#21
Tiberius Vaash ging in sich. Es war nicht an der Zeit für eine hektische Antwort, noch für überstürzte Aussagen. Merkwürdig war der Gedankenprozess in seinem Schädel. Weit in der Zeit zurück, gingen seine Gedanken, fern von diesem Ort. Der Alte erinnerte sich an die Zeit der Ausbildung, als er noch junger Kadett war und hörte die Worte, die einst sein Ausbilder Captain Rezzia zu ihm gesagt hatte: "Bedenke jede Entscheidung, da sie immer eine Konsequenz hat. Jedoch musst du entscheiden, das ist deine Aufgabe als Offizier, ob richtig oder falsch. Entscheide oder füge dich in ein fremdes Schicksal. Der Feind wird immer für dich entscheiden." Diese Sätze hatten sich in den Geist des damals jungen Vaash gebrannt. In den schlimmsten und denkbar ungünstigten Momenten kam die Erinnerung, um Heil oder endgültige Verdammnis zu bringen. In diesem Fall war es keines von beidem, sondern nur eine Beschreibung dessen, was der Admiral einst gelernt hatte und was für ihn einen Offizier auszeichnete. Man entschied sich. Spezifisch hatte er sich damals für Vesperum entschieden und gegen Pestage. Das war der Fakt. Auch wenn ihn vielleicht Ehre antrieb, hatte er sich für diesen Dämon entschieden. Es war der unauflösbare Widerspruch dieser Persönlichkeit. Fataler Fehler oder göttliche Eingebung? Tiberius Vaash konnte die Grenzen zwischen diesen beiden Positionen nicht mehr unterscheiden. Die Grenzen waren in diesem Krieg völlig erloschen. Handeln, entscheiden und weiter machen. Moralische Betrachtungsweisen erübrigten sich insoweit, da für den Alten jeglicher Gedanke daran Kummer bedeutete. Waren nicht Soldaten ohne Moral nur Söldner einer falschen Sache? Nicht daran denken. Nicht jetzt. Doch Cassio Acchetia hatte diesen Prozess in ihm verfestigt, wenn nicht sogar mehr Schwung gegeben. Gescheitert war der Admiral. Die größte Schlacht seines Lebens hatte er verloren; so grausam und steril war dies. Die Männer hatten ihm vertraut und er hatte sie enttäuscht. Der Alte war gebrochen. Seelisch und körperlich. Noch fehlte ihm neuer Mut. Neue Kraft, um erneut gegen die Republik aufzustehen. Doch, es gab keine Alternative, nicht mehr. Entweder Vaash entschied sich für einen totalen Rückzug, was bedeutete die Männer zu verraten, die für ihn gefallen waren, oder er kämpfte weiter, um deren Andenken zu ehren. Der Wert eines Soldaten ist nicht der Kampf, sondern die bedingungslose Aufrichtigkeit und Loyalität gegenüber jener Sache, für die man einst in den Krieg zog. Auch wenn diese Sache am ertrinken, zerbersten oder zerbrechen war. Ein Soldat ergriff Partei, immer und zu jeder Sekunde seines Dienstes. Nicht mehr an Vaash lag es, diesen Krieg zu beenden, sondern an den Welten der Galaxis. Der Alte, als Fossil dieses Reiches, würde sich selbst nicht ermächtigen, einfach Frieden zu machen. Leider erhoffte der Mensch hinter der Uniform diesen. Frieden - danach strebte man. Ein Krieg, alle Kriege zu beenden. Die kleine Hoffnung war dies. Der letzte Rest Kraft, die aufkeimte. Noch einmal aufraffen, nicht aufgeben. Jetzt wurden ihm die einstigen Worte seines inzwischen verschiedenen Ausbilders klar, was er meinte und intendiert hatte.

"Schreckliche Geister vergehen nicht," kommentierte der Alte schließlich auf die Aussage seines Gegenübers. Imperator Vesperum war ein Dämon, ein Schreckgespenst, welches sich erhoben hatte. Der Pakt mit ihm, hatte dem Offizier sein Imperium gerettet und der Preis war seine Seele sowie Ehre gewesen. Der Teufel machte immer die besten Angebote, deren Blutzoll oft lächerlich klein erschien. Der Flottenadmiral war sich seiner Rolle in diesem grausamen Spiel vollens bewusst; tragischerweise unfähig diese zu ändern. In dieser Hinsicht würde diese galaktische Heimsuchung nicht schwinden, da war sich Vaash sicher. Er hatte diese unglaublich fremde Macht gesehen, die diese Andersartigkeit von Mensch darstellte. Nein, so etwas verging nicht einfach so. Nicht ohne noch die Galaxis in die Hölle zu stoßen. Obwohl vielleicht war man schon dort und man weigerte sich dies zu erkennen. Vaash war sich sicher, dass er eines Tages diese Reise antreten musste, wenn der Teufel in Form von Vesperum seine Seele einfordern würde. Die Eroberung Coruscants war erst eine Anzahlung gewesen. Der Dämon würde unter Umständen irgendwann auftauchen, vorher würde er nicht sterben. Natürlich glaubte der Alte nicht an übernatürliche Mächte aber die Gestalt dieses Siths ließ auch ihn daran zweifeln. Diese dunkle Macht war unmöglich natürlich; widernatürlich war seine ganze Erscheinung. Eine Erklärung fand sich nicht, nur eine unruhige Gewissheit, dass es noch lange nicht vorbei war. Es war dieses schleichende Gefühl, welches Vaash zu seiner Aussage verleitet hatte.

"Pestage tut das, was jeder Politiker an seiner Stelle getan hätte. Der Moment ist günstig, also nehme ich mir das, was ich will," war der abschätzige Kommentar des Tiberius Vaash. "Er selbst ist nichts weiter als eine Funktion, die sich mehr anmaßt, als sie eigentlich dürfte."

Da war es. Vesperum war nie Vergangenheit, leider. Der Alte war sich sicher, dass diese Gestalt die Galaxis mehr konformt hatte, als ihm selbst lieb war. Das Imperium war radikalisierter, grausamer und brutaler geworden. Gut, dieser Prozess war schon unter Palpatine absehbar. Nur die Begründungen waren flacher, unausgereifter und manchmal schlicht offensichtliche Lügen. Doch man nahm es hin. War Pestage besser als das? Sicherlich nicht, da ihm diese dunkle Aura von Macht fehlte. Diese Figur von Stärke, die führte, regierte und mit seinem Willen Motivation schuf. Diese Motivation war selten gerecht oder fair aber sie stand im Leben eines jeden Imperialen. Der Großwesir hatte nie große Bedeutung für die meisten Imperialen gehabt. Vielleicht lag es auch mangelnden Personenkult. Das Imperium hatte nur zwei vergötterte Wesen: Palpatine und Vesperum. Ob es Pestage gelänge, in diese illustre Reihe aufgenommen zu werden? Wahrscheinlich nicht. Vaash mochte ihn nicht und sprach ihm dieses Recht ab.

"Ein schwacher Herrscher stützt ein Reich in der Krise nicht,"
sagte der Altgediente, wissend um seinen damaligen Verrat. "Unser Eid gilt dem Reich, der Sache und der Idee," folgte dann seine Auslegung des Eides, die zumindest für ihn selbst schlüssig war. Schlüssig genug, um Pestage damals zu hintergehen und Vesperum zu unterstützen. Diese Unterstützung sollte des Reich retten, was sie auch zeitweise getan hatte aber der Preis war hoch, wenn die Tat vor sich selbst rechtfertigen musste. Diese Rechtfertigung kostete seelische Kraft, zermürbte und machte einen selbst zu dem Feind, den man eigentlich bekämpfte: zum Verräter. Vaash wollte gerade Einspruch erheben, da es ihm nicht gefiel, wie Acchetia seine Lage so stoisch ertrug und bereit war zu sterben. Dem Alten war klar, dass der Stabschef untergehen sollte. Seine Zwischentöne, der Ausdruck in Acchetias Augen war sichtbar, dass er wahrlich nicht glücklich darüber war. Wenn man in Ungnade fiel, und dies beim angehenden neuen Herrscher, war es so, dass man oft schlicht entsorgt wurde, um Platz für loyale Anhänger zu schaffen. Vaash war nicht dumm, was Politik betraf, sonst hätte er damals nicht Vesperum auf den Thron gebracht. Gut, der ehemalige Stabschef hatte nicht auf seinen Rat gehört, die Offensive mit den fehlerhaften Anweisungen von Pestage dennoch zur Umsetzung gebracht; daraus konnte man einen Vorwurf stricken aber Vorwürfe würden Acchetia nicht retten. Hier ging es um einen Imperialen, der sichtbar in den Tod gehen wollte. Doch dem alten Mann fehlten die Worte, um darauf einzugehen. Er nahm es traurig hin. Der Beweis würde ein Beweis der unerschütterlichen Loyalität bis in den Tod sein. Cassio Acchetia hatte vorerst seine Ehre zurückgewonnen; in den Augen des Alten.

Jetzt wollte Acchetia mehr wissen. Mehr über ihn und Vesperum. Was sollte er über den Pakt mit dem Teufel berichten? Es war ein Fehler und gleichzeitig auch eine richtige Entscheidung. Vaash selbst war sich unsicher, wie er antworten sollte, blickte also zu Boden, zupfte an der Decke und holte Luft, bevor sein Blick erstarkte und zu Cassio zurück ging. "Es war...," sprach der Alte leise, fast so, als ob er keine Geister rufen wollte aber immer noch verständlich genug. "Es war notwendig." Das war es. Die schlichte Wahrheit, in einem knappen Satz vermittelt. "Vergöttert habe ich ihn nie," folgte dann als nächste Wahrheit, ähnlich knapp. "Es mag schwierig sein, dies zu begreifen. Ich diente immer dem Imperium, der Sache und Vesperum erschien mir eine sinnige Wahl als er an mich herantrat, mit seiner Idee eines starken Reiches." Der Alte seufzte, legte die Lippen zusammen und ließ die Mundwinkel fallen. Dann sprach er weiter: "Ich habe eine fatale Entscheidung für mich selbst gewählt, um die Sache zu retten, für die ich mein Leben aufopfere. Es war keine Karriere-Entscheidung oder eine Überzeugung, sondern schlichter Sachzwang. Pestage mag zwar ein guter Beamter sein aber er ist kein Staatenlenker. Dies hätte damals das Imperium nicht überstanden." Der Verrat und dessen Preis zeichnete sich erneut ab. Der wenig gelungene Selbstbetrug. "Da ich an die Front gehöre, niemals als Karrierist erscheinen wollte und meinen Männer treu war und bin, musste ich die Ernennung ablehnen, da mich dies unweigerlich an Vesperum gebunden hätte und damit vom Militär entfernt hätte." Vaash verkannte, dass er sich auch schon davor, unweigerlich an den Sith gebunden hatte. Nun man redete es sich schön. Menschen waren widersprüchlich und taten oft seltsame Dinge, nur um sich selbst zu rechtfertigen. Es war eine persönliche Sache, die dem Flottenadmiral schwer fiel. Es gab keine trennscharfe sowie saubere Erklärung. Wenn seine Worte und deren Aussprache sein persönliches Gericht waren, hatte er sich jetzt sein Urteil verdient.
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#22
„Vesperum ist tot“, widersprach Cassio überdeutlich und kopfschüttelnd, ohne Vaash aber anzusehen, während er sich von dem kleineren Tisch neben dem Kartentisch ein Glas nahm und sich einen Schluck corellianischen Whiskey eingoss. Dieses Mal hatte er den Umstand, dass Vesperum tot war – ein Umstand, den er zuvor als Erzählung, als Legende formuliert hatte – als klares Faktum festgestellt; in einer nackten, ungeschönten Art, die nicht weniger endgültig als der Tod der angesprochenen Person selbst schien. Kaum jemand hatte es bislang gewagt, es offen zu sagen, aber es war im Grunde dennoch jedem klar. Das Imperium zog diesen toten Kadaver immer noch hinter sich her, in der Hoffnung, dass er einmal auferstand, auch wenn jeder wusste, dass er nicht wiederbelebt werden konnte. Es half dem Imperium jedoch nicht, sich hinter Worthülsen zu verstecken und die Realität anzuzweifeln. Unter keinen anderen Umständen wäre ihr Herrscher für Monate verschwunden, ohne sich bemerkbar zu machen. Nun war es an der Zeit, diesen Umstand auszusprechen und zu verarbeiten. Es war die Zeit, nach vorne zu sehen und nicht das Alte und den Verlust zu betrauern. Dafür war noch Gelegenheit, sobald sich die galaktische Situation beruhigt hatte. Zögern und Zaudern führten nur in den Untergang. Es gab zahlreiche Probleme, die angegangen werden mussten und keinen Aufschub duldeten, einen Aufschub wegen einem eigenartigen Anflug von Sentimentalität über einen Herrscher, den sie alle nur ein paar Monate gekannt hatten. Zweifellos war Vesperum wichtig für das Imperium und es wäre der Moral zuträglich gewesen, den Imperator wieder präsentieren zu können, aber nun galt es zwangsläufig, ohne ihn auszukommen. Und die Konsequenzen dieser Tatsache so gering wie möglich zu halten. Sie hatten einen Krieg zu führen, einen Krieg um das reine Überleben. Imperiale Offiziere hatten keinen Grund zu der Annahme, Gnade oder Gerechtigkeit nach dem Krieg durch die Republik erfahren zu können. In dieser Situation würden wenige allein für das Zentrum oder nur für das Imperium kämpfen. Nein, in dieser Situation kämpfte auch jeder für sich selbst. Jeder auf seine Weise. Ishin-Il-Raz verführte die Jugend in den Glauben, dass der Krieg die Erfüllung jeder Existenz war und die Mutter aller Ehre. Tiberius Vaash war derjenige, der seinen Beitrag an der Front leistete und damit rechnen musste, in der Verrichtung dieses Dienstes jederzeit fallen zu können. Und Cassio? Nun, bis vor kurzem war die Antwort klar gewesen, doch mit der Entlassung hatte es sich verkompliziert. Er würde seine Stelle finden müssen. Er würde tun müssen, was jeder an seiner Stelle tun würde. So wie Sate Pestage.

Er tut das, was jeder Politiker an seiner Stelle getan hätte. Der Moment ist günstig, also nimmt er sich das, was er will. Er selbst ist nichts weiter als eine Funktion, die sich mehr anmaßt, als sie eigentlich dürfte.

