#8
„Oh, es geht ihr gut“, antwortete Krennic mit einem Lächeln im Gesicht, das nicht einmal aufgezwungen oder falsch, sondern dieses Mal eher ironisch wirkte. Nur ein leichter Hauch von Bitterkeit schien mitzuschwingen. Denn letztlich gefiel es ihm nicht, dass mit Jyn ausgerechnet eine der Hauptverantwortlichen für den Untergang seiner Kampstation ihrer gerechten Strafe noch immer entging. Jedenfalls für den Augenblick.
„Wenn ich darüber nachdenke, geht es ihr sogar weitaus besser als es ihr eigentlich zusteht. Du weißt, dass das Imperium gegenüber Verrätern normalerweise eine recht… rigorose Vorgehensweise hat.“
Orsons Antwort hierzu war etwas zwiespältig – einerseits schien er damit wieder nahezulegen, dass es primär an ihm selbst lag, dass Jyn überhaupt noch am Leben war, was unterschwellig von ihm als gewisses Entgegenkommen gegenüber Galen interpretiert werden konnte und natürlich auch sollte. Auf der anderen Seite zeigte er mit dieser Abweichung der Behandlung von Jyn gegenüber anderen Verrätern aber auch, dass nicht nur Orson, sondern offenkundig auch das Imperium selbst auf die Arbeit von Galen so massiv angewiesen war, dass es hier von seiner üblichen Vorgehensweise sogar abwich. Krennic war zwar ein relativ guter Manipulator und mitunter begabter Lügner – allerdings hinderte ihn sein Ego immer wieder daran, Informationen sauber zu filtern und zu überdenken, wenn es der kurzfristigen Eigendarstellung oder Überhöhung seiner Position nutzte. Dann bröckelte dieses durchaus vorhandene Talent immer weiter – und insbesondere dann, wenn dabei noch gekränkter Stolz und somit Emotionen im Spiel waren. Alles davon war natürlich in erheblichem Maße bei Gesprächen mit Galen der Fall.
„Natürlich musste ich gewisse Maßnahmen zu ihrer Sicherheit ergreifen, wie du dir sicherlich vorstellen kannst.“
Und zu seiner eigenen Sicherheit, verstand sich.
„Aber ich versichere dir, im Rahmen dessen geht es ihr gut, solange sie sich in meiner Obhut befindet.“
Versicherungen seinerseits konnten und mochten durchaus angezweifelt werden – alles in allem hätte Krennic sogar Verständnis dafür, wenn sein Gegenüber ihm diese nicht abnahm. Er hatte sich Galens Genie unter falschem Vorwand dienstbar gemacht, wohlwissend, dass dieser es bei vollständiger Kenntnis des Projekts niemals freiwillig getan hätte. Aber letztlich war genau das das Problem. In Galens Traumwelt konnte man tun, was man wollte, konnte es sich leisten, was man als Moral bezeichnen konnte. Das war früher vielleicht einmal, vor vielen Jahren. Galen lebte in der Vergangenheit. Er hatte sich nie dem angepasst, was um ihn herum passierte – darum wäre er ohne Orsons Hilfe auch nie zu etwas geworden. Diese Verschrobenheit hätte ihn im Imperium in den Abgrund geführt. Oder gewissermaßen hatte sie das ja, wenn man sich die aktuelle Situation anblickte. Krennic dagegen hatte sich den Umständen angepasst, hatte das getan, was man tun musste, um mit der derzeit vorherrschenden Situation klarzukommen und in ihr noch etwas werden zu können. Nach Krennics Auffassung war das das Einzige, was beide wirklich trennte, weshalb ihr Leben auch ganz unterschiedliche Wege nahm, als das Imperium an die Macht gekommen war. Während er selbst begriffen hatte, dass man nicht weitermachen konnte wie zuvor, war Galen in alten Denkmustern gefangen gewesen, ohne wirklich zu realisieren, was für ein Staat sich gerade erhoben hatte. Aber dieser Staats war nun einmal da und man musste mit ihm arbeiten, irgendwie. Krennic glaubte nicht daran, dass das Imperium bald aus der Galaxis verschwinden würde, ganz gleich, wie sehr die Republik sich derzeit auf ihren tönernen Füßen wieder erhob. Oder etwas, das von sich behauptete, eine Republik zu sein. Der Krieg konnte ewig so weitergehen. Eine brutale Unterdrückungsmacht wie das Imperium verschwand nicht von einen Tag auf den anderen. Es wurde, in die Ecke gedrängt, nur von Tag zu Tag gefährlicher für das, was es zu beseitigen versuchte.

