#21
Die rote Welt lag brach da, weit und breit, bis an den Horizont heran, nichts zu sehen außer einer endlosen kupferfarbenen Wüste, über der der Wind heulte und der seit Ewigkeiten die Sanddünen über die Oberfläche trug, Geheimnisse verschwinden ließ und andere zutage förderte. Eine Brise warf einige Sandkörner in die Luft, welche zunächst ziellos umherflogen und erst nach einer Weile etwas abzeichneten. Uralte Ruinen, Gräber, Tempelanlagen. Verfallene Statuen aus längst vergessenen Epochen und an denen sich der rote Sand bereits vielfach gütlich getan hatte. Vereinzelte Risse und angebrochene Gliedmaßen der Statuen waren einige der Folgen. Manche hielten dem Sturm der Zeit stand, andere lagen bereits zerbrochen zu Boden dar. Wie alt mochte all das hier sein? Jahrhunderte? Jahrtausende vielleicht? Der Wind peitschte über den Boden hinweg und trug den Sand weiter voran, seinen Weg vorbei an zahllosen Kratern des Bodens, größere, kleinere, aber keiner davon natürlichen Ursprungs. Eine Schlacht, ebenfalls jedoch vor langer, langer Zeit.

Weniger alt war das Nachtlager inmitten einer Schlucht, die irgendwann in eine der Tempelanlagen führen würde. Dort saß die blasse Sephi vor einer Feuerstelle und blickte regungslos in die Flammen. Doch nicht allein, es war noch jemand anderes dort, eine dunkelhaarige Menschenfrau, eine ihrer Hände verbunden. Die Sicht flackerte. Plötzlich waren dort andere Leute. Zwei dunkel gekleidete Gestalten, ein Totenschädelmann mit einer jüngeren Frau. Das Nachtlager schien neuer zu sein als soeben noch, sie sprachen, stumm jedoch. Obwohl ihre Münder sich bewegten, war nichts zu hören. Ein Flackern. Wieder die Sephi mit ihrer Begleiterin, am Boden sitzend. Doch etwas hatte sich verändert, die Wirbel der Macht verzogen sich. Die Begleiterin, eine bestienhafte Verzerrung davon, stürzte sich auf die Sephi, umschloss mit ihrer Hand deren Hals. Dann ein Schlag mit etwas Metallischem und das Biest sackte bewusstlos zusammen. Die Sephi kroch davon, hinaus in den Sandsturm. Hitze entbrannte nahe Steine. Ein Gesicht im Sturm, geisterhaft. Eine Stimme, die durch Mark und Bein ging: Du warst immer feige. Nur in einer Sache nicht. Du willst zu diesem Monster zurück, das nur töten kann. Es wird Leid bringen. Und du dienst ihm, willst ihm helfen. Das Herz schmerzte. Es war eine Wahrheit, die sie nicht akzeptieren konnte – oder nicht wollte. Aber womöglich irgendwann einmal musste. Die Bilder verschwammen. Die Schluchten verformten sich, verloren ihre organische Struktur und wurden zu hartkantigen Wänden. Ein Tempel. Der Totenschädelmann, in seine Robe gehüllt, schritt durch eine Öffnung tiefer in den Tempel hinab. Irgendwann blickte er auf ein glänzendes Objekt, ein altes Holocron. Etwas, das er gesucht hatte. Er brauchte Wissen, viel Wissen. Mehr als hier war, doch es mochte ein Anfang sein. In den Wänden des Tempels lächelte das geisterhafte Schattenwesen aus dem Sturm, als der Mensch das Objekt mit sich nahm.