Nachdenklich betrachtete er die wogende bräunliche Flüssigkeit im Glas und reflektierte darin Vaashs Worte. Traf das nicht auch auf Vaash zu? Hatte Vaash etwa nicht einen günstigen Moment abgepasst, um sich etwas anzumaßen, was er nicht durfte, nämlich eine Entscheidung darüber zu fällen, ob Pestage der richtige Mann war? Nach Cassios Auffassung war das eine Entscheidung, die niemals ein Militär treffen durfte. Das Militär hielt sich aus der Politik heraus, Politik – nicht nur die des Imperiums – beschmutzte die eigene Ehre der Streitkräfte. Doch Vaash hatte das getan, er hatte Politik gemacht. Er hatte sich über das Militär erhoben und sich in Staatsangelegenheiten eingemischt. Vielleicht war es richtig gewesen. Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Wer konnte das nun schon sagen? Niemand würde erfahren, wie Sate Pestage das Imperium direkt nach Endor gelenkt hätte. Alternative Geschichte war unmöglich präzise vorherzusagen. Fakt war, Vaash hatte damals eine Grenze überschritten – und das war ihm zweifellos bewusst. Er hatte sich an eine unbekannte Gestalt gebunden und Sate Pestage hintergangen. Er hatte entschieden. Und diese Entscheidung wirkte heute, nach dem Verschwinden seines Verbündeten Vesperums, nach. Erneut hatte Pestage die Macht ergriffen und somit stellte sich die Situation wieder so dar, wie sie vor Vesperum der Fall gewesen war.
„Und was ist nun anders?“, fragte Cassio präzise und fixierte das Gespräch somit auf den entscheidenden Punkt. Der Punkt, dessen Beantwortung je nachdem dafür sorgen konnte, dass Cassio seinerseits jederzeit die Sicherheit rufen und Vaash festnehmen lassen konnte. Würde er das im Fall der Fälle tun? Kaum. Es war Cassio egal. Selbst wenn Vaash jetzt zum Staatsstreich aufrufen würde, hätte der Vizeadmiral in diesem Moment wohl lediglich mit den Schultern gezuckt. Cassio würde sich nicht daran beteiligen. Die Frage war wohl nur, wo Vaash seinen Gegenüber einordnete. Oder? Oder war Cassios Loyalität in den Augen vieler bereits zweifelhaft? Möglich. Cassio konnte es nicht mehr einordnen. Es schien, als ließe ihn seine recht gute Einschätzungsgabe im Stich. Etwas anderes war jedoch immer noch offensichtlich. Der Vizeadmiral hob das Glas zu einer Geste, die klarmachte, dass er seinen gerade begonnenen Gedanken weiterführte.
„Denn falls Sie immer noch der Ansicht sind, dass der Mann diesen Staat nicht lenken kann, nicht lenken darf, dann haben Sie dieser Tage ein Problem. Er wird es nämlich wieder tun.“
Tiberius Vaash hatte somit nur zwei Optionen. Entweder er fand sich damit ab und erduldete einen Imperator namens Pestage, so wie es Cassio getan hatte und auch jetzt wieder tat. So wie es ein guter Soldat tat. Oder zumindest einer, den Cassio dafür hielt. Damit verriet Vaash aber seine Überzeugungen, die, für die er sich bereits einmal kämpferisch gegen das eigentlich legitimierte Imperium gestellt hat. Wenn es ihn so in der Brust schmerzte wie letztes Mal schien das indes unwahrscheinlich. Die einzige Alternative war, sich erneut gegen Pestage zu stellen und ihn ein weiteres Mal zu verhindern. Mit dem Unterschied, dass Vaash dieses Mal keine Führungsfigur wie Vesperum als Ersatz vorweisen konnte. Dieses Mal würde ein Verrat offenkundiger werden. Er würde sein Ansehen und seine Ehre vor dem Imperium beschmutzen, vielleicht auch vor sich selbst. Aber war es nicht genauso schlimm, einen Teufelspakt zu schließen, der sich am Ende als nutzlos erweisen sollte, weil mit Pestage dennoch die Person herrschte, die er mit eben diesem Pakt zu verhindern gesucht hatte? Vaash verlor in beiden Optionen, ganz gleich, welche er ziehen würde. Wenn Cassio den alten Admiral anblickte, so schien es auch so, als wäre das einem Teil von ihm klar. Daher verzichtete der ehemalige Stabschef auf seine ursprünglich geplante weitergehende Frage, was Vaash auf Grund dieses Umstands zu tun gedachte. Zweifellos hätte es ihn interessiert, allerdings aus purer Neugierde heraus. Aus dem gleichen Grund, aus dem ein Kind ein Tier sezierte, um einen Erkenntnisgewinn daraus zu ziehen. Cassio war nun derjenige, der Vaash sezierte – auch wenn dieser das Gespräch vermutlich in der genau entgegengesetzten Richtung erwartet und vielleicht auch zu lenken versucht hatte. Doch im Gegensatz zu einem Kind wusste Cassio, wann er aufhören musste. Letztlich hatte er bekommen, was er wollte: Er wusste, wie Vaash stand und dass die aktuelle Situation für diesen keinen positiven Ausgang zuließ. In diesem Moment akzeptierte der frühere Stabschef, dass Vaash offenkundig nicht gekommen war, um Cassios Loyalität auszuloten – oder jedenfalls nicht so, wie der Vizeadmiral es befürchtet hatte. Vaash war nicht vom ISB gesandt worden, um anti-imperiale Tendenzen oder Verbitterung zu entlocken. Nein, Admiral Vaash wollte lediglich seine Gedanken mit einer Person teilen, die – ganz gleich, wie es mit dem Imperium weiterging – im Prinzip nur verlieren konnte. Eine Person wie Cassio. Ob bewusst, gewollt oder nicht, sie saßen nun in gewisser Weise im gleichen Boot. Fraglich mochte nur sein, wessen Boot zuerst unterging.

Für Cassio war der Alte im Repulsorstuhl in diesem Moment ein bestätigendes Beispiel dafür, was passierte, wenn Militärs sich in Staatsangelegenheiten einmischten. Es war einfach ein anderes Terrain, eins, in dem man als Militär nur verlieren konnte. Doch diese Bestätigung erfüllte Cassio keineswegs mit Genugtuung. Zwar befriedigte die Tatsache, dass ein Militär, der versuchte, Politik zu machen, scheiterte, andererseits aber änderte auch das nichts daran, dass Cassios eigene Situation dadurch nicht besser wurde. Auch ein unpolitischer Soldat wie er konnte also in eine solche Situation geraten. Letztlich war das Heraushalten daher möglicherweise nutzlos. Dennoch würde Cassio nicht so weit gehen zu sagen, dass es jemals geboten sein konnte – in diesem Punkt unterschied er sich noch von Vaash. Obwohl es letztlich viel über das Imperium aussagte, wenn sich derart viele Untergebene nach dem Tod des Gründers und ersten Imperators losgesagt hatten. Es war notwendig, hatte Vaash gesagt. Fakt war dennoch: Wenn es keiner für notwendig angesehen hätte, wäre es auch nicht notwendig geworden. Ohne die zahlreichen Abspaltungen wäre das Imperium auch nach der Niederlage über Endor ohne Probleme intakt geblieben und hätte die Rebellion weiter durch die Galaxis jagen können. Die Eigendynamik der Abspaltung hatte jedoch so viele erfasst, dass andere offensichtlich eine Notwendigkeit interpretiert hatten, das Imperium selbst zu kurieren. Eine Abspaltung vom Imperium, um das Imperium zu retten. Das war es wohl, was Vaash meinte. Für Cassio war das indes ein Paradoxon. Doch wo er es bei Personen wie Grunger als ein schlicht vorgeschobenes Motiv ansah, um lediglich Einfluss zu erwerben, zeigte sich anhand von Vaashs Ablehnung der Beförderung, dass dies nicht dessen Motivation gewesen sein konnte.
„Sie können das Imperium nicht retten, Vaash. So oder so“, sagte Cassio erneut mit einem Anflug eines Kopfschüttelns, fast so als habe er die Absicht, Vaash vor einer großen Dummheit bewahren. Anstelle das Glas, das er mit sich herumgetragen hatte, selbst leer zu trinken, stellte er es vor Vaashs Repulsorstuhl auf dem Kartentisch ab.
„Der Einzelne ist dem Imperium nicht mehr wert als dieses Glas. Eher sogar weniger.“
Binnen eines Augenblicks hatte Cassio sich umgedreht und trug auch wieder selbst ein eigenes Glas in der Hand, das er Vaash kurz entgegenreckte.
„Nur wenn Sie das akzeptieren, haben Sie eine Chance“, fuhr er fort, ließ aber offen, welche Chance er damit meinte. Mit einer lockeren Bewegung schüttete er den wenigen Whiskey in seinem Glas den Rachen hinunter. Ja, er hatte es akzeptiert, vor langer Zeit schon. Ihm bereitete das keine Kopfzerbrechen mehr. Glaubte er. Doch war es bei Vaash auch so?
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#23
Wie erfroren blickte Vaash den etwas jüngeren Acchetia an. Keine Aussage. Vesperum mochte tot sein, ja aber der Alte hatte sein ganzes Potenzial auf den Sith gesetzt, alles gewettet und wohl verloren. Dieser Umstand zermürbte den verletzten Geist des Berufsoffiziers, welcher sich bessere Tage ersehnte. Dieses einfache Funktionserfüllung vermochte ihn nicht zu begeistern oder zu erfüllen. Vesperum hatte ihm die Hoffnung auf einen Sieg geschenkt. Einen echten Sieg. Das Imperium wäre gerettet gewesen, gerettet vor Gewalt und Kriegswahnsinn. Alle Verfehlungen wären hinfort gewaschen worden. Ja, selbst der vermeindliche Verrat oder der Pakt mit diesem untoten Teufel waren ein Preis den er für Frieden bereit war, zu zahlen. Pestage kann nicht herrschen. Pestage kann nicht regieren. Pestage kann nicht führen. Der Großwesir kann nicht siegen. Dem Alten war dies so klar, dass er damals das Unaussprechliche tat: Verrat. Ein Opfer im guten Glauben ohne persönliche Hintergedanken. Eine Tat für das Reich gegen den Ehrenkodex. Dieser Bruch mochte nicht heilen. Cassio Acchetia hatte Recht. Auch wenn er es nicht aussprach, der Vorwurf gegen sich selbst wuchs. Niemand kam um Vaash seelische Wunden zu küssen oder ihn zu retten. Allein bei ihm lag die Verantwortung. Die Männer bei Eriadu hatten ihm vertraut und er hatte sie enttäuscht. Der Alte war in allen Belangen gescheitert. Gescheitert als Mensch und gescheitert als Offizier. Mechanisch öffnete er seinen Mund, um eine Antwort zu formulieren. "Ich habe mein Entlassungsgesuch eingereicht," sagte der gebrochene Mann im Hover-Stuhl schließlich. Es war keine direkte Antwort auf Cassios Aussage, dass Pestage nun herrschen würde aber sie stellte klar, dass der Kriegsveteran nicht mehr bereit war, zu kämpfen oder zu verraten.

Er wollte aussteigen, seine Familie sehen und nicht noch einmal versagen. Er zog persönlich den Schwanz ein und versuchte sich davon zu stehlen in einen friedlichen Ruhestand. Dabei war ihm sehr wohl klar, dass es diesen nicht geben konnte. Nicht in einem Bürgerkrieg. Nicht in einem Krieg, der ihn vernichtete. Wie ein Taucher suchte er die restliche Lebensluft aus der fast leeren Flasche zu drücken. Es war die irrsinnige Hoffnung, dass er wenigstens ein paar Monate unberührt Familienvater sein konnte. Ein wenig Abstand und Heilung von diesen Wunden. Zudem würde es klarmachen, dass er kein Verräter mehr war und Pestage gewähren ließ. Der Alte kapitulierte vor sich und dem Reich. Seine Ansichten spielten keine Rolle mehr. Das Versagen und das Koma waren sichtbare Zeichen des Verfalles. Vaash wollte raus. Jetzt - aus diesem Irrsinn Bürgerkrieg. Doch was würden seine Männer sagen, die gefallen waren, um seine Idee umzusetzen? Bürde lag auf dem Alten. Angst und Verzweifelung suchten ihren Weg in seine Augen, die glasig-leer wurden.

Der Vizeadmiral begann sein Glas zu bewegen, streckte es dem Veteranen entgegen und so musste es Vaash beobachten mit seinen leeren Augen. Cassio erklärte, was das Imperium auszeichnete. Ja, Werte gab es nicht. Nur Funktionen. Alles wurde diesem Staat untergeordnet. Vaash kannte dies, denn er hatte es selbst getan. Dieses Gefühl wuchs, falsch gelegen zu haben. "Ich habe es akzeptiert," war die ernste Aussage des Alten, welcher danach seine Lippen zusammenlegte und Acchetia anblickte. "Ich konnte Eriadu nicht retten und auch nicht meine Männer," jappste der Admiral fast kindlich und rang dann nach Stimme, die entschwunden schien. Es gab hier nichts mehr. Keine Chancen. Für ihn sollte es vorbei sein - oder doch nicht? Das Imperium würde ihn so schnell nicht gehen lassen, in einem Krieg, der Offiziere schneller vernichtete als sie nachwachsen konnten. Das Imperium würde seinen zum Helden stilisierten Offizier nicht einfach gehen lassen. Dies wäre ein fatales Zeichen. Vaash war dies nicht ganz klar, dass das Imperium ihn brauchte. Nicht nur in seiner Funktion als Schlachtenlenker, sondern auch als propagandistische Figur. Dem tragischen Helden. Der Person, zu der Soldaten aufschauen als Tugendbeispiel.
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#24
Die Reaktion von Tiberius Vaash kam für Cassio überraschend. Er hatte was? Entlassung? Der frühere Stabschef blinzelte ein paar Mal erstaunt und eine bedächtige, bald schon sehr unangenehme Stille füllte den Raum an. Es war schwer zu sagen, wie lange sie dauerte, weil weder Cassio noch Vaash zunächst etwas daran änderten.
Der Alte ist fertig, dachte der frühere Stabschef, während er sich mit der freien Hand übersprungshaft am Nacken kratzte, weil ihm die Situation unangenehm wurde. Aber glaubte Vaash wirklich, dass das Imperium einen seiner bekanntesten Flottenkommandeure jetzt, so kurz vor der größten Offensive gegen das Reich, in den Ruhestand gehen lassen würde? Das erschien unwahrscheinlich. Zumal Tiberius Vaash in der öffentlichen Wahrnehmung der militaristischen Gesellschaft fraglos zerrissen werden würde. Die Hetze gegen von der Norm Abweichende konnte üble Ausmaße annehmen – und ein Rücktritt im imperialen Militär war sehr von der Norm abweichend. In aller Regel wurde man früher oder später aus dem Dienst entlassen – oder man fiel irgendwann in der Schlacht. Aufgrund von Vaash Reputation glaubte Cassio jedoch nicht daran, dass man ihn entlassen würde. Vor Endor hätte man es vielleicht noch getan. Aber jetzt, nach Endor, nach Eriadu. Das Imperium konnte es sich gar nicht leisten. Schon aus politischeren Maßstäben, weil sich dann bald eine weit größere Anzahl an Offizieren ebenfalls davonmachen würde. Davonstehlen. In Cassios Auffassung war es nichts anderes. Er ging von Bord, er wollte das imperiale Militär in seiner größten Krise im Stich lassen. Natürlich war Cassio klar, dass das ein hartes Urteil war, aber war es deswegen falsch? Der Vizeadmiral mochte die Resignation vielleicht irgendwo verstehen, nachdem er Vaashs Optionen überdacht hatte, um festzustellen, dass keine davon etwas Gutes versprach. Aber so war das Leben nun einmal. Es gab Zeiten, die schlecht waren. Und es gab noch schlechtere Zeiten, so wie jetzt. Den Soldaten zeichnete es aus, in solchen Zeiten nicht zu weichen, sondern seine Steherqualitäten zu zeigen, sich selbst zurückzunehmen und sich an das große Ganze zu erinnern, dem man diente. War das propagandistisch? Natürlich. War es deswegen falsch? Nein. Cassio hatte auch nicht seine Entlassung eingereicht, als es nicht gut für ihn aussah. Er hatte es erduldet. Er war nur eine einzelne Person, ein Nichts, nicht einmal ein winziges Zahnrad im Getriebe des Imperiums.

