#56
Finstere Puppenspieler zogen ihre seidenen Schnüre, hievten das modernde Grab ins Leben hinauf, während die Sephi die Worte ihrer Gefährtin abwartete. Wie es also aus den Worten Reahs erschien, so hatte die neue Dunkelheit ihre Dienerschaft nun von ihrer ewigen Dualität der Regel der Zwei erlöst – ein Umstand, der sich wohl für diese selbst wie aber auch für alle anderen in der Galaxis gleichermaßen gefährlich erweisen konnte. Doch für den Augenblick war das eine Frage für die Zukunft, nicht für die Gegenwart, welche bereits ihr Ungemach über ihr Beisein ankündigte. Wenn tote Orte zum Leben erwachten, war es, als zerrten die Schnüre an dem Boden – nicht so weit, dass es die Standfestigkeit zu beeinträchtigen wusste, aber doch so merklich, dass es beinahe so wirkte, als seien sie dauerhaft in Bewegung. Staub und Sand aus der endlosen Wüste hinter ihnen peitschten vereinzelt durch die Halle. Sedrael hob ihre Hand, um ihre zusammengekniffenen Augen vor den Körnern zu schützen. Die Gezeiten erhoben sich wieder, so wie vor kurzem schon. Vielleicht war es auch das gewesen, was dereinst die kümmerliche Skelettgestalt am Scheiterhaufen gesehen hatte. Die Vorstellung, nun auch Teil und Zeugin dessen zu werden, erfüllte die Sephi einerseits mit Grauen, schien sie aber auch zu erregen. Die Vorstellung, ein großes Chiffre dieser Generation entschlüsseln zu können, jagte ihr Adrenalin durch den geschundenen Körper.

„Wir scheinen den Namen bald zu erfahren“, sprach sie zu Reah in den körnigen, leichten Windschub hinein, während sie mit etwas Verzögerung ihrer Begleiterin hinterher ging. Sie selbst blieb einige Schritte von den Stufen entfernt stehen, zu denen hinab sich die Aufmerksamkeit Reahs richtete. Das Glimmen der Runen schien stärker zu werden mit jedem Moment der Aufmerksamkeit, die man ihnen widmete, als erhielte es sich alleine daraus, dass irgendetwas auf der Welt sich ihnen zuwandte. Aber es schien auch kaum möglich, sich ihnen gänzlich zu entziehen, ihr pulsierendes Finsterlicht forderte jeden Augenblick für sich ein. Offenbar schien Reah die alten Worte entziffern und lesen zu können – eine Jahrtausende alte Sprache, die nun ebenfalls wieder zum Leben erweckt wurde. Wie so vieles hier in diesem Raum, ja in diesem gesamten Gemäuer wiedererweckt wurde. Ob es weise war, die Lettern dieser verwunschenen Welt erneut in den Hallen ertönen zu lassen, vermochte schlussendlich niemand mit Gewissheit zu beurteilen. Schwerlich war jedoch der Gedanke abzuschütteln, dass das, was hier seinerzeit sorgfältig unter Asche und Staub der Urzeiten verborgen worden war, nicht ohne guten Grund vor den Blicken und Gedanken Wagemutiger geheim gehalten wurde. Manche Dinge mochten besser ruhen bleiben und niemals wieder gestört werden.

Im Wind sprach sodann die Wahrheit dieses Ortes, heulte um ihre Ohren. Eine alte Stimme, unvertraut. Letztlich war es diese Unvertrautheit, die sie falsch erschienen ließ. Sedraels Brust hob und senkte sich einige Male im Anschluss. Die Überraschung ob der Stimme hatte ihren Körper ansonsten eingefroren und hetzte ihr einen eisigen Schauer über den Nacken. Die Antwort an Reahs vorgelesene Worte wirkte wie ein Chorus, beinah einstudiert. Worte, die nie unvollendet vorgetragen werden durften. Etwas, das ihre Begleiterin womöglich wusste, eine Formel, ein Ritual? Ganz gleich, es war jedenfalls nicht das, was sie befürchtet hatte.
„Das ist sie nicht“, hauchte sie zu Reahs Seite und schüttelte leicht den Kopf, überrascht einerseits und doch erwartungsvoll. Es war nicht die Stimme dessen, was sie vormals gesehen, gefühlt hatte. Nicht die Stimme der Hexenkönigin, die ihrem Günstling die Scheiterhaufen zur Opfergabe bereitet hatte. Nicht die Stimme des Wirbelsturmes draußen in der felsenumwobenen Einöde, die sie in die Luft gerissen und ihr die Kleider und die Haut zerkratzt hatte. Dies hier war etwas anderes, andere Kräfte. Im Gespür nicht weniger besitzergreifend und invasiv, und dennoch verschieden. Klar davon zu unterscheiden. Dieser Ort hielt viel mehr bereit als selbst die geflüsterten Sagen der Jedi sich jemals hätten ausdenken können. Doch wer Rat suchte und mit derlei Kräften koalierte, der musste bezahlen – auf die eine oder andere Art. Alles würde seinen Preis haben. Manchmal konnte dieser Preis am Ende gar zum Guten führen, doch irgendetwas musste stets geopfert werden, irgendein Teil seiner Selbst. Die Frage würde sein, was von allem sie beide hier nun zurücklassen würden.

Was mochte es bedeuten, dass hier also etwas anderes auf sie lauerte? War dies nun Fortschritt oder Rückschritt? Es war schwer zu sagen. Sedrael erwartete indes von einem Ort wie diesem keine positive Überraschung. Zweifel begannen trotz ihrer gierigen Gedanken an ihr zu nagen, als der beheimatete Irrsinn näher kam, spürbar wurde und mit gierigen Klauen nach ihnen griff. Konnte es das überhaupt wert sein? Die teuflische Höhle des Drachen mochte zwar einerseits dessen wertvollen Hort beinhalten, andererseits war es nicht ratsam, die volle Macht des Tieres auf sich zu ziehen und am Ende sich selbst oder das lose Band zu riskieren, an dem immer wieder gezerrt und getestet wurde, wie stabil es überhaupt war. Eine ihrer Hände landete locker auf Reahs unverletzter Schulter – weder bereit noch willens, diese mit Gewalt aufzuhalten, aber dennoch andeutend, dass es auch jetzt noch immer möglich war, Kehrt zu machen und all dem den Rücken zuzuwenden, ehe es zu spät war.
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