#33
Sie roch den Sand schon aus einiger Entfernung. Er wehte draussen herum und würde an jeder Haut Spuren hinterlassen. Spuren, sie sie an ihrem malträtierten Körper nicht unbedingt noch brauchen könnte. Zudem würde sich der Sand an der Wunde am Bein festbacken und brennen. Ihre Haare waren noch immer von Leichenteilen gespickt und alles was sie trug war ein zerschlissenes Oberteil, eine Hose, die eigentlich nur noch ein Bein bedeckte sowie Stiefel, die auch schon bessere Tage gesehen hatten. In weiser Voraussicht hatte sie sich nicht aufgebrezelt, aber damit hatte sie nicht gerechnet. Nicht mit einer Zerstörung ihres Körpers, der neben den offensichtlichen Wunden auch eine gebrochene oder zumindest angeknackste Rippe zeigte, die das Atmen enorm schwer machte, nein, es bildeten sich jetzt auch tief unterirdisch blaue Flecke. Das alles nur, damit sie nun von ekelhaftem, klebrig-schaumigen Eiter triefende, machtdurchzogene Artefakte in den Händen trug und mit dem Teufel in Persona aus dem Untergrund stieg? Sie hätte ihn töten sollen. Wirklich. Da sie vorausging konnte sie ihn natürlich nicht sehen, aber die dunkle Präsenz umso mehr erfühlen. Sie sollte ihre Klinge packen, diese ekelhaften Dinger fallen lassen und sie ihm in die Brust rammen- sie müsste nur mutiger sein und den Augenblick nutzen, sich dann in Schatten auflösen bis er sicher tot war und dann… ja, und dann?! Sie war nun oben, jedenfalls kam der Ausgang bald. Ihre Augen, getragen von einem Kopf, der mehr wankte als gerade stand, sahen die sandige Helligkeit. Sie ging einfach, stoisch, still, immer weiter und fühlte irgendwann eine Hand hinter sich. Schnell nahm sie zwei Treppenstufen, was sie fast zum Fall brachte. Anfassen? Mit diesen Händen? Er sollte sich hier schön selbst herausbringen, der König der Verdammten. Sie biss ihren Kiefer zusammen und fühlte übelste Gelüste in sich. Dieses Ding hier einstürzen lassen, diese verdammten, grosskotzigen Sithlords ihrer Heimat berauben, Vesperum mit in den Abgrund stürzen, damit er mit ihnen irgendwelche Gesellschaftsspiele im Altenheim durchführen könnte. Abscheulich… es war abscheulich!

Oben angekommen sah sie erst das Ausmass des ganzen Übels. Ihr linker Arm war blau, ihre Haut fahl und alles war real. Alles. Sie besah das Monster neben sich, was stöhnte. Kein Laut verliess ihre Lippen. Weder Erleichterung- sie fühlte keine- noch Wut, Schmerz. Ihre Rippe erinnerte sie bildlich an ihr Schicksal. Ein Knack, Leben aus. Der Sand peitschte in die Risse in ihrem Gesicht. Schutzlos hatte sie diesen Naturgewalten zu trotzen. Hier liefen Wesen herum, denen sie eigentlich nicht wirklich begegnen wollte. Aber durch den Sturm sah sie so gut wie nichts, da sie ihre Augen auch zusammenkneifen musste. Ihr Haar wehte im Wind, wurde so immerhin von einigen klebenden und stinkenden Leichenresten befreit. Es schien niemand hier- dem Schicksal sei Dank. Wer sie in diesem piteuablen Zustand sehen würde, würd entweder darüber schweigen oder sterben müssen. Sie, die Unantastbare, war jetzt ein Häufchen Elend mit Eiter in der Hand. Vesperum begann wieder mit seinem Gefasel. Ilara atmete heftig aus. Jetzt waren sie nicht mal überlegen?! Sie war kurz davor, ihre Hände von der ekligen Last zu befreien und ihm diese Dinger hinzudrücken und sich zu verabschieden! Sollte er hier seine