Für einen Moment öffnete Cassio den Mund, setzte an, etwas Hartes zu sagen. Sagen, dass Vaash damit nicht nur das Imperium, sondern jeden Einzelnen seiner Männer und Gefallen verriet. Doch brachte er die Worte nicht heraus. Auch Vaash hatte das alles akzeptiert, war beinahe in den Tod gegangen für das Imperium. Nun schien er gebrochen. Und auch wenn Cassio diese vermutliche Kurzschlusshandlung von Vaash missbilligte, so war sein Gegenüber immer noch ein verdienter Offizier, der weder Schimpf und Schande noch Hohn und Spott verdient hatte. Schon gar nicht von einem Mann, der den Krieg über in seinem Büro saß und die Heldentaten anderer Menschen als nüchterne Kurzfassung auf einem Flimsiblatt las, als seien es antike Epen. Es fühlte sich falsch an, heuchlerisch. Cassio presste die Lippen schließlich aneinander und nickte etwas sinnlos. Offensichtlich brachte auch er als eher unangenehmer Zeitgenosse es nicht übers Herz, die vernichtete Person vor ihm zu tadeln. Tatsächlich empfand er im Moment nur eines. Mitleid. Ein seltenes, nahezu fremd gewordenes Gefühl, das sich im Imperium nicht mehr häufig zeigte. Cassio wandte sich um, mit dem Rücken zu Vaash, fast als wäre ihm seine eigene Emotion dem Flottenadmiral gegenüber peinlich. Er lehnte sich etwas nach vorne, stützte sich mit beiden Händen gegen den Tisch, auf dem der Whiskey stand, und seufzte kurz.
„Ich denke nicht, dass Sie das wirklich wollen“, murmelte Cassio schließlich vielsagend, aber doch so, dass es zu verstehen war. Vaash hatte in der Vergangenheit viel aufgegeben, buchstäblich seit Jahrzehnten. Er konnte sein gesamtes Leben nicht wegen dieses Moments wegwerfen. Oder doch? Cassio jedenfalls konnte es nicht. Alles, wirklich alles wäre umsonst gewesen. Milliarden toter imperialer Soldaten wären verhöhnt, wenn man jetzt schwach wurde. Das konnte, das durfte nicht das Ende dieses Krieges sein. Die Verluste waren schrecklich, ja. Man konnte schon ganze Planeten mit Gefallenen bevölkern. Aber sie waren auch unausweichlich. Ein Krieg forderte Opfer. Jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde. Vaash glaubte immer noch, jeden retten zu können? Eine ehrenwerte Motivation, aber eine, die das Unmögliche einforderte. Es oblag einfach nicht nur Vaash, dies zu entscheiden. Selbst der begnadetste Kommandeur musste mitunter Truppen opfern, wenn es der Sache diente. Tausende. Zehntausende. Das war der Preis der Verantwortung, die jeder Offizier in der Flotte trug, wenn er ein Schiff an der Front kämpfen ließ. Es war eine Verantwortung, die sich nicht geändert hatte und die auch Vaash bereits seit Jahrzehnten getragen hatte. Der Unterschied war nur, dass sich jetzt die Anzahl der Verluste, die sich nicht vermeiden ließen, weitaus höher war als früher. Das war hart, aber war es wirklich ein großer moralischer Unterschied? Man verdammte eine immense Anzahl an Menschenleben mit einer einzigen Entscheidung zum Tode – und ob es nun dreißigtausend oder fünfzigtausend waren. Eine solche Größenordnung war bereits schwer vorstellbar und das Prinzip war immer das Gleiche. Es war ein Entscheid über Leben und Tod. Hätte ein Kommandeur ein anderes Schiff nach vorne beordert, wären diese Männer gefallen und nicht die auf dem geschonten Schiff. Eine perverse Entscheidung, die nicht selten von reinem Zufall oder Bauchgefühl abhing. Doch so war dieses Handwerk eben, das war allen klar.

„Wollen Sie, dass Ihre Geschichte so endet, Vaash?“, fragte Cassio nach einer Weile, während er sich wieder zu seinem Gast umdrehte. „Wir gehen in die Geschichte ein, so oder so. Die Frage wird lediglich sein, wie man uns in Erinnerung behalten wird. Als jemand, der zur Pflicht steht, oder als jemand, der sich ihr entzieht.“
Vielleicht wollte Cassio den Admiral damit bei der Ehre packen. Menschen liebten Geschichten mit Konsequenz. Leute, die sich für ihre Ideologie aufopferten. Ja, sie schätzten sie, selbst wenn sie die Ideologie dahinter vielleicht ablehnten. Soldaten, die sich für eine korrupte und marode Alte Republik aufgeopfert hatten, waren heute Helden. Die Geschichte zerriss dagegen Feiglinge und Opportunisten, stellte sie als verachtenswerte und charakterschwache Geschöpfe dar. Und die Bewertung hing fast immer mit einer Frage zusammen: Wie endet eine Geschichte? Wie verhielt sich diese Person im Angesicht ihres Endes? Cassio hatte sich entschieden, welchen Weg er gehen würde. Er würde zweifellos nicht als Held in die Geschichte eingehen, aber zumindest als jemand, der sich nicht drückte, als es zum ersten Mal brenzlig für ihn wurde. Er würde stehen. Vielleicht ein Charakterzug, der in den Augen anderer eine seiner massivsten Schwächen war, aber zumindest würde er ihm Respekt einbringen. Der frühere Stabschef interessierte sich nicht für den Ehrgeiz Einzelner, nicht für das, was andere Einzelpersonen von ihm hielten. Was die Geschichte aber schreiben würde, war wieder etwas ganz anderes.

Plötzlich zischte die Tür auf. Cassio drehte den Kopf seitwärts und sah, wie Leutnant Maryll eintrat. Fragend hob er eine Braue und forderte sie zu einer Erklärung auf.
„Verzeihen Sie die Störung, Sir“, begann sie höflich und blieb kurz hinter der Gleittüre stehen. „Aber der Stab hat sich jetzt im Shuttle versammelt und ist bereit, zum Palast abzufliegen. Ich wollte mich nur vergewissern, ob Sie es sich nicht doch anders überlegt haben.“
Einen Augenblick lang sah Cassio die junge Frau lediglich an, mit einem merkwürdigen Blick, der ihr bald unangenehm wurde und dem sie daher bald auswich. Der Offiziersball, natürlich. Cassio hatte keinerlei Interesse daran gezeigt und die Einladung ungeöffnet in den Abfalleimer geworfen und somit seine Position auch Tasha gegenüber mehr als deutlich gemacht. Dieser Pestage sollte sich zum Teufel scheren, ihm noch einen heuchlerischen Abschied bereiten zu wollen.
„Ich sagte doch…“, brummte der Vizeadmiral schließlich zunächst als Antwort, hielt dann aber inne. Sein Blick fiel langsam auf Vaash, der traurig und verlassen in seinem Repulsorstuhl saß. Als Folge richtete sich auch Tashas Blick auf den verwundeten Admiral. Erneut spürte Cassio, dass er nicht so reagierte, wie er eigentlich wollte. Eigentlich wollte er nicht auf diesen Ball. Er wollte seine Ruhe, die letzte Zeit hier im Zentrum nutzen und vielleicht früher oder später noch kurz nach Anaxes zu kommen, ehe er an die Front musste. Aber wieder schaltete irgendetwas in Cassios Gehirn um, als er Vaash so dort sitzen sah. Fühlte er sich Vaash gegenüber schuldig? Nein, das konnte eigentlich nicht sein. Nicht mehr als jedem anderen gegenüber. Mit dem Unterschied, dass jeder andere nicht in seinem Büro saß. Nervös kratzte er sich erneut den Nacken.
„… dass Sie noch warten sollen“, fuhr er dann fort, bemüht um einen ähnlich barschen Tonfall, mit dem er begonnen hatte. Tasha blinzelte ein paar Mal mit großen Augen und schien für einen Moment widersprechen zu wollen. Doch nachdem sie den Blick mehrfach zwischen Cassio und Admiral Vaash gewechselt hatte, schien sie zu verstehen.
„Ja. Natürlich. Entschuldigung.“
Ein kurzes, verlegenes Lächeln huschte über ihr Gesicht, anschließend verneigte sie sich knapp und wartete auf die Erlaubnis, sich entfernen zu können, die ihr der Vizeadmiral mit einer angedeuteten Handbewegung erteilte. Die Tür glitt hinter ihr zu und die beiden Admirale waren wieder allein, für den Moment. Zunächst herrschte kurz wieder Stille, ehe Cassio wieder das Wort ergriff.
„Was meinen Sie, Vaash? Ein letztes Mal, der besseren Zeiten willen? Noch ein Stück altes Imperium, bevor wir es nicht mehr wiedererkennen?“
Ja, es war vielleicht ein Ball auf die alten Zeiten. Die Unbekümmertheit des Zentrums, als das Imperium machtvoll und unangefochten war, hatte nichts verloren und sich nicht dem Zustand des Krieges angepasst. Heute war es mehr Schein als Sein, aber auch den Schein konnte man wahrnehmen, solange er noch da war. Beide Admirale waren nicht gerade bekannte Gäste auf derartigen Veranstaltungen, aber es war eine besondere Situation. Für beide. Der Abschied von der großen Bühne. Und wahrscheinlich war es für beide das letzte Mal, die - wie sie wussten - letzte Gelegenheit, ehe das Imperium wohl wieder seine hässliche Seite beiden gegenüber zeigen würde.
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#25
Wem gehörte die Galaxis? Wem gehörte ein Platz in der Geschichte? Den Mutigen oder Klugen? Wer mochte darüber urteilen, wo man stand oder besser stehen sollte? Es gab vielleicht keinen Sinn oder einen Unsinn. Man war einfach da. Hier - im Jetzt. Sie waren das, was sie geworden waren. Durch Krieg. Durch Vernunft oder Unvernunft. Vaash war alles, was einem Menschen übrig blieb, der gekämpft hatte. Sein Lamento blieb. Das Gefühl des Scheiterns. Einsam war der Alte. Der Frost der Zeit umschloss die verwundeten Glieder. Niemand ersparte ihm die Leiden aus dem Dunkeln seiner Verantwortung. Er wollte einfach gehen; aufhören. Doch niemand sah dies. Nicht einmal die Geschichte. Mut und Hingabe waren Tugenden dieser Zeit, die nur Krieg kannte. Tiberius Vaash wollte einen Platz, einen echten Platz im Leben, nicht nur als Randbetrachter aus dem Brückenfenster einer Vernichtungswaffe. Innerlich meuterte er, doch selbst für diesen Kampf war er zu schwach. Man fügte sich. Nur ein Wunsch war geblieben: frei zu sein. Einfach zu gehen. Cassio konnte nur erahnen, was dieser Mann durchgemacht hatte. Nur sehen, was übrig blieb. Die Sekunde des Sturzes war dem Vize-Admiral entgangen. Sie war für diesen nur ein Blinken auf einem Holo-Kartentisch gewesen aber für Vaash war es der Abgesang auf die Ehre und das Gefühl richtig gelegen zu haben. Paradox war es, dass er in der Tat Recht gehabt hatte, mit der Annahme der Fehlplanung der Operation Festung.

Er galt als begabter Offizier. Bester Absolvent. Gerade Karriere und statthafte Autorität. Doch - in diesem Moment ließ die Zeit ihn, wie ein Kind aussehen. In allem hatte er sich falsch entschieden. Pflicht vor Liebe gestellt. Einsatz vor Menschlichkeit. Blanke Ausführung vor den Grundwert des Lebens. Lügen - das hatte er gelebt. Vor seiner Familie, die er selten sah. Vor seinem Sohn und seiner Tochter, denen er nie von seiner Arbeit berichtete. Der gefühlt strafende Blick von Acchetia traf den Alten. Wie viele hatten mit ihm gesprochen, ihm etwas versprochen, was niemals Realität wurde. Frieden. Der Blick des Offiziers vor ihm, strafte all diese Ausreden Lügen. Der Blick strafte ihn, der alles geopfert hatte. Tausende Leben klebten an seinen Händen. Nachts in den Träumen kamen sie, verfluchten seinen Namen und nichts hatte es gebracht. Absolut nichts. Vaash schlug mit der Faust auf die Lehne seines Stuhles. Heftig und fest. Die Erkenntis erwog sich, dass er gefangen war. In seiner verdammten Verantwortung. Man hatte sich entschieden. Die Pflicht ersetzte Träume. Wo man einst überzeugt eintrat, den Weg ging und erst zu spät erkannte, dass der Weg in große Ketten führte. In diese große Zelle - Verantwortung.

Was er wollte? Frei sein. Von den Gedanken. Von der Verantwortung. Endlich nach Hause. Doch sein Willen spielte keine Rolle in einem Staat, der nur eines kannte: Ordnung. Jeder musste seinen Platz akzeptieren. Keine Zweifel hegen und einfach funktionieren. So gut er halt konnte. Wie gerne würde Vaash nun weinen, lachend weinen und irre kichern. Ihm war danach, einfach diese irrealen Ketten der Höflichkeit zu sprengen, die ihm antrainiert worden waren. Doch es ging nicht, wie eben nichts mehr ging. Außer vielleicht der Hebel seines Hoverstuhles, den er nun vorschub, um Cassio näher zu kommen. Einen gefühlten Schritt. "Was ich möchte, spielt in diesem Staat keine Rolle," war die Antwort, die er dem Vize-Admiral entgegen warf. "Wie Sie selbst sagten, nicht viel mehr Wert als ein Glas." Zerbrechlich, meist leer und durchschaubar. So wollte das Imperium seine Bürger. Das war dem Alten immer klar gewesen, doch man hatte es gut verdrängt. Jetzt war es wieder da. Der Gedanke, falsch zu sein. Sich selbst gegenüber und dem Leben. Wer kannte ihn schon? Nicht seine Karriere, sein Aussehen, sondern sein Herz. Seine Werte, die so alt waren, wie einst die Republik. Werte von Ehre, Hingabe und Aufrichtigkeit. Alles das war bei Eriadu gestorben.

