#21
Nun gut. Nun gut? Diese Worte drangen so überraschend an Galens Ohren, dass er - der sich bereits wie all die Male zuvor bereits Worte zurechtgelegt hatte, die er als Argument zur Unterstreichung seiner Bitte nutzen wollte - einen Augenblick vollkommen perplex, ja beinahe überrumpelt dastand und sich fragte, ob sein Gegenüber diese beiden kleinen Worte tatsächlich ausgesprochen hatte. Doch auch die darauffolgenden Worte bestätigten das Einverständnis seines ehemals besten Freundes und es war ein Anflug von Hoffnung und ja, was war es, das so überwältigend in seinem Inneren aufkeimte, dass ihm für einen kurzen Moment der Atem stockte? Dankbarkeit? War er seinem Gegenüber so zutiefst dankbar, dass es erst der Druck dessen Zeigefingers gegen seine Brust war, der ihn zu dem Reflex verleitete den Vorgang des Atmens fortzuführen?
Galen blickte ihn an, darum bemüht sich seine Gefühle nicht anmerken zu lassen und seinem Gegenüber nicht die Möglichkeit zu geben in ihm zu lesen, wie in einem offenen Buch, aber wem wollte er etwas vormachen? Krennic kannte ihn schließlich lange und gut genug, um sich der Gefühle in seinem Inneren vollkommen bewusst zu sein. Eine Eigenschaft, die Galen nicht besaß und nie wirklich in diesem Ausmaß besessen hatte. Das war nur einer der Gründe, warum er in der Vergangenheit sein Vertrauen so oft in die falschen Leute gesteckt hatte.
Lyra war stets diejenige gewesen, der man so leicht nichts hatte vormachen können. Sie hatte Krennic lange - sehr lange - vor Galen durchschaut und ihn gewarnt. Wie oft war sein damaliger vermeintlich bester Freund beinahe zu einem Streitthema zwischen ihnen geworden? Wie oft hatte sie ihm ins Gewissen geredet, ihn gewarnt und versucht ihm die Augen zu öffnen? Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn er damals auf sie und ihre zur Vorsicht ratenden Worte gehört hätte. Und doch war es nun ausgerechnet wieder dieser Freund, in den Galen all seine Hoffnungen setzen musste, denn er war es, der die Fäden an dieser Stelle in der Hand hielt und es gab nichts, was er dagegen tun konnte, als es zuzulassen, denn es gab niemand anderen hier, der ihm den Kontakt zu seiner Tochter gewähren konnte... oder eben nicht.

"Ich... sie wird nichts dummes anstellen. Dafür werde ich sorgen." Konnte er sich dessen tatsächlich sicher sein? Wahrscheinlich nicht, aber er würde ihr klar machen, wie wichtig es war, dass sie beide sich an die Regeln hielten, die Krennic vorgab. Zumindest im Augenblick. Sie konnten es sich nicht leisten seinen guten Willen, den er so überraschend gezeigt hatte, aufs Spiel zu setzen. ER konnte es sich nicht leisten.
Galen war sich der Tatsache bewusst, dass seine Beweggründe zur Kooperation gänzlich gegensätzlich seiner Überzeugung war und man es ihm als puren Egoismus ankreiden konnte, denn es war einzig und allein der Wunsch und die Hoffnung, dass man wenigstens seiner Tochter ein Leben in Freiheit gewährend würde, die ihn zur Weiterführung seiner Arbeit veranlasste. Er konnte sich nicht mit einem guten Gewissen verweigern, solange Jyns Leben davon abhing. Vergessen war seine Einstellung, dass das Wohl Vieler stets das Wohl von Wenigen oder gar eines Einzelnen überwog. Er konnte das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Nicht solange er nicht mit seiner Tochter gesprochen hatte.
"Sie wird dir keinen Ärger machen und sich an deine Regeln halten. Auch in Zukunft nicht. Ich werde mit ihr reden. Sie wird... es verstehen." Galen war sich in diesem Moment selbst nicht sicher, ob er diese Worte tatsächlich an Krennic richtete oder seine eigenen Gedanken zum Schweigen bringen wollte. Würde sie es verstehen? Dass sie der Beweggrund für seine Weiterarbeit war? Nach allem, was geschehen war? Sie erinnerte ihn so sehr an ihre Mutter und Lyra hätte ihm dafür den Kopf abgerissen. Bildlich gesprochen. Und da waren sie wieder. Diese Gedanken, die ihn nachts oder in den wenigen Momenten, in denen er sich erlaubte zur Ruhe zu kommen, um den Schlaf oder die eigentlich verdiente Ruhe brachten. Dieser immerwährende Konflikt in seinem Inneren. Der Kampf zwischen seinem Gewissen, seiner eigenen Überzeugung und der Liebe zu seiner Tochter, die alles war, was ihm geblieben war. Es ging hier nicht um ihn, nicht um sein Leben. Jyn war es, die er mit allen Mitteln zu schützen versuchte.

"Wirst du sie hierher bringen?" Beinahe hatte er ja die Hoffnung, dass man ihn hier herauslassen würde, aber die Äußerung dieser Bitte würde den Bogen womöglich überspannen. "Ihr wird nichts passieren und du wirst keinen Grund haben, ihr auch nur ein einziges Haar zu krümmen." Galen blickte seinem Gegenüber fest entgegen. Entschlossen. Auch er würde kein Risiko eingehen und im schlimmsten Fall, den er allerdings unter gar keinen Umständen zulassen würde, seine Konsequenzen ziehen. Seine Bedingungen zur Weiterarbeit standen ebenso fest, wie die Regeln und Bestimmungen, mit denen er sich hier stets konfrontiert sah und das Wohlergehen seiner Tochter spielte darin eine unumstößliche Rolle. "Weder sie noch ich werden dir einen Grund geben deine Einwilligung zu bereuen." Ein Versprechen, das er einzuhalten gedachte, ebenso wie er seiner Tochter die Dringlichkeit verdeutlichen würde, dass sie sich an die Regeln hielt. Nur dieses eine Mal. Keine Diskussion. Keine Provokation. Allerdings hatte diese dringliche Bitte schon damals bei Lyra nicht funktioniert und Galen konnte nur hoffen, dass Jyn kein Risiko eingehen würde.
"Ich möchte lediglich sichergehen, dass es ihr gut geht und sie wohlauf ist. Ich möchte es aus ihrem Mund hören, in ihren eigenen Worten, von Angesicht zu Angesicht. Mehr nicht." Eigentlich wollte er so viel mehr, aber dies wäre ein guter Anfang, bevor es wieder an ihm liegen würde Ergebnisse und eine uneingeschränkte Kooperation liefern zu müssen, um den winzigen Funken des guten Willens Krennics nicht wieder vollständig erlöschen zu lassen.
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