#29
Wärme? Da wo er Wärme fühlte, wurde ihr alle Wärme entzogen. Ab welcher Unterkühlung starb man? Sie war kurz davor. Ihre Finger waren weiss geworden und waren kaum mehr zu gebrauchen. Vermutlich war die Umgebungstemperatur gar nicht so stark unter den Nullpunkt gesunken, aber in ihr drin war es eiskalt geworden, so kalt, dass alle Energie abgesaugt wurde. Zapfte sie jemand ab? Es ging langsam, stetig, während sie immer wieder versuchte sich abzuschirmen. Wer von diesen Gestalten konsumierte ihre Energie wie alten, guten Wein? Sie sah sich wachsam um, suchte nach Evidenzen, fand aber keine. Vermutlich wurde sie ausgesogen, weil sie nicht von dieser todbringenden Macht durchflossen war wie die anderen Anwesenden. Bei ihr war etwas zu holen, sie war gute Beute. Sie war hier der Mensch unter den Menschenfressern, nur würde sie nicht körperlich gefressen sondern ausgesaugt. Sie musste weg von diesem unseligen Ort, dem sie keine Paroli bieten konnte. Während Vesperum sich wohl wieder abschottete um zu erleben wurde sie immer aktiver und fühlte den Drang, einfach zu verschwinden. Irritiert besah sie die Hände des Lords, die beim Kontakt mit den Säulen zu glimmen begannen und kurz darauf zeigten, dass die menschliche Hülle noch immer genau so vom Feuer vernichtet werden konnte wie vorher. Sie machte einige Schritte zurück und besah seine Augenlider, die herumkreisten wie bei einem argen Alptraum. Sollte sie ihn wegstossen? Die Geister standen ruhig da, regten sich nicht. Anscheinend gehörte das wohl so. War er nicht der Erste, dem das hier zuteil wurde? Hatten sie schon andere für ihre Zwecke verheizt? Er war wohl das Vehikel zu dem, was sie nicht mehr selbst leisten konnten, was auch durch ihre Worte klar wurde. Und er ging dem einfach so nach? Wie übermächtig musste sich das anfühlen, was in ihm war, wenn er das einfach so hinnahm?

Bei dem lauten Knall, der sie aus ihrer Frage riss, ob sie Vesperum wegschleudern sollte, verengten sich ihre Pupillen gleich wieder. Das Licht war weg, Vesperum spuckte Blut, die Hände rauchten. Ihre Lippen öffneten sich kurz, aber sie schloss die trockenen Lippen gleich wieder, sah fast besorgt in seine Augen, aus denen nichts Menschliches mehr sprach sondern die reine Gier, Dunkelheit, Verlangen- aber ohne den typischen menschlichen Glanz. Hier lief etwas schief. Noch nicht aus dem Ruder, es lief kontrolliert, aber schief. Der Lord schien äusserlich zu zerfallen und sie besah das Stück Haut beinahe angeekelt, als es auf den Boden fiel und da noch weiterdampfte. All das, was ihn vielleicht schön gemacht hatte, war weg. All die Besonderheit eines Menschen- weggeblasen. Er war keine Steinstatue, er war… dämonisch. Hinter ihr kam bald kalte Wand und sie presste sich fast dagegen. Nicht aus Angst sondern dem Gefühl, dem entfliehen zu müssen. Das hätte nicht geschehen dürfen. Trotz allem, was es bringen würde. Macht, Ansehen, Kontrolle, nein, es war falsch. Von ihrem Platz aus lauschte sie den Worten der Geister, die ihr Wissen in Form eines Holocrons weitergaben. Von ihrer Position aus sah sie keine Details der pyramidenförmigen, seltsamen Dinger, die wohl einen Draht zwischen den Geistern und Vesperum schaffen sollten. Jetzt gaben sie ihren Anteil an der Welt nie wieder zurück. Sie würden aus ihrer grausamen Zwischenwelt, in der sie nach dem Tod lebten, wieder ein Stück hierhin kehren. Die Kälte umfasste Ilara. Sie suchte einen warmen Ort in sich, positive Gedanken, um sich aufzutanken, fand aber nichts. Nichts… nur das, was ihr gerade Kraft gab: Wut, Hass, das Gefühl, sich auflehnen zu müssen gegen alles, was nicht explizit von ihr ausging. Sie brauchte Kontrolle und das schnell.

Als die Gestalten nach kyptischen Aussagen verschwanden löste sich bei Ilara die Verkrampfung, die nur Kälte brachte, langsam auf. Vielleicht wurde er wieder normal?! Nein.. ein Blick genügte. Seine Hände waren alt, tot geworden, seine Haut sah mindestens genau so aus und seine Augen glommen in einem kranken Ton von Gelb. Das schwarze Meer würde sich über die Galaxis ausbreiten und alles verschlingen, was kein gutes Schiff hatte, das den Wellen widerstehen würde. Eine neue Reinigung des Universums, wie sie es kannte. Wie angewurzelt stand sie da und fühlte die Präsenz des Menschen, des Wesens, mit dem sie hierher gekommen war auf sie zukommen. Sie war anders. Dunkel, verzehrend, gierig, negativ beladen, mit dem Wissen, mächtig zu sein. Vorsichtig machte sie einen Schritt vorwärts, der in dem Raum hallte. Einige Sekunden später stand er vor ihr. Der Mensch war weg.. sie erkannte ihn nicht mehr als Menschen sondern als… als was? Die beiden seltsamen, wabernden Pyramiden in den Händen nickte sie. Tragen konnte sie wohl gerade noch so, auch wenn… was war das?! Die beiden seltsamen Holocrons waren stellenweise mit einer hellen Flüssigkeit bedeckt, teilweise mit einer schwarzen. Es dämmerte ihr. Blut und..: Eiter? Ein Ekel überkam sie, der sie noch weisser werden liess. Beinahe hätte sie die beiden, wohl wertvollen, Artefakte fallen lassen. Kein Anfang und kein Ende? Ein perfekter Kreis? Mit Blut und Eiter, Zerfall, Schmerz und Verwesung? War das Macht? Den Kreis zu erhalten, mit allen Mitteln, und dabei selbst zu zerfallen? Ihr Blick suchte sein Gesicht ab, das entstellt war. Eine lebende Leiche, die wandelte und Befehle gab, dem Leben erhaben war und deswegen darüber bestimmen konnte. Ilara blieb stehen, hielt die Objekte in ihren Händen. Sie brauchte beide dafür und fragte sich ernsthaft, wie sie hier wieder herauskommen sollte. Strauchelnd, stolpernd, mit diesem Unwesen, bei dem sie einfach nur flüchten wollte. Er strahlte Dinge aus, die kein Mensch erfahren sollte. Eine dunkle Aura, die nichts von der dunklen Sicherheit von Schatten hatten, die sie so liebte, es war die zerfressene Dunkelheit, aus der jeden Moment die schlimmsten Monster und Gedanken herausstoben, die es gab. Konnten sie nun gehen? Sie wollte sich verstecken… schnell!
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