"Man verlässt Eriadu nicht," floskelte der alte Herr, der seelisch immer noch in der Schlacht war. "Wer dort war, versteht, dass man nur lernt damit zu leben." In der Tat hatte jeder Veteran sein Eriadu mitgenommen. Dort lagen die Träume und Leben vieler junger Männer und Frauen begraben. Eingeäschert von wahnhaften Ideen und Turbolasern. Verdampft, zerfetzt, zerissen, erstickt, verbrannt, zerquetscht, geschlagen, verstrahlt waren sie alle. Nichts war geblieben außer dem Wort: Eriadu. Dieser Planet, der zum Symbol des totalen Versagens wurde. Diese Welt macht Vaash zu einem Kind. Zu einem Kind, welches einfach nach Hause wollte. Mensch sein - nicht mehr möglich aber das Kind wehrte sich mit Tritten, Hieben und Lachen. Das wollte er. Sagen, was ihn bewegte. Eriadu war hier, überall in den Herzen, die dort waren. Die Sterne verdunkelten sich um diesen Planeten, der tausendfachen Tod gesehen hatte, in wenigen Stunden und für was? Nichts. Nur leere Werte. Das Handwerk des Krieges war eben nur ein Handwerk. Ein Handwerk, welches erlernt wurde, ausgeführt worden war aber irgendwo erschöpfte der Meister. Nicht jeder Schlag mochte mehr sitzen und irgendwann erkannte jeder Meister eines Handwerks, dass seine Zeit gekommen war. Wenn die Kunst nicht mehr zu finden war, hörte man auf. Der Krieg hatte nie Kunst. Er war immer nur Selbstzweck, kalte Berechnung und immer nur eines: Macht streben. Wenige Menschen stellten sich über viele und schoben diese in ihr galaktisches Schach. Vaash war einer davon gewesen. Für was er das getan hatte? Spielte dies noch eine Rolle? Die alte Zeit starb. Leider war der Alte nicht mit ihr bei Eriadu gestorben. Der insgeheime Wunsch war da.

"Meine Geschichte endet nicht mit meinem Wunsch, sondern mit der Entscheidung eines Imperiums, welchem wir zu dienen pflegen." Ein Satz kalt gesprochen, wie Tiberius es fühlte. Ein Gesuch war ein Gesuch. Die Macht darüber lag bei anderen. "Wer behält meine Männer in Erinnerung in hundert Jahren? Eriadu - das bleibt." Vielsagend nickte er, kniff die Augen zusammen, um sich eine salzige Meeresträne zu verdrücken. Niemand verließ Eriadu. "Wir dienen. Auch mit unserem Ende, ob daheim oder an der Front." Dem Alten fiel es schwer zu atmen, da die Gedanken an die Schreie gingen, die ihn verfolgten. Dieser vorwurfsvolle Blick seines gefallenen ersten Offiziers, als dieser in den Weltraum hinausgerissen wurde. Der Blick blieb. Eingebrannt in seinen Geist. Der Blick sagte: Wofür? Vaash konnte nicht mehr zurück. Das Lamento war geschrieben und wurde bereits gesungen. Pflicht und Ehre waren darin wieder zwei verschiedene Dinge.

War Acchetia zynisch geworden? Vaash hatte sich Tasha gedreht, als diese eingetreten war. Ihre Stimme war schön, ein Durchbruch durch diese furchtbare Stille, die den Alten zu umnachten drohte. Er lächelte ihr väterlich zu, nickte und wandte sich dann zum Vize-Admiral, der in der Tat zynisch war. Immerhin wollte er ihn gerade einladen. Zu diesem Ball, der aus jungen Offizieren Helden machen sollte, damit diese ehrenhaft starben. Ein Gesang auf die Glorie eines sterbenden Reiches. Vaash wollte dort kein Held sein. Nicht mehr. Doch irgendwo hatte der junge Offizier vor ihm recht. Einmal noch die Fassade sanieren, einmal noch jemand sein, bevor man sich aufgab. Vielleicht gab es dort auch genug Alkohol, um die Gedanken und Gesichter zu töten. Bekümmert sagte der Alte: "Ja."
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#26
Nach kurzer Überlegung entschied sich Cassio dazu, die Worte von Vaash so stehen zu lassen. Natürlich kümmerte sich das Imperium nicht um den Einzelnen. Warum auch? Es war ein Staat. Ein Staat mit faschistoidem Einschlag kümmerte sich um das Gemeinwohl, unabhängig davon, ob Einzelne – oder gar ganze Volksgruppen – davon Schaden erleiden würden. Solange es das Gesamtgebilde stärkte, war jedes Mittel Recht. Toleranz war eine Schwäche, die die Mehrheitsgesellschaft zu spalten drohte. Nur eine geeinte Mehrheit würde diesen Krieg gewinnen können. Das zumindest war das, was die imperiale Propaganda erzählte. Glaubte Cassio noch daran? Hatte er jemals daran geglaubt? Wer wusste das schon. Zwei Fragen, auf die er keine Antwort hatte und wohl auch nie haben würde. Doch nur weil der Staat als solcher so war, bedeutete das freilich nicht, dass man sich und seine Persönlichkeit komplett an ihn abtreten musste. Jeder Mensch war voll von Wünschen und Träumen – und wenn es nur war, dass man der Nachwelt einigermaßen solide hinterlassen wurde. Das war bescheiden, aber es war zumindest etwas. Nein, Vaash hatte Recht damit, dass das Imperium sich darum nicht kümmerte. Wie auch kein anderer Staat. Aber der entscheidende Punkt war, dass das nichts, aber auch gar nichts daran änderte, dass diese Dinge dennoch in jedem existierten. Das Imperium zerstörte und schuf Wünsche, aber welche das am Ende waren, war immer noch jeder Person selbst überlassen. Hatte Vaash keine mehr? War ihm alles gleichgültig geworden? Wenn der Person Vaash egal war, was die Person Vaash wollte, dann war das kein Problem des Imperiums, sondern ein Problem der Person Vaash. Insofern empfand Cassio die Antwort des Alten als ein Stück weit vorgeschoben, um sich hinter der verborgenen, ungreifbaren Fassade des Staates zu verstecken, weil es die leichtere Antwort war als das Eingeständnis, dass der Admiral offensichtlich im Moment als Person zerstört war. Vielleicht wäre es insofern doch besser, wenn das Oberkommando entschied, den Mann gehen zu lassen, da er in diesem Zustand zweifellos eine Gefahr für sich und seine Soldaten wäre. Nun gut, das war Cassio auch. Ihm war sehr wohl bewusst, dass das Kommando, das er erhalten würde, für die ihm unterstellten Männer eine Katastrophe werden würde. Zum einen weil er seine Fähigkeiten einzuschätzen wusste, zum anderen weil er voraussichtlich dort eingesetzt werden würde, wo die Chance auf einen ehrenhaften Tod groß war. Zumindest wenn Pestage sich gegenüber dem Oberkommando durchsetzte.

Mit einem Punkt hatte Vaash indes Recht. Offensichtlich vergaß man Eriadu nicht. Man sah es unzweifelhaft an Cassios Gegenüber. Und auch Cassio selbst würde es auch nicht vergessen, obwohl die Schlacht für ihn faktisch nicht dramatischer war als jede andere größere Operation, an der er beteiligt gewesen war. Im Gegenteil waren die Verlustzahlen damals im Kampf gegen Großadmiral Pittas Sektorgruppe nahe Corellia sogar weitaus höher gelegen als nun während Operation Festung. Der Unterschied war, dass es einmal kalkulierte Verluste waren, die sich im Verlaufe einer militärischen Operation immer zwangsläufig ergeben mussten und dass das strategische Ziel dennoch erreicht wurde. Es war ein Sieg. Eriadu war eine Niederlage. Paradoxerweise hatte der komplette Sieg nahe und auch direkt über Corellia dennoch mehr Blut gekostet als diese Niederlage. Es gelang Cassio nicht, bei diesem merkwürdig ironischen Gedanken keine Spur von Amüsement in sich zu spüren. Ja, vielleicht war er wirklich etwas zynisch geworden. Es blieb einem letztlich auch nicht viel mehr übrig als Galgenhumor.

Als der Alte im Repulsorstuhl schließlich zusagte, nickte Cassio zunächst bloß und stellte anschließend sein leeres Glas wieder auf dem Tisch ab. Ihm war nicht entgangen, dass das von seiner Seite an Vaash angebotene Glas noch immer unberührt vor diesem auf dem Kartentisch stand, aber letztlich spielte das keine Rolle. Und auch nicht, ob er die durchaus menschenverachtende Symbolik dahinter tatsächlich begriffen hatte. Er, Vaash, hatte das akzeptiert, was Cassio sagen wollte, ob jener es nun betrank oder nicht. So setzte sich das ungleiche und doch irgendwie gleiche Paar allmählich in Bewegung, verließ das leere Stabsbüro und folgte dem langen Gang entlang bis zur Shuttle-Landeplattform, gefüllt mit einigen Passagieren der Fähre, die sich die Wartezeit an der Luft und nicht im stickigen Inneren der Lambda vertreiben wollten. Eine frische Windböe brauste über die Plattform und am Horizont zeichneten sich künstliche Regenwolken ab, nachdem der Planet infolge seiner Bebauung auf natürlichem Wege dazu gar nicht mehr in der Lage war. Hier wie dort lag der Schein in der Luft, man konnte ihn atmen, spüren und fühlen. Man wusste, dass er da war und eine Illusion aufrecht erhielt, an die man sich gerne zurückerinnerte. Schweigend trat Cassio an den vor dem Shuttle Wache haltenden Flotteninfanteristen vorbei, trabte gedankenverloren die Rampe hinauf, bis alle Passagiere schließlich das Shuttle betreten hatten und es abhob, in Richtung des Scheins, in Richtung der Regenwolken, die sich hinter dem grotesken Mahnmal zusammenzogen, das man allseits als Imperialen Palast bezeichnete.


--> Imperialer Palast, Großer Festsaal
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#27
Wie Schleier und Winde einer neuen Zeit waren die Signale des Geschehens im Senat auch ins Oberkommando gedrungen. Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften starrten gebannt auf die Schirme, die Zeit vergessend, was gerade geschah. Es geschah etwas Historisches, was alles verändern konnte. Alles. Im gesamten Reich. In einem Zimmer, auf der Hauptebene trafen sich zwei altgediente Imperiale.

"Tigellinus," sprach die sachliche, fast bürokratische Stimme Octavian Grants.
"Grant," grüßte dieser und setzte sich auf einen Stuhl am Ende des Besprechungstisches. Im Hintergrund liefen die Bilder aus dem Senat, immer noch applaudierten die Senatoren. Tigellinus stand, aufrecht und breit vor Grant, um hinab zu blicken.

"Wer hätte das ahnen können, nicht wahr?" Tigellinus war unsicher in die Lehne gesunken.
"Ahnen? Niemand. Ich fürchte mich nur vor den Folgen." Grant legte seine Stirn in Falten.

"Sie meinen, dass sein Wille unser aller Verderben sein könnte?"

"Nein, eben, dass seine Entscheidungen uns zu siegen führen und wir am Ende nicht mehr ohne ihn können."
"Er ist der Herrscher, wir leider die Diener," formulierte Grant sachlich, obwohl seine Tonlage deutliches Missfallen beimischte.

"Es ist bekannt, dass seine Art anders ist als wir. Ich rede nicht davon, dass er ... Er scheint anders zu sein. Ein Sith..."
"Tigellinus," unterbrach Grant. "... kein göttliches Wesen."

"Sie haben seine Wirkungen gesehen, seine Kräfte, die widernatürlich sind. Erinnern sie sich an die Moffs?"
"Ja, blutige Erinnerungen sind dies."
"Und jetzt scheint er noch... unaufhaltsamer zu sein. Zu unserem Wohlgefallen mischt er sich nicht in die Dinge des Militärs ein."

"Noch nicht." Grant blickte zum Bildschirm. "Auch ich fürchte mich davor, was kommen mag. Auch vor ihm...oder dem, was er geworden ist. Nicht nur nach seiner Abstinenz vom Thron, sondern, was Il-Raz politisch aus ihm machte und noch machen wird. Er ist nun ein Heiliger für das Volk. Niemand wird sich mehr an ihm versündigen können."

"Ein Heiliger? Einen Gott hat unser Propagandist aus ihm gemacht. Einen verfluchten Gott...,"
zeigte Tigellinus auf das Bild, welches Vesperum in breiter Pose zeigte.

"Hoffen wir, dass er uns in eine goldene Ära führt." Großadmiral Grant seufzte.
"Oder in die Vernichtung. Ohne ihn sind wir nicht mehr." Resignation.
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#28
→ von Großer Festsaal, S. 3 (Imperialer Palast)


Die Nacht des künstlichen Regens auf Coruscant schien ein guter Abschied von dem zu sein, was einst war, was vielleicht schon viel zu lange gewesen war. Die Fähre ließ den Palast hinter sich, etwas, das Cassio aus dem Passagierraum zwar nicht sehen, aber in seiner Magengegend doch spüren konnte, als das Raunen der Triebwerke sich mit dem hydraulischen Schwenken der nach unten klappenden Tragflächen verband. Nutzlos brachte die Lambda ihre Flügel in Position, für eine Flugdauer, die so kurz war, dass es beinahe lächerlich wirkte. Hauptsache das Protokoll wurde noch eingehalten. Manchmal war das Imperium ein wahrlich seltsames Gebilde. Cassio hatte keine Ahnung, wo Tiberius Vaash geblieben war, musste diesen im Laufe der Veranstaltung aus den Augen verloren haben. Ehrlicherweise... war ihm das aber auch gleichgültig. Er lehnte sich zurück, gegen die Lehne seines Passagiersitzes im Hinterraum der Fähre, legte die Beine hoch auf die Sitzfläche einer der längsseitigen Stühle. Nicht unbedingt die Haltung, die sich für einen Offizier ziemte, aber auch das schien viel zu belanglos. Keiner beobachtete ihn, warum also die Fassade wahren? Der Flug dauerte nur wenige Minuten, ehe die Fähre auf einer der Landeplattformen des Oberkommandogebäudes aufgesetzt hatte. Cassio nickte dem Piloten im Cockpit weiter vorne nicht einmal zu, als er die sich öffnende Rampe hinunterschritt und den Mann im Shuttle zurückließ. Leichter Wind blies ihm ins Gesicht und ließ die Regentropfen kühl auf seine Haut fallen. Nur kurz jedoch, dann bot der Turbolift bereits Zuflucht vor der Witterung.