Etwas klirrte. Der Tempel und die rote Welt zerbrachen plötzlich in Tausende von Teilen, Splittern, die gierig auf den grünen Boden prasselten. Die Wüste war fort. Stattdessen nun wieder die schlierenbehangenen Fetzen der hiesigen Welt. Doch nicht ganz. Oben, im blauen Himmel der Dschungelwelt, funkelte der rötliche Gasriese gewaltig herab. Aber da war nun noch etwas, schälte sich als zunächst nur kleine Silhouette nach und nach von dem flimmernden Stern ab. Es verschwamm, unklar. Irgendwann jedoch schärfte sich der Blick und das Objekt überragte den Himmel bis an den Horizont. Ein riesiger metallgrauer Stern, der auf den Dschungelmond herabzublicken schien. Ein furchterregender Anblick, künstlich, todbringend. Nervosität stieg auf, als man sich dem Objekt zu nähern schien. Verschiedene Stimmen tönten verzerrt in die Ohren. Und die Sphäre voran wurde immer und immer größer, bis er einem grüne Lichtblitze entgegen spie. Die Sterne rundherum rasten vorbei, drehten und wendeten sich, als die Blitze häufiger wurden. Das Gefühl von Übelkeit beim Fliegen. Irgendwann sah man nichts Weiteres mehr als nur noch die unstete graue Oberfläche des Planetoiden. Es war gewaltig. Eine Mischung aus Ehrfurcht und Unverständnis.

„Da seid ihr ja“, sagte der Mann und begann zu lächeln, als er in den Holo-Bildschirm blickte. Wie lange war es her? Vier Monate, vielleicht fünf? Er durfte derzeit gar keine Übertragungen senden. In seiner Sektion auf der südlichen Hemisphäre galt gerade Nachtruhe – der Großteil seiner Wartungsabteilung schlief im Moment, während die benachbarte Sektion für die Schicht zum Noteinsatz aktiviert worden war. Offensichtlich ging gerade etwas Großes vor sich, aber ihnen hatte niemand etwas gesagt.
„Die Verbindung ist sehr schlecht. Wo bist du gerade?, fragte eine nervöse Stimme aus dem Bildschirm zurück. Der Mann sah sich übersprungshaft kurz um, fast etwas paranoid, um sich zu vergewissern, dass ihn niemand beobachtete. Dann erst entspannten sich wieder seine Gesichtszüge und er antwortete ruhig.
„Das darf ich leider nicht sagen. Aber ich komme bald heim.“
Die Frau in dem Holobildschirm lächelte. Ein ehrliches, glückliches Lächeln.
„Das ist schön“, sie blickte nach unten. „Wir freuen uns.“
Sie blickte wieder auf. „Geht es dir gut?“
„Ja, natürlich. Alles in Ordnung.“ Er log. Er fühlte sich elend nach den letzten Tagen. Das Gefühl ständigern Unwohlseins begleitete ihn, doch nur wenige Männer seiner Sektion waren in der Lage, darüber zu sprechen, was ihre Raumstation getan hatte. Manche waren krankgeschrieben, andere stürzten sich in ihre Arbeit. Er konnte nicht darüber sprechen.
Das Bild auf dem Bildschirm flackerte kurz, ein leichter Ruck veränderte die Position des Mannes. Irritiert sah der Mann sich um und wollte sich übersprungshaft am Kinn kratzen.
„Willst –“
Er kam nicht dazu, den Rest ihres Satzes zu hören. Noch bevor sein Finger sein Kinn berühren konnte, sahen seine Augen nur noch einen Bruchteil lang einen hellen Lichtschein und anschließend verschwand er für immer in der Dunkelheit.

Unruhig stand ein Mann an einer Sicherheitsschleuse, gekleidet in eine schwarze Stoffuniform und einen gepanzerten Helm. Er verlagerte sein Gewicht immer wieder von einem Fuß auf den anderen, murmelte immer wieder ein Wort und schüttelte den Kopf. Alderaan. Er kannte niemanden dort, hatte den Planeten niemals betreten. Doch er ballte eine Hand zur Faust. Als ein Offizier die Schleuse passierte, schwieg er, salutierte nicht einmal. Der Offizier ging weiter. Es war einfach nicht richtig gewesen. Bei allem Bemühen darum, den Krieg durch den Einsatz dieser Station hier noch zu verhindern – es hätte andere Wege geben müssen. Doch was konnte er tun, er als Einzelner, ein einfacher Soldat, Wachtrupp der Flotte an einer von tausenden Schleusen? Und dennoch ließ es ihn nicht los. Es war nicht sein Imperium, nicht mehr. Sie mussten besser sein. Und waren es nicht mehr; oder womöglich nie gewesen. Vielleicht war es Zeit, sich zu entscheiden. Vielleicht –
Ein kurzes Rucken des Bodens ließ ihn aufschrecken, als es ihn aus den Gedanken riss. Er blickte auf seine Stiefel, ehe der Boden unter ihm zu einem hellen Lichtschein wurde und er für immer in der Dunkelheit verschwand.

