#7
Galen biss sich auf die Innenseite seiner Unterlippe und bemühte sich zwanghaft dem Blick seines ehemaligen Freundes standzuhalten. Er wollte ihn anschreien, ihm die selbstgefällige Art ihm gegenüber aus dem Gesicht prügeln. Das Verlangen war da und es wuchs mit jedem weiteren Augenblick, den sie zusammen hier verbrachten. Niemals in seinem Leben hätte Galen geglaubt, dass er einen derartig tiefgründigen Hass empfinden konnte. Und Lyra hatte ihn gewarnt. Bereits von Anfang an, hatte sie Orson Krennic nicht über den Weg getraut, doch Galen hatte all ihre Befürchtungen und warnenden Worte nicht nur ignoriert, sondern vehement widersprochen, denn ER hatte ihm vertraut. Ein Freund. Ein Seelenverwandter war er gewesen, auch wenn sie schon immer unterschiedlich gearbeitet hatten, aber niemals und unter gar keinen Umständen hätte er damals geglaubt, dass etwas, das Orson tat, zu seinem persönlichen Nachteil sein könnte. Wie sehr er sich geirrt hatte, war ihm viel zu spät klar geworden. Zu diesem Zeitpunkt war der Moment, in dem er sich vielleicht noch aus der Situation hätte winden können, lange überschritten. Galen musste sich eingestehen, dass er froh war, dass Lyra nicht mehr hatte miterleben müssen, zu welch einer verheerenden Vernichtungskraft seine Arbeit sich entwickelt hatte. Ja, er hatte diese Schwachstelle eingebaut, aber auch wenn dieser Zug von ihm einen wahrhaft durchschlagenden Erfolg nach sich gezogen hatte, war der Erfolg nicht groß genug gewesen. Ein Umstand, den er über alles bedauerte und nun saß er wieder hier, in der moralischen und emotionalen Zwickmühle, in der er vor einigen Jahren bereits gesessen hatte und wieder war es die Angst und Sorge um seine Tochter, die ihn zur Zusammenarbeit zwang. “Ich will nur sicher sein können, dass es ihr gut geht,“ kam es schließlich leise über seine Lippen.

“Was hast du denn zu verlieren? Glaubst du tatsächlich ich würde hier sitzen und für dich arbeiten, wenn mir das Schicksal meiner Tochter gleichgültig wäre? Ihr habt doch schon sowohl sie als auch mich in eurer Hand. Was willst du denn noch, Krennic?“ Galen ahnte, dass dieser Versuch einer Diskussion auf fruchtlosen Boden fallen würde, aber war es denn so verwerflich, dass er es versuchte? Dass er jede Möglichkeit nutzte, um sein Anliegen vorzutragen? Er tat, was man ihm sagte, er beschwerte sich mit keinem Wort über seine Unterbringung oder die Art und Weise, wie man grundsätzlich mit ihm umging; alles was er wollte war die Gewissheit, dass es seiner Tochter gut ging. Galen sah ihm fest entgegen als suchte er in der Mimik seines alten Freundes nach einer Regung, die ihm eine Antwort auf seine so dringenden Fragen geben würde. Ein Zucken in dessen Mundwinkeln, ein Funkeln in dessen Augen, das Anheben seiner Augenbraue..
Vertraute er darauf, dass Orson Krennic gegebene Versprechen – oder Abmachungen – einhielt? Nein. Das Vertrauen war seit Jahren bereits in den Grundfesten erschüttert und Orson hatte sich in der Vergangenheit nicht sehr viel Mühe gegeben, um diesen Zustand zu ändern. Galen wusste, dass dieses zerstörte Vertrauen auf Gegenseitigkeit beruhte, aber die Ausgangslage war eine gänzlich andere.

Galen schüttelte schließlich den Kopf, wendete sich von Krennic ab und richtete seinen Blick auf die Überbleibsel seiner Arbeit auf seinem Schreibtisch. Eine Arbeit, die ihn viel – sehr viel – Zeit und noch mehr Nerven gekostet hatte und die nun doch gänzlich hinfällig war. Eine Verschwendung von Ressourcen, wenn man es so nennen wollte, auch wenn Galen durchaus vorhatte seine Erkenntnisse weiterhin zu nutzen... nur auf eine andere Art und Weise. Er begann langsam damit einige schnell dahingekritzelte Zettel zusammenzuschieben. Zettel, die er irgendwann ordnungsgemäß in das System eingetragen hätte, aber nun eben ein wenig an ihrer Bedeutung verloren hatten. Erst seitdem er diese Aufgabe selbst übernehmen musste, hatte er wirklich begriffen, welch eine Arbeit Lyra damit gehabt haben musste, denn früher hatte sie die Aufgabe übernommen Ordnung in das Chaos seiner Gedanken und Arbeit zu bringen.
“Aber um rasche Ergebnisse vorweisen zu können, muss ich wissen, worum es geht, nicht wahr? Also würde ich sagen, es liegt ganz an dir und dem Willen des... Imperators wie bald die Arbeiten beginnen können.“ Des jetzigen Imperators. Galen hatte diesen kleinen Zusatz vernommen, auch wenn er sich in diesem Moment noch nicht gänzlich sicher war, ob Krennic diese Information willentlich preisgegeben hatte, denn wenn er eines wusste, dann dass man ihn vor allen Belangen abschottete, die außerhalb dieser Wände stattfanden. Dennoch war es eine Information. Eine Information, die er beinahe gierig aufsaugte, auch wenn er noch für sich selbst herausfinden musste, was er mit diesem neu erlangten Wissen anfangen konnte, aber würde. Und er würde es nutzen. Galen vergaß nichts von dem, was man ihm gegenüber äußerte und Dinge, die ihn selbst direkt und indirekt betrafen, am wenigsten.
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