Absolute Stille, das Flottenoberkommando schien ausgestorben. Die Sicherheitsstationen waren zweifellos besetzt, doch die Stabsebene war gerade völlig entleert. Cassio schritt durch leere Gänge, beinahe gespenstisch. Und doch amüsant, wenn man bedachte, was zur gleichen Zeit an diversen Fronten vermutlich passierte. Aber solange sich kein dringlicher Notfall oder unvorhergesehener neuer Zustand ergab, konnte auch das Oberkommando der Flotte ruhen. Eigene Fortschritte an Offensivoperationen waren ohnehin nicht zu verfolgen, denn – es gab keine. Wie auch. Ein weiser Oberbefehlshaber in der antiken Kriegsführung, Turus Pax, dessen militärisches Erbe noch aus historischen Gründen an der Flottenakademie rudimentär gelehrt wurde, hatte in Anbetracht einer sich abzeichnenden Niederlage gegen die überlegenen Streitkräfte Atrisias einst gesagt: Wenn ich unser Gegner wäre, könnte ich den Krieg binnen eines Monats beenden. Der Krieg war noch mehrere Jahre gegangen. Dutzende Planeten waren weiter verheert und weitere Millionen Einwohner dem Tod überantwortet. Am Ausgang des Krieges hatte es nichts geändert. Natürlich nicht. Militärs erkannten dies früher als alle anderen. Früher als jene, die Kriege begannen und sie auch wieder beenden sollten. Cassio watete etwas ziellos durch das leere Geschoss, nur hin und wieder erinnerten ihn Kontrollposten mit je zwei Flotteninfanteristen daran, dass es in dem Gebäude noch andere Menschen gab. Er ignorierte sie und sie ihn. Erst an seinem Büro verlangsamte er den Schritt. Denn dann war da plötzlich doch noch ein anderer Schatten, der sich im Korridor bewegte. Cassio blieb kurz stehen, irritiert. Offensichtlich machte er dabei aber irgendein hörbares Geräusch, denn der Schatten zuckte kurz zusammen und wandte sich dann betont langsam zu ihm herum.
„Admiral Kallice“, stellte Cassio mit gehobener Augenbraue fest, während er ein paar Schritte näher trat. Der Konteradmiral stand dort im Korridor, etwas steif, die Hände sorgsam hinter ihrem Rücken platziert.
„Acchetia? Was machen Sie hier?“
Kallices Stimme schien ehrlich überrascht und sie nahm Cassio die gleiche Frage direkt aus dem Mund. Nach kurzem Nachdenken erschien es ihm aber so, dass die Frage aus Kallices Mund weitaus mehr berechtigt war als aus seinem. Sehr berechtigt sogar, eine Frage, auf die er keine wirkliche Antwort hatte. Die Gala sollte sein letzter Auftritt gewesen sein, dennoch hatte er sich noch einmal hierher fliegen lassen anstelle direkt in die paar Tage Urlaub, die man ihm für die Zwischenzeit der Versetzung gewährt hatte.
„Hm“, machte er zunächst. War es schlicht Gewohnheit? Vermutlich. Oder der Gedanke, dass sich das Ganze am Ende doch nur als schlechter Scherz oder Fehler entpuppte oder irgendein anderer seltsamer Zufall oder ein glückliches Ereignis noch einmal alles änderte. Natürlich würde nichts davon passieren. Und so hob Cassio kurz die Schultern an, stellte den Kopf leicht schräg.
„Nichts, schätze ich“, antwortete er dann mit platter Offenheit, so dass das Wort nicht einmal nach einer Ausrede klang, sondern eben genau das, was es war – das einfache Eingeständnis, dass er hier tatsächlich nichts mehr verloren hatte. Kein Schönreden, direkt zum Punkt, eigentlich also alles wie immer. Und doch waren einige Dinge so anders als sonst. Da schon Mitternacht vorüber war, hatte Kallice seinen Posten jetzt auch ganz offiziell übernommen und er selber war… nun, eben einfach nur noch ein Offizier. Ein Offizier im Urlaub. Einen Teil von Cassio machte dieser Umstand noch immer wütend, aber auf der anderen Seite schien diese Realisierung doch auch plötzlich eine Menge Last von seinen Schultern zu nehmen. Verantwortung – fort. Rechtfertigung – fort. Kompromisse – fort. Von nun an waren die Dinge klar… und einfach. Grunger gegenüberstehen und ein Wunder erleben oder sterben. Die eine, die weitaus wahrscheinlichere Option mochte eine unbehagliche Endgültigkeit bedeuten, aber vermutlich war es diese… Planungssicherheit, die eben auch dazu führte, dass Cassio sich andere Variablen leisten konnte. Und so seltsam das war, bot es auch einen ungewöhnlichen Hauch von Freiheit, eine kleine Kostprobe eines Guts, das man lange nicht mehr geschmeckt hatte. Anstelle weiterzugehen wie sonst, fiel sein Blick darauf, wie Kallice sehr offensichtlich etwas hinter ihrem Rücken verbarg. Im Normalfall hätte ihn das nicht interessiert. Warum auch? Aber Variablen wurden nun ja akzeptabel.
„Und was haben Sie da?“, fragte er in das betretene Schweigen und nickte in ihre Richtung, während er sie skeptisch musterte.
„Ah. Das?“ Kallice blickte kurz seitwärts, wirkte einen Moment lang ertappt, ehe sie fortfuhr. „Auch nichts. Nur ein… Souvenir von der Gala.“
„Souvenir.“

Zunächst etwas zögerlich, dann aber doch mit diebischer Leichtigkeit holte Kallice eine kunstvoll verschnörkelte Flasche mit lilafarbener Flüssigkeit hinter ihrem Rücken hervor und präsentierte sie ihrem Gegenüber. Cassio staunte nicht schlecht, als sich seine Augen auf das Etikett richteten. Kaum etwas, das sich in der Offiziersmesse finden oder gar anfordern ließ.
„Kuatischer Jarri. Vom Diplomatentisch? Etwas nobel für einen Militär.“
„Etwas“
, antwortete sie. „Ratchet meinte, die Flasche ist teurer als einer unserer Defender. Aber…“
„… er wäre ansonsten nur im Rachen von Bürokraten gelandet“
, erwiderte er trocken und ließ die Ironie, dass sich das Getränk jetzt im Flottenstab befand, dahingestellt. Kallice blickte von der Flasche hoch, hob einen Zeigefinger in Cassios Richtung.
„Exakt. Welch Verschwendung das wäre“, entgegnete sie ebenso trocken. Dann verspannte sich ihre Miene aber wieder etwas. Sie tippte mit dem Zeigefinger auf die gläserne Flasche und wurde etwas ernster. „Für einen besonderen Anlass.“
Beinahe wäre Cassio spontan in Gelächter ausgebrochen, als hätte die Frau gerade einen unglaublichen Witz gemacht. Falls es so einen überhaupt noch einmal geben sollte, meinte sie wohl, dachte er. Was war eigentlich im Militär der letzte „besondere Anlass“ gewesen? Etwas, das eine Feier nach sich gezogen hatte? Er erinnerte sich nicht mehr daran, es musste gefühlt eine Ewigkeit her sein. Seit Endor brachten auch vereinzelte Siege oder die erfolgreiche Operation Morgendämmerung keine Feierlaune mehr auf. Dafür war die Situation einfach zu kompliziert geworden. Dass Kallice einen derartigen Tropfen für ein vielleicht nie kommendes Wunder aufhob, sprach Bände, doch vermutlich konnte man einen besonderen Anlass auch darin sehen, wenn die ersten Schiffe der Republik über dem Zentrum lagen. Dann war es vielleicht der letzte Anlass, aber viel mehr konnte das Oberkommando in solchen Stunden dann auch nicht mehr tun. Das vergebliche Warten auf das letzte Wunder war es wohl auch, warum er gerade überhaupt hier im Oberkommando stand. Statt dem Gelächter nickte Cassio daher bloß, etwas abwesend. Kallice war bisher immer im Hintergrund gewesen, verstand die Dinge aber offensichtlich richtig und ließ sich nicht von der eigenen Propaganda beeindrucken. Immerhin. Wird ihr aber nicht viel nützen.
„Warten Sie nur nicht zu lange darauf“, sagte Cassio etwas kryptisch nach einer Weile und wandte sich dann in Richtung seines Büros um, in der Art, wie er Gespräche mit Untergebenen immer beendet hatte.

Diesmal jedoch nicht. So war es dann eben, wenn man plötzlich nicht mehr das Sagen hat, sondern jemand anderes. Schon nach wenigen Schritten drang Kallices Stimme von hinten noch einmal in sein Ohr.
„Ich wollte Ihnen noch sagen, dass Ihre neue Verwendung nicht von mir ausgehen wird, auch wenn ich sie unterzeichnen muss.“
Ein gefühlter Stich in Cassios Innerem veranlasste ihn zum kurzen Stehenbleiben. Er drehte sich nicht um.
„Ist mir bewusst“, entgegnete er knapp, scheinbar wieder ohne jede Emotion.
„Ich weiß. Aber mir schien, ich sollte das Ihnen gegenüber noch festhalten.“
Schien ihr das so? Erstaunlich genug. Cassio war kein Mann, der sonderliche Loyalitäten weckte. Technokraten besaßen diese Fähigkeit für gewöhnlich nicht. Sie galten anderen Leuten als langweilig, standen für den stupiden Dienst nach Vorschrift, für den Irrsinn komplexer Bürokratie in sonderbarer Sprache. Empfand Cassio sich so? Vermutlich, ja, wenn er ehrlich war. Fernliegend war es nicht. Zumindest in Ansätzen. In jedem Klischee war jedenfalls dieser kleine Funken an Wahrheit. Kaum jemand schätzte die Arbeit der Verwaltung – und der Sache nach war sein Posten nicht viel mehr als Militärverwaltung gewesen. Im Prinzip war Cassio das auch gleichgültig, Anerkennung durch Personen, die er ohnehin nicht leiden konnte oder nicht leiden mochte, hatte ihn nie gekümmert. Nach Anerkennung und Bestätigung zu gieren, hatte er immer als Charakterschwäche angesehen – denn sie bedeuteten Eitelkeit. Dennoch kam er nicht umhin zuzugeben, dass Kallices Worte einen Effekt auf ihn hatten. Er hatte sie auf der Gala gemieden, da er vermutet hatte, dass entweder Mitleid oder Genugtuung auf ihn hereinprasseln würde – und für beides hätte er ihr vermutlich am liebsten einen Drink ins Gesicht geschüttet. Dass sie sich aber einfach nur von dem Umstand als solchen distanzierte, war etwas, womit er nicht gerechnet hatte. Natürlich würde sie die Anordnung von oben ausführen, wozu sie eben verpflichtet war – aber sie missbilligte sie. Aus welchen Gründen auch immer. Sympathie konnte es kaum sein. Kollegialität vielleicht, bestenfalls. Kollegen aus abgeschotteten Abteilungen und mit eigenen Kodizes wie der Flotte sah man nicht gerne ausgebootet. Es bedeutete Verwirrung, Unklarheit in der gesamten Abteilung. Diffuse Ängste. Eine Säuberung? Wie sicher waren alle anderen im Sattel? Wie privat waren manche privaten Gespräche geblieben? War man nun verdächtig? Im Wanken traf eine Kreatur auch schnell solche, die es unter anderen Umständen nicht hätte treffen wollen.
„Danke“, erwiderte Cassio brummend und ging dann weiter. Er erinnerte sich daran, dass er nicht davon ausging, seine eigentlich künftige Kommandeurin Daro Zen noch einmal zu sehen. In irgendeine Form würde sie sich nun sicherlich aus dem Staub machen. Er würde es an ihrer Stelle, vermutlich. Aber anhand dieses Gedanken wurde ihm klarer, dass er vermutlich auch Sentryn Kallice nicht noch einmal sehen würde – eine Person, die er kaum besser kannte als Zen, obwohl er mit ihr nun über Jahre zusammengearbeitet hatte. Ein Armutszeugnis eigentlich, wenn auch eines, das er immer plausibel hatte erklären können. Kallice hatte ihre Arbeit stets ordentlich gemacht – nicht unbedingt bemerkenswert oder spektakulär, aber ordentlich. So wie er also, eine Technokratin. Sehr undankbar. Er beneidete sie nicht. Früher oder später würde man auch sie ausbooten, wenn es so weiterging. Es war also nur eine Frage der Zeit. Aber wenn Kallice so empfand, mochte das unter anderen Technokraten auch so sein? Würden sie, das pulsierende Innenleben des Imperiums, es vielleicht irgendwann einfach nicht mehr dulden, dass man sie ausbootete? Mit dem Gedanken im Kopf blieb Cassio wieder stehen. Kurz blickte er die Wand neben sich an, dann drehte er sich erneut zu der Frau herum.
„Wissen Sie, Tryn. Ich denke, das ist ein besonderer Anlass.“


Irgendwann wachte Cassio auf. Er kniff die Augen zusammen, plötzlich geblendet durch scheinbar grelles Licht, das sich jedoch bald schon als einfaches morgendliches Sonnenlicht herausstellte, welches ihm brutal ins Gesicht strahlte und in diesem Moment gefühlt viel heller schien als sonst. Etwas desorientiert blickte er auf, wodurch er feststellte, dass er sich zumindest in seinem Appartement im Oberkommando, genauer gesagt in seinem dortigen Bett befand. Das zweite, was er feststellte, war, dass ihm beißender Geruch in die Nase stieß. Mit nur einem halb geöffnetem Auge sondierte er die etwaige Richtung des Appartements. Auf dem Boden lag neben zwei Gläsern die kunstvolle Flasche Kuat-Jarri. Umgefallen, der Rest der lilafarbenen Flüssigkeit hatte sich in den hellen Teppich gesaugt und diesen vermutlich auf ewig ruiniert. Aha. Wie auch immer. Nicht sein Problem. Es war seine letzte Nacht hier. Verschwendung? Egal. Weitaus relevanter war das Vakuum in Cassios Schädel. Oder besser gesagt der schmerzhafte Kampf zwischen Vakuum und Erinnerungsfetzen. Abseits des Fluges zurück zum Oberkommando hatte er nur noch seltsame Gespräche über Sinn und Unsinn dieses Krieges, wobei er nicht wusste, welche Position oder Argumente er dazu beigetragen hatte, sowie ein paar sprunghafte Bilder vor Augen – von einigem davon hoffte er, dass sie im Zweifel mehr Traum als Realität waren, doch eine trennscharfe Unterscheidung schien nicht mehr nachvollziehbar. Cassio entschied, dass das auch besser so war. Vieles davon ergab keinen Sinn und wahrscheinlich war es nicht die beste Idee zu versuchen, diese Puzzlestücke zu rekonstruieren und so womöglich zu Erkenntnissen zu gelangen, über die man besser nicht mehr genauer nachdachte. Nachdenken war ohnehin kaum möglich, da da dieser Bergbaulaser war, der offenbar gerade in Cassios Kopf zu arbeiten schien und mit penetranter Sorgsamkeit seinen Schädel zertrümmerte. Übles Zeug. Der Vizeadmiral blickte mit einem zugekniffenen Auge müde auf das digitale Chrono an der Wand. Kurz vor Elf. So viel zum morgendlichen Sonnenlicht. Ein Augenrollen. Ein kurzes Schnauben. Mehr war nicht drin. Er musste schon einige Jahre zurückdenken, um sich annähernd an einen Tag zurückerinnern zu können, an dem er möglicherweise so spät aufgestanden war. Offenbar hatte es auch niemand für nötig befunden, ihn zu wecken – was andererseits aber dadurch nur wenig überraschend war, dass die Gala an seinem letzten Tag hier gewesen war und somit vermutlich ohnehin niemand damit rechnete, dass er gerade überhaupt hier lag. Und so war es das dann also. Urlaub? Durchaus ein treffender Start hiervon. Schon fühlte man sich wie ein Zivilist. Er stellte einen süßlichen Geschmack auf seiner Zunge fest, womöglich irgendwelche Aromastoffe. Stöhnend grub er seinen Kopf zurück in das Kopfkissen. Natürlich würde er nicht einfach hier liegen bleiben können, aber selbst ein paar Sekunden waren es wert. In Anbetracht des peniblen imperialen Bürokratismus war Cassio ohnehin überrascht, dass die Reinigungsdroiden noch nicht hier waren, um das Appartement zu reinigen, ehe es einen neuen Besitzer fand. Er widersetzte sich daher dem drängenden Protest seines Schädels, weiter im Bett liegen zu bleiben, wankte in Richtung des Kleiderschranks und kramte eine frische Uniform hervor. Seine alte lag verteilt neben dem Bett und Cassio beschloss, sie ebenfalls den Droiden zu überlassen, welche praktischerweise zur Diskretion programmiert waren und sämtliche Spuren von was auch immer klinisch sauber eliminieren würden. Nach kurzem Badezimmeraufenthalt und einer gruseligen Begegnung mit dem Spiegel sah er wieder mehr nach Offizier aus, die Haare wieder streng gebändigt und die Augen nach kaltem Wasser wieder etwas wacher wirkend, wenn sie es schon nicht wirklich waren. Mit etwas langsameren, kürzeren Schritten zugunsten der Balance trat er schließlich aus dem Appartement heraus in den Korridor, verriegelte die Tür mit seinem Codezylinder, so dass außer den Droiden auch wirklich niemand mehr hineinkam.