Lyrik aufschreiben, die keinem etwas brachte, ausser ihm. Er schien sich der Situation mit schönen Worten entziehen zu wollen, die seinem wirren Geist eine Richtung gaben. Als er allerdings das kleine Possessiv unser erwähnte wurde Ilara aufmerksam. Die ganze Lyrik rundherum reizte sie recht wenig, aber der Inhalt war interessant. Der Sandsturm legte sich ein wenig und zeigte mehr von der öden, totscheindenden Umwelt. Hier ruhten sie alle. Das, was dem Untergang geweiht gewesen war, nicht stark genug gewesen war, um zu überleben. Und er, Vesperum, trug diesen Niedergang jetzt herum? Es gab immer einen Grund, warum etwas versagte und in dunklen Kellern munkeln musste. Sie suchte den Horizont nach einem Unterschlupf ab, etwas Funktionierendem, während er den Moment heiligte. All diese Gefühle, sie hatten sie nur kurz ergriffen. Er schien von ihnen ausgefüllt. „Die alten Maschinen sind ziemlich tot.“, murmelte sie und besah ihn in seiner epochalen Geste, die wie an ihr vorbei ging. Sie war in einer pragmatischen Sicht der Dinge angekommen, die sie verdrängen liess, was sie erlebt hatte. Sie legte sich einen Plan zurecht, was sie tun musste, suchen musste und dazu gehörte wohl auch, Vesperum irgendwie davon abzuhalten sich knutschend an ein totes Gerät zu drücken und seine Schönheit zu beweinen. Allerdings schien doch noch irgendetwas in ihm zu sein, denn sein Lächeln passte irgendwie nicht… mit einem Schritt trat sie über den Blutsand hinweg und zog jetzt einfach los, die Hände noch immer von den Artefakten besetzt. Würde sie allerdings angegriffen, diese Dinger flogen hochkant aus ihren Händen.

Hinter ihr verweste Vesperum vor sich her. Ein riesiger Ekel vor ihm wuchs in Ilara. Sie blieb schnell wieder stehen und wartete auf ihn. Es war wichtig, dass sie nun irgendwie zusammenblieben. Wohlig nahm sie allerdings war, wie sich Kühle über ihre Wunden legte, die den beissenden Schmerz betäubten. Ein tiefes Atmen war nicht mehr möglich, der Sand würde alles in ihr töten. Ein kurzer Blick von Ilara auf ihn genügte. „Was nun?“, fragte sie schlicht und hustete, da sich natürlich gleich Sand in ihren Mund bewegt hatte. Ekelhaft. Er schmeckte sogar abgestanden und muffig. Oder war das der Mann neben ihr, den sie n icht einschätzen konnte und in dessen Gesellschaft sie regelmässig verschiedene, konträre Gefühle ausfüllten? Da sie alleine waren konnte sie tatsächlich nicht anders, als sich doch etwas erhaben zu fühlen. Schliesslich stand sie hier- und nicht irgendwer sonst. Die beiden Gestalten verschwanden in den Staubwolken, die man eigentlich meiden sollte. Aber wer keinen Unterschlupf hatte, kein wirkliches Ziel, war der Umwelt ausgeliefert. Müde hielt Ilara irgendwann inne. Ihr Bein, die Wunde, war von einer Sandschicht belegt. Ihre Hände begannen unter der immergleichen Haltung zu krampfen. Ohne ein Wort zu sagen wand sie sich nach links, wo ein umgekippter Panzer etwas Schutz versprach. Sie setzte sich daneben, legte die Artefakte auf ihre Beine und starrte in die Welt. Es gab hier kaum Schatten, wie sollte sie sich hier nur halbwegs wohl fühlen? Kein Ort, in dem sie kurz verschwinden konnte. Nur Sand und Hitze, die nur Vesperum zu lidern vermochte. Wollte er weitergehen, sie würde ihn schon finden. Seine Präsenz fand jeder.
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