Der Direktor blickte erneut zu Boden und seufzte einmal lautstark. Ja, er wollte etwas. Vieles eigentlich. Aber vor allem auch, dass Galen endlich begriff, dass er sich seinen Luxus nicht leisten konnte. Dass auch Orson sich den bequemen Luxus von Galen, moralisch sein zu wollen, gar nicht leisten konnte – selbst wenn er wollte.
„Ich will, dass du verstehst, dass sich die Dinge geändert haben, Galen“, sagte er in seiner ruhigen Stimme, die immer einen leicht krächzenden Unterton annahm, wenn er so sprach. „Wir leben in gefährlichen Zeiten. Nicht nur du, alle von uns. Moral und Anstand zahlen sich in unseren Lebzeiten nicht mehr aus, falls sie das jemals zuvor taten. Das ist nicht mehr unsere Republik, Galen. In diesem Imperium fressen sich alle gegenseitig.“
Er erhob seine linke Hand und hielt sie Galen mit etwas Abstand unter die Nase, schnippte mit Daumen und Mittelfinger kurz.
So schnell vernichtet man uns beide, wenn ich nur einen Fehler mache“, fuhr er während der Geste fort und für einen Moment schien sein Gesicht eine ungewohnte Form von Anspannung auszustrahlen. Fressen oder gefressen werden. Orson hatte nicht vor, das eine Leben, das er hatte, als Schlachtvieh für einen anderen Jäger zu verschwenden. Trotzdem war Galen erneut ein gewaltiges Risiko, größer noch als zuvor, das er auf sich nahm, ja wieder auf sich nehmen musste. Er sah sich um, biss sich kurz auf die Lippe und hob dann dieses Mal erneut beide Hände, mit denen er symbolisch den Raum einzufangen schien.
„Wenn es nach mir ginge, stünde dieses Arrangement unter anderen Vorzeichen. Aber manchmal sind Dinge einfach, wie sie sind.“
Mehr oder weniger bewusst schien in seinem letzten Satz mitzuschwingen, dass Galen ihm auch gar keine Wahl gelassen hatte. Offenkundig war, dass er sich noch immer vor Galen zu rechtfertigen versuchte. Irgendwo weit hinten in den Zahnrädchen, die sich in Krennics Gehirn drehten, mochte daher noch immer etwas Sand im Getriebe sein – der ihn immer noch dazu brachte, sich dafür überhaupt zu rechtfertigen, obwohl er es eigentlich gar nicht nötig hatte. Aber offenkundig musste Krennic auch sich selbst weiter darin bestärken, dass das, was er tat, richtig und notwendig war. War es Unsicherheit? Ein schlechtes Gewissen? Vielleicht beides. Vielleicht nichts davon. Vielleicht war es auch einfach nur nackte Angst um sein eigenes Überleben. Seit dem Todesstern mehrten sich die Kritiker nur umso mehr. Ein Moment der Schwäche und sie alle würden ihre Fänge nutznießend einsetzen.

So weit musste es jedoch nicht kommen. Es war durchaus möglich, dass gerade diese angespannte Lage des Imperiums ein Sprungbrett sein konnte. In solchen Zeiten war es möglich, mit wenigen Stellschrauben womöglich entscheidende Weichen stellen zu können. Eine konventionellere Waffe wie das neue Schlachtschiff mochte hierbei ein wichtiges neues Signal setzen. Aber die Zeit würde nicht reichen, um die bisherigen Ergebnisse komplett neu zu analysieren, sondern das Schiff würde auf der bekannten Technologie aufbauen müssen – auch wenn sich Kyber-Kristalle als problematisch erwiesen hatten. Einerseits waren sie der wohl einzige Energieträger, der für derartige Projekte verwendbar war, andererseits war ihre Kapazität anfällig für katastrophale Reaktionen, wenn ein Bindeglied zerstört werden konnte. Aber nur durch Kristall-Cluster waren überhaupt die Synergieeffekte zu erreichen, die diesen erstaunlichen multiplizierenden Energiegewinn brachten.
„Gut“, entgegnete Orson seinem ehemaligen Freund halblaut, beinah überrascht, fast als hätte er kurzzeitig geplant zu widersprechen. Eigentlich hatte er vorgehabt, Galen erst bei ihrem nächsten Treffen Details zu dem neuen Projekt mitzuteilen, doch da dieser erpicht darauf schien, bereits jetzt mit der Arbeit zu beginnen, sprach im Endeffekt nichts dagegen, ihn in das Projekt Eclipse einzuweihen. Oder zumindest in die Teile davon, die er wissen musste.