Cassio trat die Stufen hinunter in die Gabelung des Korridors, bis er am Turbolift ankam. Er brauchte jedoch in eigener Einschätzung mindestens eine Ewigkeit, ehe er aus dem Bereich der Appartements in der Büroabteilung des OKF ankam, obwohl nur ein Stockwerk dazwischen lag. Das Tacken seiner Stiefel in seinem Kopf tat sein Übriges, um den Weg noch unangenehmer als ohnehin schon zu machen. Dieses Mal hatte er zumindest wirklich noch ein Ziel. Auf dem Gang der Hauptbüros herrschte mehr Treiben als einige Stunden zuvor; das übliche Gemisch aus Uniformen, Mannschaften und Droiden. Er selbst senkte den Kopf unwillkürlich etwas, so dass seine Verfassung etwas weniger offenkundig wurde, auch wenn dieses Spiel kaum Aussicht auf Erfolg haben würde. Kurz neben dem Turbolift standen schon Kallice und, mit ihr in eine Unterhaltung vertieft, ihr Stellvertreter, der schneidige Konteradmiral Xann Ratchet, welcher erhaben wie immer in der Gegend stand und alle anderen neben ihm dabei provinziell aussehen ließ. Kallice nickte knapp. Cassio nickte knapp zurück und ging wortlos weiter, ohne seinen Schritt zu verlangsamen. Professionell. Die Gleittüre zum Vorzimmer von Cassios Büro schnellte auf.
„Achtung“, rief einer der schwarzen Flotteninfanteristen im Inneren aus und die Anwesenden von Cassios Stab schnellten von ihren Stühlen hoch. Sofern Verwirrung vorhanden war, zeigte sie sich ihm gegenüber jedenfalls nicht offen.
„Herrschaften“, brummte er als grüßende Erwiderung, während er die laute Stimme des Mannes verfluchte und sogleich an den Tischen vorbei in Richtung seines Büros verschwand.
„Rushfort“, beorderte er im Vorbeigehen einen der Lieutenants mit sich mit. Der Mann folgte ihm in gebührlichem Abstand in das Büro des Vizeadmirals hinein, wo Cassio sich hinter den Tisch begab und in den Stuhl fallen ließ. Rushfort blieb auf der vorderen Seite des Tisches stehen.
„Besorgen Sie mir einen Piloten nach Anaxes. Flug so bald wie möglich“, fuhr Cassio fort, während er einen Ellenbogen auf der Tischplatte platzierte und eine Wange mit der zur Faust geballten Hand abstützte. Der Leutnant beobachtete ihn nur kurz, ehe er antwortete, dennoch übersah Cassio es nicht.
„Liner oder Shuttle?“, fragte Rushfort in tadellosem, vermutlich angelernten Coruscant-Akzent.
„Shuttle.“ Cassio deutete dann mit der freien, nicht abstützenden Hand auf eine mittelgroße Box rechts neben ihm auf dem Tisch. „Das kommt mit.“
Der Lieutenant blickte auf die Box, nur oberflächlich. Die wenigen persönlichen Sachen aus dem Büro waren kaum geordnet darin abgelegt, nur das eingerahmte Foto von Cassios Frau und Tochter standen noch auf dem Tisch. Er fixierte das Bild einen Moment lang, eventuell aber länger als beabsichtigt.
„Keine weiteren Befehle?“, fragte Rushfort zögerlich. Cassio blickte kurz von dem Bild auf, etwas irritiert von der Frage. Dann legte er es auch in der Box ab, schüttelte lediglich müde den Kopf und entließ den Mann dadurch. Dieser nahm die Sachen an sich, blieb jedoch noch mit der Box unter dem Arm vor dem Schreibtisch stehen.
„Sonst noch was, Leutnant?“, entgegnete Cassio seufzend, als sich Rushfort auch nach ein paar Sekunden nicht bewegte. Trotz Müdigkeit erkannte er anhand der Körperspannung, dass offenbar noch eine drängende Frage im Raum stand.
„Verzeihen Sie die Frage, Sir. Bleibt der Stab hier?“
Ah. Darum ging es. Die eigene Zukunft, wenn der Chef gehen musste. Verständlich. Falls Cassio sich trotz seines Zustand korrekt an das erinnerte, was er bestenfalls mit halbem Ohr verfolgt hatte, so war Rushfort mit einer Coruscanti verlobt und somit im Zweifel sehr daran interessiert, hier bleiben zu können. Ein flüchtiger Blick Cassios auf die tragende Hand bestätigte diese vage Erinnerung. Krieg und Beruf waren das eine. Für viele jedoch nur ein Teil, vielleicht nicht einmal der entscheidende.
„Bleibt er. Soweit Kallice keine Änderungen vornehmen und mit Teilen ihres Stabs ersetzen wird.“
Der Leutnant ließ sich nicht anmerken, ob ihn die Antwort wirklich freuen konnte oder nicht. Stabsdienst war auch nicht gerade ruhmreich, andererseits aber wohl – noch – eine der sichersten Verwendungsmöglichkeiten, die junge Offiziere überhaupt erhalten konnten. Mit Cassios Abschied bestand die theoretische Möglichkeit, dass einige dieser Offiziere auch in die Linie versetzt wurden, um auf Kriegsschiffen zu dienen. Allerdings empfand Cassio das als unwahrscheinlich. Früher waren Stabs- und Liniendienst häufig turnusweise, um Stabssoldaten auch die Perspektive vor Ort zu bieten, aber seit Beginn des Krieges passierte das kaum mehr, da man keine etablierten Gefüge aufbrechen wollte. Etablierte Teams brachten immer eine bessere Leistung als ein neu zusammengewürfelter Haufen, insbesondere wenn es Soldaten gab, deren Stärken erkennbar im jeweils einen oder anderen Bereich lagen. Sehr viel wahrscheinlicher war daher, dass die von Kallice Ersetzten in den Stabsbehörden auf Ebene der Regionskommandos landen würden. Cassio hätte natürlich auch beantragen können, dass sein Stab ihm folgt – ein eingespieltes Team war auch für ihn weitaus effizienter und zeitschonender als vor Ort ein altes übernehmen oder ein neues zusammensetzen zu müssen. Aber im Gegensatz zu seinem Stab wusste Cassio, wo er hin sollte. Im Hinblick auf Grunger schien ein Mitnehmen seines Stabs, den er im Laufe der Zeit weitgehend persönlich zusammengestellt hatte, daher eine seltsame Idee, würde er sie doch aus dem sicheren Oberkommando direkt an eine Hochrisikofront nehmen. Das mochte eventuell einem Machtmenschen wie Pestage zusagen, den meisten anderen jedoch kaum.

Irgendwann war Rushfort mit den Sachen gegangen, um seinem Auftrag nachzugehen, doch Cassio hatte nicht lange Zeit, sich sein jetzt nahezu völlig leeres Büro anzusehen.
„Ich hatte gehofft, Sie nehmen Ihren Stab mit“, sagte Tasha, die nun in der Tür lehnte.
„Nein“, entgegnete er lediglich, in einer Art und Weise, die nicht zuließ zu glauben, dass damals je ein Zweifel bestanden hatte. Noch einmal jung und naiv sein, welch Segen wäre das.
„Ist das ein Problem?“
Tasha sah ihn kurz an, wich dann aber dem Blick schnell wieder aus. Etwas, das sie erfahrungsgemäß nicht häufig tat.
„Nicht für mich, schätze ich“, sagte sie in den Raum hinein. Cassio verengte die wegen Müdigkeit schon nicht gerade weit aufgerissenen Augen noch ein Stück. Vielleicht doch nicht so naiv. Es hatte für Cassio ohnehin wenig Sinn ergeben, dass sie hätte hoffen sollen, das Zentrum zu verlassen, nachdem sie an sich immer noch Teil von Coruscants Limmie-Team war. Offensichtlich ging sie also davon aus, dass es gute Gründe geben musste, dass er seinen Stab nicht mitnahm.
„Vermuten Sie das?“, fragte er. Da sie auch auf der gestrigen Gala gewesen war, mochte in der Aussage weniger Spekulation und mehr Faktenwissen stecken als es zunächst den Anschein hatte.
„Ich vermute.“ Sie nickte knapp, Grund genug für ihn, diese Annahme bereits wieder zu verwerfen und ihr zu glauben. Es ergab keinen Sinn, unwissend zu tun, wenn man ihr auf der Feier etwas gesagt hatte.
„Guter Instinkt, hatten Sie immer schon“, murrte er. Es war einer der Gründe, warum sie überhaupt hier war. Tasha hatte immer schon eine sympathische Ausstrahlung und wusste, wie sie mit welchen Menschen umzugehen hatte, wenn man sie mit kleinen, unwichtigeren Aufgaben betraute, war erfinderisch, unkonventionell, sorgte außerdem für gute Laune. Mannschaftssport eben, kein Zweifel. Sie fing die Defizite, die Cassio als Person im Umgang mit seinem Stab hatte, auf. Es blieb abzuwarten, wie gut ihm das gelang, wenn er erst zuhause war.
„Ich wollte Ihnen noch etwas mitgeben.“
Erst jetzt fiel Cassio durch ihren Hinweis auf, dass sie etwas in der Hand hielt. Ein weiteres Indiz dafür, dass seine Aufmerksamkeit zu wünschen übrig ließ, und er das betäubende Gefühl in seinem Kopf mit Aussicht auf Bett und Ruhe ruhig stellen sollte. Er hob seine Brauen dezent an und begann, den Kopf zu schütteln.
„Ich denke nicht, dass...“
„Doch, doch“
, unterbrach sie ihn aber sofort wie völlig selbstverständlich – entweder ein weiteres Indiz, dass sie sich seines Zustands völlig bewusst war oder eines, dass sie die Hierarchie jetzt durch seinen Urlaub nicht mehr so streng nahm. Beides gefiel ihm gleichermaßen nicht. Mehr als ein Brummen als Protest unterließ er jedoch. Sie platzierte ein Holofoto auf dem Tisch, rotierte es um hundertachtzig Grad auf der Tischoberfläche und schob es zu Cassio heran. Ein Bild mit ihrer Limmie-Mannschaft, Team Coruscant, unterschrieben von jedem. Ein gemischtes Team, Männer, Frauen. Inzwischen ganz ohne Aliens, wie Cassio bemerkte. Dagegen viele Sportsoldaten mittlerweile. Das Imperium nutzte alle Möglichkeiten. Es war kein Topteam, würde es auch nie werden, aber im Vergleich zu früher zumindest eine Steigerung. Das war in Anbetracht der früher schwachen Leistung aber auch zu erwarten.
„Können Sie Chalya mitbringen“, sagte Tasha. „Ich weiß sie mag Limmie.“
Tat sie das? Nicht dass er wüsste. Seine Tochter war in all der Zeit nur ein paar Mal hierher zu Besuch gekommen, ein paar Mal häufiger als er nach Anaxes. Wie Tasha das wissen sollte und er nicht, schien seltsam. Auf der anderen Seite – nein, eigentlich nicht. Eigentlich war es tatsächlich überhaupt keine Überraschung.
„Ich gebe es Rushfort mit“, fuhr sie dann fort und deutete mit dem rechten Daumen aus der Tür hinaus, aus der der Lieutenant vor kurzem herausgegangen war. Cassio antwortete zunächst nicht, sondern schaute sie nur einen langen Moment an. So lange, bis ihr begreiflich wurde, dass gleich etwas wichtiges kommen würde.
„Machen Sie keinen Mist, Tasha.“
Das kam vielleicht härter aus seinem Mund als beabsichtigt und im ersten Moment blinzelte die Frau überrascht vom abrupten Themenwechsel und dem eindringlichen Appell, unklar, wovon er überhaupt redete.
„Wenn die wirklich bis zum Zentrum vorrücken, haben Sie hier nichts verloren. Wenden Sie sich an Kallice oder Ratchet oder bei wem auch immer Sie jetzt landen.“
Cassio erinnerte sich noch gut an den Überraschungsangriff durch Tiberius Vaash auf Geheiß von Vesperum. Es hatte Monate gedauert, die vergleichsweise geringen Schäden beheben zu können. Und das war nicht einmal eine richtige Bodeninvasion gewesen. Auf die Republik wäre man vorbereitet. Das Zentrum würde nicht ohne einen zähen Kampf fallen und der militärische Sperrbezirk, der alle Schaltzentralen von Flotte bis Armee verwaltete, würde zweifellos eines der ersten und wichtigsten Ziele der Republik werden, um die effektive Kriegsführung des Imperiums endgültig brechen zu können. Bomberangriffe, Bodenstreitkräfte. Kein Vergleich mit der Schlacht vor über einem Jahr. Rebellensoldaten waren für gewöhnlich keine Schlächter, aber auch von ihnen gab es mehr als genug Kriegsverbrechen. Nach einer langen Kampagne gegen Coruscant konnten die Nerven rasch blank liegen und genau die Rache nach sich ziehen, die viele Imperiale von ihnen erwarteten. Die Schuld für alles wurde auf jenen projiziert, den man eben gerade vor sich hatte. Ob Admiral oder Leutnant – es spielte dann keine Rolle mehr.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass die mich... einfach so gehen lassen würden“, entgegnete sie ausweichend.
„Glauben Sie mir, die haben schon in den Wochen davor genug andere Probleme. Bei dem, was ansteht, sind Sie keine Hilfe. Sie stören dann eher. Gehen Sie nach Hause.“
Und kommen Sie erst wieder, wenn der Krieg vorbei ist. Das Cronesische Mandat war weit weg und so uninteressant, dass es dort kaum zu größeren Gefechten kommen würde. Abgelegen und ruhig. Manchmal eine weitaus schönere Vorstellung. Dieses Mal antwortete Tasha nicht und blickte etwas ziellos den Tisch vor Cassio an. Offensichtlich war sie nicht vorbereitet auf dieses Thema und hatte sich darüber auch noch keine Gedanken gemacht. Coruscant Ziel einer Invasion? Das schien aktuell weit weg. Denn die Republik war fern, nicht wahr? Ja, war sie auch. Noch. Und niemand konnte wirklich abschätzen, wie lange dieses Noch Bestand haben würde.
„Ich meine es ernst“, bekräftigte er. „Nur für den Fall. Zögern Sie dann nicht zu lange, sonst ist es zu spät.“
Cassio erwartete keine wirkliche Antwort ihrerseits. Er sprach etwas an, das er so in der Öffentlichkeit nie hätte tun können, ohne dass selbst die beiden Flotteninfanteristen draußen an der Vorzimmertüre dazu verpflichtet gewesen wären, ihn direkt festzunehmen. Das Imperium schätzte solche Unterredungen nicht. Aber wenn die Republik erst vor Coruscant stand, war von einem Imperium nicht mehr viel übrig. Sofern es jetzt überhaupt noch da war. Um der Frau die Notwendigkeit einer Antwort zu ersparen, stand Cassio kurz auf. Mit strengem Blick streckte er ihr eine Hand entgegen, vielleicht als Bestätigung dessen, was er ihr sagte, oder aber auch einfach als das, als was er es eigentlich empfand – als Abschied. Tasha betrachtete die Geste einen Augenblick lang, dann trat sie schweigend ein paar Schritte vorwärts und schüttelte seine Hand, ganz gleich, was es aus ihrer Sicht auch bedeutete.
„Alles Gute Ihnen“, schloss er darauf und deutete, nachdem die Geste vorüber war, dann zur Tür hinaus, um anschließend wieder Platz zu nehmen. Sie lächelte etwas, ein bisschen gezwungen vielleicht, aber Cassio merkte, dass es nicht ganz unecht war. Sie setzte an, etwas zu sagen, dann fielen ihre braunen Augen aber in Richtung Boden, als müsse sie kurz überlegen.
„Auf Wiedersehen“, kam es dann mit leichter Verzögerung zurück und die beiden Worte schienen ihm fast zu widersprechen. Dann war der Vizeadmiral allein. Die Gleittüre fiel zu, nachdenklich betrachtete er sie. Vier große Wände, ein Tisch, ein Stuhl. Und sonst nichts. Es endete hier so, wie es begonnen hatte. Nur dass er in seiner Zeit hier einen Imperator und vielleicht ein Imperium verloren hatte.