Er atmete schwer. Die Panzer- und Strahlenweste, die er trug, war nur einer der Gründe. Es war wieder so weit. Der dritte Planet. Hauptzündung einleiten. Er kniff die Lippen so eng aneinander, dass es schmerzte. Es war nicht schlimmer als das, was er fühlte, seit er zum ersten Mal den Hebel betätigt hatte. Er wusste, dass er der vielleicht größte Massenmörder der Geschichte war. Als sich herumgesprochen hatte, dass er den Hebel betätigt hatte, waren seine Kollegen und Freunde ihm aus dem Weg gegangen. Es war erst so kurz her und doch hatte sich so viel geändert. Er fühlte sich ausgestoßen. Aber was hätte er tun sollen? Ein Soldat folgte Befehle, oder nicht? Selbst wenn es die falschen waren? Er hasste sich dafür. Und das Imperium. Dafür, dass es ihn zum Henker gemacht hatte. Er wusste nicht einmal, wie viele Leben er bereits jetzt auf dem Gewissen hatte. Doch er wusste, er würde sich niemals wieder im Spiegel ansehen können. Seine Hände zitterten. Er schob den Hebel nach vorne, viel zögernder als zuletzt. Verzweiflung stieg in ihm auf. Er wollte nicht mehr. Nicht schon wieder. Es musste irgendwann aufhören. Ein rückfragender Ping seiner bereiten Bordschützenmannschaft ging im Display seines Panzerhelmes ein.
„Alles bereit“, sagte er als Antwort in das Com-Gerät, während er an die Überkopfkontrolle griff. Eine kurze Stille. Dann aber nach nur wenigen Sekunden ein erneuter Ping.
„Alles bereit…“, wiederholte er. Er konnte es nicht tun. Wollte nicht. Aber er musste. Der Abzug wankte unter seinem Griff. Er hatte keine Wahl. Dann aber - ein kurzer Ruck, fast wie ein ersehnter Glimmer der Hoffnung. Kritischer Fehler. Systemversagen. Er schloss die Augen. Danke. Der Lichtschein verschlang den Mann und er verschwand für immer in der Dunkelheit.

Aus dem Lichtschein flog ein kleines Raumschiff, ein vierflügeliger Jäger. Der Stern war verschwunden, hatte ein blinkendes Meer neuer Sterne hinterlassen. Wunderschön auf eine Art. Doch nach und nach verschwanden die neuen Sterne auch bereits wieder nach wenigen Augenblicken, einer nach dem anderen, bis sie alle verloschen waren und das Nichts wieder ins Dunkel gehüllt war. In der Weite des finsteren Weltalls erstarb das letzte Leben. Der Tod hatte mit dem Tod bezahlt. War es falsch, den Tod dafür einzusetzen? Vielleicht nicht, um Größeres und Schrecklicheres zu verhindern. Aber war es schlussendlich auch die Lösung oder nur die Bekämpfung eines Symptoms? Eines Problems, das viel tiefer lag? Es mochte nicht jeder Feind wirklich ein Feind sein müssen. Am Ende war der Feind der Krieg selbst. Der Hass und die Leiden, die er mit sich brachte. Er nährte das Schlechteste in der Galaxis. Und gab denen Macht, die keine haben durften. Der Totenschädel starrte zurück. Und in seinem Blick funkelten kristallene Abbilder verfinsterter, sterbender Welten.
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Yavin - von Protokolldroide - 19.03.2020, 01:13
RE: Yavin - von Zsinjs Imperium - 19.03.2020, 01:14
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