatte. Sie entschied sich daher auch, weiterhin sitzen zu bleiben, streckte nur die Beine ein Stück weit aus und platzierte die Unterarme auf den Knien.

Einige Augenblicke lang betrachtete sie den Mann nur stillschweigend. Wer er wohl war? Nun, streng genommen wusste sie es. Er hatte es ihr gesagt. Der Nachname mochte etwas implizieren, vielleicht aber auch nicht. Dann allerdings wäre es ein kurioser Zufall gewesen. Sie konnte nicht viel über den Namensvetter des Mannes ihr gegenüber sagen – sein Stern ging erst auf, als der ihre im Orden bereits erloschen war. Der Gedanke, dass hier eine Verbindung bestehen konnte, schien eigentlich abwegig zu sein, zumal auch er, wie alle anderen, mit Ende des Krieges untergegangen war. Es war dennoch bemerkenswert. Ihr Blick fiel dann auf das Zittern der Hände; eine enorme Anstrengung, der er sich gerade ausgesetzt hatte, und diese forderte nun von ihm Tribut ein. Der Brustkorb hob und senkte sich schwer. Sie entschied sich dazu, eine ihrer Hände zu senken und griff nach der Wasserflasche neben sich, die er ihr vorhin überlassen hatte, schob diese auf dem Boden liegend über das Gras in seine Richtung, bis sie kurz vor ihm zum Stehen kam.
„Du hast das gut gemacht“, fuhr sie dann fort, wobei nicht ganz klar wurde, ob sie das als Feststellung für sich selbst ins Nichts sagte oder tatsächlich zu ihm als Adressaten, eine krude Mixtur jedenfalls aus Anerkennung und Überraschung. Tatsächlich hatte sie einen großen Teil der Prozedur überhaupt nicht aktiv mitbekommen und sie schien nicht zu glauben, dass es daran lag, dass sie eventuell ohnmächtig geworden sein konnte. Das sprach durchaus für eine gewisse Fertigkeit.
„Und es ist selten in dieser Zeit, jemanden zu finden, der hierzu fähig ist.“
Es war für sie geradezu erstaunlich, wie unterschiedlich sich diese Begegnungen anfühlten. Auf der einen Seite Reah, ein Geist, der ständig in Bewegung, chaotisch, nicht zielgerichtet erschien, geradezu animalisch und doch gleichzeitig in gewisser Form unnatürlich, zersetzend, gleichzeitig geprägt von ständigen Eruptionen. Das hier, es war etwas völlig anderes. Ein ruhiger Fluss voller Ausgeglichenheit, vielleicht noch etwas krude und mit Hindernissen versehen, jedoch keineswegs wie die starken Ausschläge bei einem jüngeren Machtnutzer mit wenig Erfahrung. Ganz unabhängig von den Vorkommnissen hier war der Mann spürbar vertraut mit dem, was er tat – trainiert, etwas anders vielleicht als der Gleichstrom eines toten Ordens, aber nichtsdestotrotz wissend. Es war für sie kaum möglich, aus ihm schlau zu werden. Einerseits in Teilen vertraut, andererseits doch wieder anders. Ein Rätsel.
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Yavin - von Protokolldroide - 19.03.2020, 01:13
RE: Yavin - von Zsinjs Imperium - 19.03.2020, 01:14
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