→ nach Haus der Acchetias, S. 1 (Anaxes)
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#29
Mühsam kämpfte sich das Sonnenlicht durch die schweren Vorhänge und tanzte fast schon spöttisch über die Beine von Hanaar, der zerknirscht in einem alten Ledersessel saß und seinen Gedanken nachhing. In seiner Hand hielt er ein Glas, darin schwappte ein kläglicher Rest blassblauer Abrax-Cognac, der nun durch kaum merkbare Bewegungen von Hanaars Hand anfing im Glas zu rotieren. Der abservierte Flottenadmiral blickte nachdenklich auf die Flüssigkeit und dachte über seine Situation nach. Freigestellt, hatte man ihm gesagt, man müsste die Dinge neu organisieren und er sollte sich erst einmal erholen. Eriadu war eine klaffende Wunde und die Republik die Infektion, die daraus ihren Vorteil ziehen wollte. Hanaar, so empfand er es, wäre ein gutes Heilmittel doch das Flottenoberkommando war offenbar anderer Meinung.
Der alte Mann gab ein abwertendes Grunzen von sich, leerte das Glas und zog zischend Luft zwischen seinen Zähnen hinein, während sich der Cognac wie flüssiges Feuer durch seine Speiseröhre den Weg in den Magen bahnte. Der alte Sessel knarzte lautstark, als Hanaar sich langsam erhob, sein Blick schweifte durch das Zimmer. Tagelang hatte er nicht aufgeräumt, überall lagen Zettel, Kleidungsstücke und leere Plastibehälter – Zeugnis ungesunder Fertigmahlzeiten. Er zog sich seine Uniform zurecht, die er aus Gewohnheit auch privat trug und fing beiläufig an das Chaos zu bewältigen. Als er in den Spiegel blickte, erschrak er bei dem Anblick. Er schien um Jahre gealtert. Falten durchwanderten sein Gesicht, die Haare lagen wirr und unter seinen Augen hatten sich dunkelschwarze Ringe gebildet, sein sonst so wacher und durchdringender Blick war getrübt, die letzten Wochen hatten Spuren hinterlassen. Er ging weiter, sammelte Zettel auf, warf Müll in die dafür vorgesehenen Behälter und öffnete schließlich die schweren Vorhänge. Das Tageslicht durchflutete wie eine Explosion den Raum und er trat zwangsweise einen Schritt zurück. Nun, wo die Dunkelheit, die einen gewissen Schutz bot und als eine Art Kokon fungierte, gewichen war, entblößte sich das voller Chaos im Leben des Admirals. Er grunzte erneut, schüttelte den Kopf und beschloss, diesen Umstand umgehend zu ändern. Es gibt Zeiten im Leben eines Mannes, wo es eine einfache Entscheidung zu treffen galt: aufgeben oder weitermachen?
Aufgeben war noch nie eine Option in Hanaars Leben, also entschied er sich für Zweiteres. Er ging in Richtung Badezimmer und rief nebenbei über eine kleine Schaltfläche eine Handvoll kleiner Reinigungsdroiden, die umgehend aus einer Wandnische auftauchten und leise piepsend ihren Dienst verrichteten.
Nachdem Hanaar eine erfrischende Dusche genommen, seine Bartstoppeln entfernt und die Haare frisiert hatte, zog er sich eine frische Uniform an und kontaktiere via Holo das Flottenoberkommando. Er beorderte eine Fähre zu seiner Wohnung und würde das Schicksal nun selbst in die Hand nehmen.

Zischend fiel die Tür hinter Hanaar zu und versiegelte sich automatisch. Der Admiral setzte seine Mütze auf und atmete einmal tief ein, die Stille seiner Wohnung, der Kokon den er sich selbst geschaffen hatte, wich dem städtischen Lärm von Coruscant. Endlose Schlangen von Luftfahrzeugen zogen sich wie Adern durch die Häuserschluchten der planetaren Stadt. Obwohl hier in den oberen Ebenen der Verkehr automatisch geregelt wurde und kein Vergleich zu dem Chaos war, das in den unteren Ebenen herrschte, erschien es Hanaar stets wie ein Wunder, dass bei dem vermeintlichen Wirrsal nicht permanent etwas Schlimmes passierte; allerdings selbst wenn , wäre es ihm egal, ein Mann in seiner Position wurde sowieso auf separaten Routen chauffiert und mit dem städtischen Verkehr in der Regel nicht direkt konfrontiert.

Wie auf Kommando landete eine imperiale Fähre in der Nähe auf den dafür vorgesehenen Plattformen. Hanaar blickte sich noch einmal um und richtete seinen Blick auf den Wohnkomplex, der auf dem Papier als sein Zuhause tituliert wurde und vermutlich vorher einigen höher gestellten Persönlichkeiten gehörte, die aber freiwillig oder unfreiwillig umgesiedelt bzw. vertrieben wurden, um Platz für die Mitglieder der imperialen Flotte und ihre Familien zu schaffen. Da Hanaar keine Familie hatte, beschränkte sich seine Unterkunft auf eine mittelgroße Wohnung mit lediglich drei Zimmern, von den er auch nur zwei spärlich eingerichtet hatte. Tatsächlich empfand er eher die Brücke eines Raumschiffes als seine Heimat und Heimweh war ein Gefühl, welches ihn schon seit geraumer Zeit plagte.
Die Rampe der Fähre öffnete sich und ein Pilot stieg hinaus. Der Admiral klemmte sich seine Aktentasche aus dunkelbraunen Lederis unter den Arm und ging dem Piloten entgegen.
"Admiral", bemerkte dieser förmlich und salutierte kurz, Hanaar nickte lediglich und ging unvermittelt weiter die Rampe hinauf hinein in die Fähre. Der Pilot folgte und setzte sich an seinen Platz direkt neben dem Admiral, der es wie immer vorzog vorne zu sitzen.

Die Fähre hob sich langsam, drehte sich einmal um die eigene Achse und flog dann vorwärts über die Dächer des Wohnkomplexes hinweg in Richtung des Imperialen Oberkommandos. Hanaar hatte sich seine Tasche auf die Beine gelegt und saß gerade im Stuhl, den Blick nach vorne fixiert, und hing seinen Gedanken nach. Er musste raus aus diesem Moloch, zurück auf die Brücke eines Schiffes und bestenfalls in den Kampf. Er seufzte, scheinbar lauter als er wollte, denn der Pilot wurde plötzlich aktiviert und fing an zu reden.
"Ich bin noch nicht lange auf Coruscant", sprach er und blickte kurz zu Hanaar rüber. Dieser räusperte sich und antwortete dann: "Nun, dann willkommen, Leutnant.""Vielen Dank, ich muss sagen, hier im Imperialen Zentrum zu sein ist eine große Ehre." Der Admiral verdrehte die Augen. Noch so ein Idealist, der frisch von der Akademie versetzt hier seine ersten Aufgaben verrichtete, vermutlich ein Offiziersjahrgang mit ehrenvollen Zielen und dem Wunsch, die Galaxie zu verbessern. Innerlich lächelte Hanaar, er hatte das Gefühl, dass dies bei ihm vor ziemlich exakt 1000 Jahren der Fall gewesen sein muss. Mittlerweile ist die Euphorie der Ernüchterung gewichen, dass der Frieden nur daraus bestand, sich permanent gegen andere Aggressoren zu wehren oder aber Andersdenkende zu unterdrücken. Sein Idealismus hatte sich in Pragmatismus verwandelt. Als von Hanaar keine Antwort erfolgte, setzte der Pilot wieder an. Zeitgleich manövrierte er die Fähre vorbei am Verkehr zu einer extra für das Militär angelegten Route. "Tatsächlich hatte ich mir Coruscant nicht so groß vorgestellt, ich bin immer noch...""Leutnant", fiel Hanaar dem Piloten ins Wort, "Fühlen Sie sich nicht dazu veranlasst, mir Ihre Lebensgeschichte zu erzählen." Der junge Pilot schluckte kurz und errötete leicht. "Nein, natürlich nicht, Sir. Ich wollte nur...""...mich schweigend zum Ziel bringen.", beendete der Admiral den Satz, warf einen vielsagenden Blick zum Piloten, dieser nickte und konzentrierte sich dann wieder auf seine Aufgaben. Während der restlichen Fahrt wurde kein weiteres Wort gesprochen und Hanaar nutzte die Ruhe, um seine Gedanken zu ordnen.
Eigentlich hatte er keinen wirklichen Plan, er flog zum Oberkommando, um sich einen Überblick zu verschaffen, aber vor allem auch, um sich wieder in Erinnerung zu rufen, er wollte eine Aufgabe, er brauchte eine Aufgabe, andernfalls würde er vermutlich verrückt werden.
Die Fähre flog eine langgezogene Linkskurve und passierte eine weitere Häuserfront, ehe sich vor dem Cockpit der riesige Platz des Oberkommandos der Flotte offenbarte. Augenblicklich flankierten zwei TIE-Fighter die Fähre, der Pilot gab ein paar Daten durch und erhielt eine festgelegte Landeposition. Die Fähre flog eine kurze Schleife, verringerte dann die Höhe und landete schließlich auf einer der unzähligen Plattformen. "Vielen Dank", der Admiral lächelte kurz, der Pilot ebenfalls. "War mir ein Vergnügen. Alles Gute, Sir."
Hanaar legte den Kopf leicht schief, die Worte des Piloten hatten ironischerweise etwas Prophetisches an sich, obgleich sie natürlich nur eine höfliche Abschiedsformulierung waren. Er erwiderte dies, wünschte dem Piloten ebenfalls viel Erfolg und stieg dann aus.

Augenblicklich fühlte sich Hanaar besser, als er seinen Blick über die Landeplattform hinaus in Richtung des Oberkommandos richtete. Überall liefen vereinzelte Soldaten und Offiziere, manche standen paarweise und unterhielten sich, andere gaben oder empfingen Befehle, alles lief wie ein Uhrwerk, ein musterhaftes Beispiel von Effizienz. Er klemmte sich die Tasche wieder unter seinen Arm und marschierte straff in Richtung des Eingangs. Im Inneren war die Geschäftigkeit nicht minder präsent, neben den unzähligen Angehörigen der Flotte und Armee gesellten sich eine Vielzahl an Droiden. Mausdroiden, die durch die Menge hindurch huschten, stets leise fiepend, oder Protokolldroiden die Gäste empfingen und geleiteten.
Einer dieser Protokolldroiden ging nun in Richtung Hanaar. Es war ein imperiales RA-7-Standardmodell mit schwarzer Lackierung. “Grüße, Flottenadmiral Varpasi. Ich bin RT-3G, Protokolldroide im Auftrag des Galaktisches Imperiums.““Ach, wirklich?“, bemerkte Hanaar trocken. Der Droide ließ sich davon natürlich nicht irritieren und sprach weiter: “Sie werden bereits erwartet, bitte folgen Sie mir.““Wie kann ich denn erwartet werden?“, fragte der Admiral, während er einen Schritt hinter dem Droiden lief und dabei dem Treiben um sich herum weiter seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Er nickte gelegentlich, wenn ihm salutiert wurde. “Offensichtlich hat sich Ihre Ankündigung hier zu erscheinen mit dem Befehl sie anzufordern überschnitten. Bitte, hier entlang.“ Der schwarze Protokolldroide zeigte auf eine Tür, die zum Vorraum von Flottenadmiral Vaash führte. Hanaar ignorierte den Droiden und ging langsam in den Vorraum, eine junge Empfangsdame hinter einem viel zu großen Schreibtisch lächelte ihm freundlich zu und zeigte auf eine bequeme Sofa-Kombination. “Bitte, Sir, nehmen Sie Platz. Der Admiral wird sich sofort um Sie kümmern.“ Der Protokolldroide verabschiedete sich und ging dann weiter, im Gang hörte Hanaar noch dumpf, wie er sich einer anderen Person vorstellte; offenbar geleitete der Droide den ganzen Tag über nur Personen von A nach B.

