#22
Dieser kurze Moment der Überrumpelung, als Galens herausragendes Gehirn die Information, die es soeben erhalten hatte, überprüfen musste, um zu realisieren, was gerade geschehen war, fühlte sich erhaben an. Befriedigend. Selten genug war die Sonnenseite des Lebens in den letzten Jahren Krennic zugewandt gewesen, doch in diesem kleinen Moment vermochte er sich zu sonnen und seinem eigenen allzu widerspenstigen Ego wohltemperierte Streicheleinheiten zu verpassen. In gewisser Weise war sein Freund Galen eine Form eines kuriosen Spielzeugs, das man – vielleicht – aus purer Gewohnheit und Nostalgie noch mit sich führte, aber sich auch einfach nicht davon trennen wollte, möglicherweise auch nicht konnte, ganz gleich, wie abgetragen es schon war. Und so verblieb es im eigenen Besitz, ja sogar im Eigentum des Spielenden. Krennic war in vielen Dingen seines Wesens ein Spieler, der in diesem gesamten Spiel sehr viel gewonnen und sehr viel verloren hatte. Ein Spieler mit hohem Einsatz, der nicht davor zurückgeschreckt hatte, seinen, ja durchaus besten Freund als Einsatz für eins der Spiele zu verwenden. Das mochte ihm einerseits den überragenden Gewinn, den er innerhalb des imperialen Systems in Form von Aufstieg und Einfluss erlangt hatte, als er zum Realisator des Todessterns erwuchs, andererseits hatte er dabei seinen Joker, nämlich Galen und seine persönliche Beziehung zu ihm, im Gegenzug ablegen müssen und dadurch eine Situation geschaffen, die sich ab einem gewissen Punkt schwerlich wieder reparieren ließ. Krennic hatte keinen Mangel an dem, was sich als Freunde bezeichnen lassen mochte, und doch waren diese stets einer Funktion untergeordnet; sie dienten einem Zweck. Bei Galen war das anders gewesen, oder zumindest wollte Krennic das gerne glauben, denn am Ende war es auch hier wieder darauf hinausgelaufen. Welch bittere Ironie.
„Wird Sie das?“, entgegnete er seinem Gegenüber mit einem leicht amüsierten Unterton, der es weniger zu einer Frage machte, als Galen ihm antwortete, dass sie es verstehen würde. Krennic konnte sich schwerlich vorstellen, dass das so war; es schien nicht in Jyns Wesen zu sein, sich an Regeln zu halten oder Dinge zu verstehen, die kompliziert waren. Sie war ein Raufbold, so war es eben. Als Kind, als Jugendliche, als Erwachsene. Manches änderte sich nicht. Und ihr störrisches Wesen wurde durch die Inhaftierung wohl kaum besser. Sie hatte wenig zu verlieren und das ließ Personen dazu neigen, Ärger zu machen.
„Ich beneide dich dafür, dass du in der Hinsicht so optimistisch bist. Das tue ich wirklich“, fuhr er dann knapp nickend fort, vermutlich verkennend, dass Galen das wohl gar nicht als positiv ansehen würde, sondern lediglich als zweckmäßig aufgrund ihrer Situation und der angedrohten Konsequenzen.
„Du hast mein Wort, dass ihr nichts passieren wird, solange Sie in meiner Obhut ist.“
Es schien unklar, ob sein Wort aus Galens Sicht überhaupt noch irgendeinen Wert besaß, doch andererseits war Krennic nicht direkt als notorischer Lügner bekannt, der explizit die Unwahrheit sagte, sondern eher Dinge verschwieg, die er im Hintergrund drehte, oder sie zur Unkenntlichkeit verzerrte. So ließ sein Zusatz ebenso erkennen, dass er möglicherweise nicht garantieren konnte, dass Jyn dies auch weiterhin dauerhaft blieb; die Haltung von Staatsfeinden war als Leiter einer Forschungsabteilung nicht unbedingt in seiner eigenen Zuständigkeit im imperialen System und so schien denkbar, dass der Imperiale Geheimdienst jederzeit dauerhaften Zugriff auf Jyn nehmen konnte, sollte man des Arrangements überdrüssig werden. Das war eine Gefahr, die sich – soweit er es jedenfalls erkennen ließ – bisher nicht realisiert hatte, aber doch wie ein gezücktes Schwert stets über allen Beteiligten thronte.

Als Galen den Ort des Treffens ansprach, schien sich das Auftreten des Direktors leicht zu verändern, subtil vielleicht, aber doch einem aufmerksamen Beobachter auffällig. Seine Augen blickten unwillkürlich in Richtung der Ecke des Raumes, in dem die Kamera den gesamten Bereich einfing, was ihn in diesem Moment unangenehm zu sein schien.
„Nein“, sagte er schließlich, während er sich über das glatt rasierte Kinn strich. „Ich werde das anderweitig veranlassen.“
Krennic hatte kein Interesse daran, dass die beiden sich hier unter Beobachtung austauschten und dabei möglicherweise Dinge zur Sprache kamen, die er gerne weiter im Geheimen beließ, damit er nicht doch noch dafür zur Verantwortung gezogen wurde. Dass er dabei gleichsam zu verstehen gab, dass er Galen damit praktisch eine Gelegenheit einräumte, jedenfalls zeitweise aus seiner Isolationshaft zu gelangen, schien er nicht direkt wahrzunehmen; schließlich war das eine geradezu erstaunliche Aussage für den hier Gefangenen, wohl aber weniger für ihn selbst. Er dachte vielmehr an ein Safehouse, das er seinerzeit während der Realisierung von Stardust eingerichtet hatte, eines von vielen, um die zum Teilen fragwürdige Finanzierung zu gewährleisten und andere… inoffizielle Kanäle offenzuhalten.

Sein Blick richtete sich wieder zurück auf Galen, die Augenbrauen nahmen eine strenge Komponente an. Zwar hatte er Galen gegenüber gesagt, dass er kein Risiko einging, aber das war nur ein kleiner Teil der Wahrheit. Die Wahrheit war, dass er damit natürlich in mehrerer Hinsicht ganz erhebliche Risiken einging und schlussendlich nur gestaltete, diese so weit wie möglich zu reduzieren.
„Sollte das alles zu meiner Zufriedenheit ablaufen, können wir über weitere Erleichterungen reden. Es macht mir weniger Freude, dich zu quälen, als du vermutlich denkst.“
Vielleicht mochte das sogar gerade in diesem Moment stimmen, mitunter aber konnte er sich gegen dieses Gefühl doch nicht wehren; dieses triumphierende Gefühl, Macht über ihn zu haben. Und doch war es ein leerer und daher in der Tat doch irgendwie freudloser Triumph, denn genutzt hatte er ihm überhaupt nichts. Krennic schien kurz zu seufzen, müde zu werden oder es schlichtweg zu sein.
„Sobald das Ganze vorbereitet ist, werde ich es dich wissen lassen. Das wird ein paar Wochen brauchen.“
Dann nur noch ein kurzes Nicken in Richtung des Raumschiffhologramms.
„Bis dahin erwarte ich erste Ergebnisse.“
Der Direktor, der Anweisungen an Galen gab. Wie wenig sich im Großen und wie viel sich gleichzeitig im Kleinen seit dem letzten Mal geändert hatte.
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