„Wir werden auf deinen Erkenntnissen aufbauen, also dem, was wir uns in den letzten Jahren bereits erarbeitet haben. Es wird darum gehen, möglichst viel der bisherigen Leistung beizubehalten, aber die Größe des Objektes im Vergleich zur Kampfstation drastisch zu reduzieren. Es wird nur um ein Objekt zwischen fünfzehn und sechzehn Kilometern Länge gehen. Du wirst dafür sorgen, dass dieser Rumpfkörper mit dem höchstmöglichen Maß an Energie versorgt wird. Alles Weiteres erledigt mein Team in Eigenregie.“
Relativ acht- und arglos ging Krennic nah an Galen vorbei, wandte ihm auch den Rücken zu, während er aus seiner rechten Brusttasche einen der Codezylinder nahm und in das Codierungsterminal steckte, das daraufhin grün zu leuchten begann. Auf dem Holo-Tisch daneben, zeigte sich ein stilisierter dreieckiger Rumpf, beinahe holzschnittartig – ähnlich der einer Konzeptzeichnung eines Sternenzerstörers. Das blaue Hologrammlicht tauchte den gesamten Raum in eine schimmernde, künstliche, kalte Beleuchtung. Die Proportionen und die Größe des Kommandoturms im Vergleich zum Rest des Schiffes legten die von Orson angesprochene Länge des Objektes nahe. Krennic würde Galen nicht darüber aufklären, dass das Rumpfkonstrukt dieses Schiffes bereits über Kuat in Konstruktion war und dass die Standardbestandteile in Kürze fertiggestellt waren, so dass der Einbau der Waffe in das Innere des Schiffes bevorstand. Er drückte einen weiteren Knopf, woraufhin die Holo-Darstellung des Schiffes verschwand und stattdessen eine Darstellung einer geschliffenen Form eines Kyber-Kristalles wich, zu dessen Seiten diverse detaillierte Daten in Aurabesh geschrieben standen. Offenbar handelte es sich dabei um künstlich komprimierte Kristalle. Andere Tests schienen sich mit der Zufügung anderer Substanzen zu den Kristallen zu beschäftigen, die darauf positiv reagiert hatten. Wenn auch sachgerecht und plausibel durchgeführt, mochte einem Experten wie Galen auffallen, dass es dem Team an einem zielgerichteten Vorgehen fehlte, sondern verschiedene Ansätze durchversucht wurden, die teils mehr, teils weniger Erfolg versprechen würden.
„Das Team hat bereits mit einzelnen Kristallen experimentiert und wir wissen, dass ein erhöhter Wirkungsgrad im Vergleich zur alten Konstruktion prinzipiell mit genug Aufwand möglich ist, aber es macht die Kristalle instabil und gefährlich. Zu gefährlich ohne einen Spezialisten, der mit den Kristallen lange genug gearbeitet hat und sie daher gut genug kennt. Die Ergebnisse der Tests werden dir zur Verfügung gestellt.“
Mit einem Ruck war der Codezylinder wieder aus der Halterung gelöst und das Holo-Bild fiel flimmernd in sich zusammen. Der künstliche blaue Lichtschein verschwand wieder, während sich Krennic mit dem Zylinder in beiden Händen wieder zu Galen drehte, um dessen Reaktion zu studieren. Er selbst wirkte dagegen eher bürokratisch, weniger fokussiert als dies noch während der Zusammenarbeit bei der Kampfstation der Fall war, während der beinahe jeden Tag neu das Feuer in seinen Augen sichtbar gewesen war. Der DS-1 war ein visionäres Objekt gewesen – ein Schlachtschiff war dagegen letzten Endes eben nur genau das. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
„Als Ziel deiner Arbeit werden zwanzig Prozent der Energieleistung der Kampfstation erwartet. Unseren theoretischen Berechnungen zufolge sollte das ohne zeitaufwendige Grundlagenforschung auch unter realen Bedingungen erreichbar sein, sofern sich die Instabilität in den Griff bekommen lässt.“
Krennic war sich durchaus bewusst, dass zwanzig Prozent unter realen Bedingungen realistischerweise nicht zu erreichen waren, vermutlich jedenfalls nicht ohne weitere Grundlagenforschung – dafür war die Größe des Schlachtschiffes schlichtweg viel zu klein. Es schien aber sinnvoll, Galen eher zu überfordern als zu unterfordern – positive Überraschungen mochten während der Arbeit jederzeit eintreffen und würden schlussendlich das Projekt nicht gefährden. Und vielleicht wuchs Galen wieder einmal über sich hinaus.
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