Er setzte sich, ordnete seine Aktentasche auf seinen Beinen und wartete. Er hatte von Vaash seit der Niederlage von Eriadu nichts mehr gehört, der alte Mann ist im Kampf verwundet worden, soviel wusste er, allerdings nicht, wie schwer. Eriadu war das Salz in Hanaars Wunde. Eine schwere Niederlage, die erste für Hanaar, die ihm das Kommando kostete. Er wusste natürlich, dass Vaash keine Schuld an der Niederlage trug und er respektierte den alten Veteran, doch trotzdem sah er in ihm auch die Schwäche der alten Garde. Ein vorsichtiger Taktiker, der sich seiner Meinung nach viel zu viele Gedanken um Mensch und Material machte und dabei das Ziel scheinbar nicht immer vor Augen behielt. Für Hanaar, der auf solche Befindlichkeiten nichts gab, war dies ein Zeichen der Schwäche. Trotzdem hatte sich Vaash schon mehrfach ausgezeichnet und diese Tatsache durfte man nicht ignorieren. Die Frage, die ihn aber jetzt vor allem beschäftigte war: Was wollte er?
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#30
Es war ein langer Tag gewesen. Ein Tag, der Erinnerung an vergangene Tage geweckt hatte, als man noch durch einfache Handlung Probleme lösen konnte. Umschwarmt von einem Gefolge aus jungen Offizieren, die ihm als Stab zur Seite gestellt worden waren, durchstreifte der reaktivierte Flottenadmiral das Kommando. Ein wichtiger Termin stand noch aus und danach sollte er einen bekannten Kameraden in seine neue Aufgabe einführen. Ob Varpasi überhaupt gewillt sein würde, diese Aufgabe zu übernehmen? Doch bis dahin war noch etwas Zeit. Großadmiral Il-Raz erwartete Vaash in einem Besprechungsraum unweit eines großen Korridors. Tiberius Vaash wollte nicht mit Il-Raz sprechen. Niemand sprach gerne mit dem Gnom. Mit einer Handbewegung deutete er seinem Gefolge an, zu warten und erklärte sie dann für entlassen. Er gab noch ein Pad mit Anweisungen an einen jungen Lieutenant weiter, bevor er durch die geöffnete Tür in den Raum eintrat. Der Propagandachef saß umgeben von einigen Medienleuten in ziviler Kleidung am großen Tisch. Er lächelte breit. "Admiral Vaash," grüßte der Großadmiral, der seine überaus weiße Uniform mit den breiten Schulterstücken trug. Deren Gold funkelte im Licht der Deckenbeleuchtung. "Mein Kriegsheld," sagte er noch und stand auf, um Vaash persönlich zu begrüßen. Durch das verspiegelte Außenfenster drang kaum Licht in den kargen Raum ein. Tiberius Vaash war von der Situation etwas überfordert, da diese überschwengliche Begrüßung nicht in sein Tageskonzept passte. Il-Raz versuchte die Hand von Vaash zu greifen, der eigentlich in militärischer Tradition salutieren wollte. So entstand kurz eine Verwirrung zwischen den beiden, bis Vaash einlenkte und die Hand von Il-Raz ergriff. Der nicht-militärische Großadmiral schüttelte diese eifrig, umschlang sogar mit seiner zweiten schwitzigen Hand die Hand des alten Mannes. "Mein Kriegsheld," wiederholte der Propagandachef mit einem noch seltsameren Lächeln. Vaash schluckte angewidert, da ihm dieser Titel missfiel und die schwitzgen Hände ein unangenehmes Gefühl auslösten. Die Medienvertreter und wohl auch Filmemacher im Raum nickten Vaash ebenso zu, fast simultan bewegten sich ihre Köpfe. Man hatte auf ihn gewartet. Ishin Il-Raz ließ von Vaash ab und deutete auf einen Stuhl am Ende des Besprechungstisches, so dass der imperiale Admiral den Großadmiral das kommende Gespräche hindurch anschauen musste. Die abstrusen Haare des Propagandadirigenten Il-Raz standen wild ab und wankten im Wind seiner hektischen Bewegungen, bis er sich endlich gesetzt hatte. Vaash nahm etwas verstört, sehr bedächtig, seine Position ein und war nun darauf gefasst, dass etwas besprochen werden würde, was ihm überhaupt nicht gefallen würde. Vaash selbst verschränkte seine Arme vor sich auf dem Tisch, die Schirmmütze steckte neben den schwarzen Handschuhen in seinem Gürtel, wie es unter Altgedienten üblich war und im Gebäude trug er selten die volle Aufmachung, sondern verstaute die bekannte Mütze gerne. Dennoch wirkte die restliche Uniform angepasst, kontrolliert und angemessen. Il-Raz kratzte sich am Kopf, bevor er mit einer aufschweifenden Armbewegung seine Eröffnung begann.

"Wir sind hier, um ihnen einen Gefallen zutun, Admiral. Diese Holofilm-Leute und ich planen einen neuen großen Film, der in allen Holo-Kanälen übertragen werden wird. Ein Film, der so wunderbar und wahr werden wird, dass er das Imperium inspirieren wird. Arbeitstitel: - Stolz des Imperiums ," gab der Großadmiral überschwänglich von sich, so dass sich dabei leicht seine Stimme überschlug. Tiberius Vaash zog beide Brauen hoch, da ihn diese Formulierung nun etwas schockierte. Er hatte mit diesem Propagandamachwerk gerechnet, welches Il-Raz plante aber, dass dieser Mann von seiner eigenen Propaganda so eingenommen schien, machte Vaash Angst. Es gab wohl kein Entkommen aus diesem Komplott, um aus ihm einen Kriegshelden zu machen. Es war widerwertig aber sicherlich eine Möglichkeit sich unersetzbar zu machen. Es bestand die Möglichkeit, ein Fundament zu legen, dass Imperium von Innen heraus etwas zu reformieren, denn was ein Kriegsheld sagte oder kommentierte konnte Gewicht haben, sofern man ihn ernst nahm. Genau hier lag das Problem. Gebildete Offiziere nahmen einen in einem Propagagandamachwerk mitwirkenden Offizier selten noch ernst, da sie als unnötige Anbiederung an die Verwaltung auffassten. Es war ein schmaler Grad, den er hier gehen musste. Ein Entkommen war ohnehin nicht mehr möglich. Vaash musste also vorsichtig agieren, um aus dem Spiel gesund und einigermaßen mit Ansehen herauszukommen. "Eigentlich möchte ich nicht," fiel der Alte dem Großadmiral ins Wort, um zumindest etwas Deutungshoheit zurück zu gewinnen. "Dennoch scheine ich wohl keine Wahl zu haben," meinte er dann mit klaren Worten. Il-Raz schien enttäuscht, da sein Gesicht etwas Lächelkraft einbüßte. "Wie? Sie wollen nicht? Es ist ein Geschenk, eine Gabe, ein Wunder und etwas, was jeder Imperiale gerne möchte. Sie sind ein Kriegsheld und verdienen ein Epos für ihren Namen! Ein wahres Epos! Eine Legende, die noch geboren werden muss," begann Il-Raz wieder mit den großen Worten, wobei seine Augen ins Irre überschlugen und sich den Fantastereien ergaben. Der Großadmiral wusste, was sich gut verkaufen ließ und sah Vaash wohl nur noch als Schauspieler und Figur in einer Geschichte, die er selbst erfand. Es waren diese Heldengeschichten, die er selbst mochte und die das Imperium jetzt brauchte. Tiberius Vaash brummte nüchtern, ließ den verrückten Gnom sprechen aber würde bei erheblichem Missfallen erneut das Wort erheben. "Sie, ein Mann, ein Kämpfer für die imperiale Idee, ein Mann der Ehre, groß und wirkmächtig, agiert in schwierigen Zeiten, getragen von einer tiefen Überzeugung, gegen das Chaos," stammelte sich der Propagandachef zu recht, während seine Augen fixiert auf Vaash lagen. Die Medienleute nickten immer wieder eifrig, darunter tat sich eine Frau besonders hervor, die wohl bald die Kameraarbeit übernehmen würde. Sie machte mit ihrem Fingern bereits ein Viereck, um Vaashs Gesicht in einem Bildrahmen zu sehen. Es war eine verrückte Situation für einen Militär, der hier den wilden Irren der Propagandaverwaltung ausgesetzt war. Vaash wusste nicht genau, wie er reagieren sollte und entschied sich ruhig auf seinem Stuhl zu verharren. "Flotten erheben sich, Millionen folgen einer Idee, doch ein Offizier erhebt sich lichtstrahlend gegen die Verzweifelung; er tritt gegen die Ungerechtigkeit an, gegen die falsche Republik. Ein neuer Heiliger, ein Tiberius Vaash, der Stolz des Imperiums. Seine Waffe ist sein Wille," faselte Il-Raz weiter und die Medienfachleute um ihn herum sagten unisono: "Ja." Tiberius Vaash wurde diese Situation inzwischen etwas zu skurril und dieser Wahnsinn ließ sein Sodbrennen wieder aufkommen. Er spürte einen versteckten Brechreiz, so dass er bewusst schlucken musste. "Ehm," machte Vaash und hob die Hand um, um die hysterischen Propagandaleute zu besänftigen. "Ist das nicht etwas viel? Ich bin kein Held. Ich bin nur...," wollte er sagen, wurde dann aber von Il-Raz unterbrochen. "... ein großer Kriegsheld. Nicht nur ein Held, ja,." Der Alte resignierte unter diesem Eindruck, da er scheinbar gegen eine mentale Mauer anredete und die Meinung über ihn wohl bereits gefasst war. Das Drehbuch schien wohl schon geschrieben und der Großadmiral wollte nicht davon ab.

"Der Dreh wird beginnen sobald sie auf ihrem Schiff sind. Ihre Crew, sofern nicht unter bestimmter Auflage stehend, werden als Statisten dienen. Wir wollen möglichst reale Bilder. Ein Traum von imperialer Macht," erklärte Ishin Il-Raz den Plan. "Ihre Flotte wird abgezogen und für ein paar Tage einige Schlachten nachstellen, wir werten es als Manöver. Den eigentlichen Auftrag, den das Oberkommando für sie hat, vergessen wir einfach mal. Irgendwas mit einem Angriff auf... Egal. Wenn sie angreifen, werden meine Leute dies auch filmen. Waffenfeuer auf Feinde. Echtes Waffenfeuer, genial. Wunderbar! Grandios!" Il-Raz steigerte sich immer weiter hinein und wurde immer lauter, so dass er fast Schnappatmung bekam. "Grandios," antwortete die Kamerafrau, die Vaash immer noch mit einem rechteckigen Handmuster einzufangen versuchte. Vaash schluckte erneut. Ihm wurde übel, da das Sodbrennen bereits hinauf flackerte. "Keine Sorge, besondere Sätze, die sie sagen sollen, geben wir ihnen vor. Ansonsten wollen wir Authenzität. Der Schnitt wird später erfolgen. Bei fehlenden Szenen drehen wir nach. Keine Sorge, wir können unseren Job," setzte der Propagandameister nach, der sich wieder etwas beruhigte. "Was sagen sie, Admiral?" Er beugte sich vor und der Alte beugte sich zurück, um zumindest diesem Gnom ein paar Zentimeter Luftlinie mehr zu entkommen. "Habe ich eine Wahl," wollte Vaash wissen und Il-Raz sagte nüchtern mit kalter Stimme: "Nein." Damit war diese Sache geklärt. "Mein Team hat bereits eine Sicherheitsfreigabe und wird direkt nach diesem Gespräch zur Veneratio aufbrechen. Haben sie noch Fragen?" Der altegediente Flottenadmiral wollte eine Frage stellen, doch wurde unterbrochen, als Il-Raz einfach aufstand. "Ich bedanke mich für ihre Unterstützung, Admiral," verabschiedete sich Großadmiral Il-Raz und sein Gefolge folgte ihm, wie Hühner, die aufgeschreckt worden waren. Admiral Vaash blieb für einen Moment allein im Raum zurück, bis sein Kom piepte.

"Ah," sagte Vaash, der eine Mitteilung erhalten hatte, dass Admiral Varpasi eingetroffen war. Wenigstens ein vernünftiger Mann, sofern man von seinem Blutdurst und Kriegshunger absah. Er war Militär und nicht einer von diesen zivilen Narren, die er gerade erlebt hatte. Hier gab es keine Ehre aber unter Soldaten konnte man wenigstens ehrlich sprechen. Vaash stand auf, ließ das Gespräch sacken, holte tief Luft und trat dann wieder in den Korridor, den er mit festen Schritten entlang trat. Bald führte ihn sein Weg zum wartenden Varpasi. "Admiral Varpasi?" - grüßte Vaash fragend, der den müden Hanaar Varpasi erblickte. Er hatte die Aktentasche auf seinen Beinen, wie ein Vertreter einer kleinen Handelsfirma. "Kommen Sie mit," ordnete Vaash knapp an, ohne es wirklich unhöflich zu meinen. Nachdem dem Gespräch mit dem Großadmiral war seine Stimmung erheblich geknickt, denn es war eine miese Arbeit und würde ihm sicherlich auch etwas Spott einbringen. Unweit des Wartebereiches befand sich ein kleines Büro, welches Vaash für eine Weile zugeteilt worden war, bis die Geschäfte auf Coruscant erledigt waren. Es war ein reines Durchgangsbüro und nur mit dem nötigsten an Material ausgestattet. Ein Terminal, ein Schreibtisch und ein Regal. Dazu zwei Stühle. Es war nicht als Dauerbezug gedacht, sondern schlicht für Offiziere, die kurz einen Arbeitsplatz brauchten, um Dinge vor Beginn ihres Flottendienstes zu regeln. Vaash öffnete die Tür mit seinem Code-Zylinder. Die Tür zischte zur Seite und er trat ein, in der Erwartung, dass Varpasi ihm folgen würde. Mit einem Fußtritt schob er den Besucherstuhl zurück, damit der Admiral Platz nehmen konnte. Vaash selbst nahm auf dem etwas größeren Sessel Platz, aktivierte das Terminal mit seinem Zylinder und Passworteingabe. Dann blickte er zur Tür. "Es gibt Dinge zu besprechen," deutete Vaash an, und wartete darauf die Tür zu schließen, per Tastendruck auf seinem Terminal. Immerhin hatte er in der Tat einen Auftrag, den Il-Raz nur angedeutet hatte aber er war bereits gebrieft worden und der Einsatz war riskant aber machbar. Varpasi war sicherlich ein geeigneter Mann dafür, wenn er seine Degradierung verkraften würde, die der Flottenadmiral dem Kollegen gleich eröffnen würde. Zudem würde Varpasi unter Vaash dienen, was manche als Kränkung empfinden konnten, denn immerhin war Varpasi vom Dienstalter gleich. Beide hatten ihre Schlachten erlebt und beide waren geeignete Offiziere. Doch waren beide in einigen Wesenszügen völlig unterschiedlich. Die Uniform verband sie und so hoffte Vaash darauf, dass Varpasi den Unterstellungsbefehl schlucken würde. Immerhin war es nicht seine Idee gewesen, sondern der Wunsch des Kommandos.
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