#9
Ja, Galen wusste, wie man in den Kreisen des Imperiums mit "Verrätern" umging oder auch nur denjenigen, denen man etwas derartiges unterstellen wollte. Hier stand man stets mit einem Bein im Grab, wollte man es auch nur in Betracht ziehen nicht dem Willen des Imperiums zu entsprechen oder gar eigene Ideale verfolgen zu wollen. In diesem Punkt hatte sein alter Freund sogar Recht. Die Zeiten hatten sich tatsächlich geändert und keineswegs in eine positive Richtung. Frieden und Sicherheit. Welch eine Ironie, dass Krennic damals immerwieder diese beiden Argumente genutzt hatte. Frieden und Sicherheit. Und was hatte man bekommen? Nichts, was auch nur in den Ansätzen mit diesen beiden Begriffen konform ging. Natürlich konnte man ihm in dieser Denkensweise unterstellen, dass er die positiven Seiten des Imperiums gar nicht erkennen und akzeptieren wollte, aber Galen hatte in all den Jahren auch die dunkelsten Seiten kennengelernt und seiner - bescheidenen - Meinung nach, konnte es innerhalb dieser Kreise nicht genügend "positive" Dinge geben, um die negativen auch nur in den Ansätzen wieder aufzuwiegen. Zu gerne würde er Krennics Beteuerungen Jyn betreffend Glauben schenken, aber wer konnte ihm verübeln, dass sich dieser Wunsch ein wenig schwierig gestaltete. Schon lange war der Mann nicht mehr der Freund, den er so lange gekannt und so vehement verteidigt hatte und Galen würde lügen, würde er nun behaupten, dass er diesen Umstand nicht bedauerte. Aber was blieb ihm anderes übrig als den letzten Funken von Vertrauen in Krennics Worte zu setzen? Er hoffte darauf, dass es ihr gut ging, auch wenn er mehr denn je versuchte die Gedanken nicht in ihre Richtung gleiten zu lassen, doch es fiel ihm schwer. Damals, nach Lyras Tod, als er sich in die Arbeit gestürzt hatte, um seinen Plan schleichend in die Tat umzusetzen, war es ihm sehr viel leichter gefallen, die Gedanken von seiner Familie fernzuhalten, doch jetzt... ohne die richtige Ablenkung, die ihn rund um die Uhr auf andere Gedanken brachte...

Fast hatte er damit gerechnet, dass Krennic ihn mit dem neuen, streng geheimen Projekt noch ein wenig warten lassen würde, einfach weil es ihm zuzutrauen war erst große Reden zu schwingen und dann mit der großen Auflösung des Rätsels zu warten und eigentlich hatte er ihn nur ein wenig Herausfordern wollen. Dass dieser nun doch so schnell darauf ansprang, zeugte entweder von der Dringlichkeit, mit der seine Hilfe gebraucht wurde oder Krennic stand selbst unter Zeitdruck, was dann doch wieder auf die Dringlichkeit seiner Hilfe zurückkam. Unter anderen Umständen, hätte er sich vielleicht geehrt gefühlt, doch so führte es lediglich zu einem unguten Gefühl in der Magengegend. Ein Gefühl, das sich auch sogleich bestätigte, kaum dass sein Gegenüber mit der Erklärung begonnen hatte. Er konnte förmlich spüren, wie sich sein Innerstes zu einem festen Klumpen zusammenzog, was physikalisch und physisch natürlich gänzlich unmöglich war, aber dass er sich verkrampfte war keineswegs abzustreiten. Die Darstellung des Kristalls und der aufgeführten Daten an dessen Seite, verleiteten Galen zu einem inneren Augenrollen und einem tatsächlichen kurzen Kopfschütteln. Ein klein wenig konnte er das Problem durchaus sehen und auch verstehen und im Grunde hatte er beinahe Mitleid mit dem Team, das in dieser Arbeit involviert war. Unter anderen Umständen würde er ein weiteres Scheitern überaus begrüßen, aber wie schon beim letzten Mal, hatte man ihn hier in der Hand, was den Wunsch praktisch zunichte machte. Galen hatte sich vorgenommen nicht sofort auf die Ausführungen zu reagieren und dieses Mal selbst die Taktik des "herauszögerns" zu nutzen, ja, ihn dabei noch nicht einmal eines Blickes zu würdigen, doch Krennics letzte Worte, ließen seinen Kopf unweigerlich in seine Richtung rucken. "Das ist unmöglich." Und dies war noch nicht einmal eine Aussage, die er aus dramaturgischen Gründen von sich gab, nur um sein eigenes Genie durch Erfüllung der Anforderungen dann doch zu beweisen - wobei dies ohnehin niemals seine Art gewesen war. "Das kann ganz unmöglich euer Ernst sein. Zwanzig Prozent? Die Energieleistung für die Kampfstation war schon überdurchschnittlich hoch, gemessen an ihrer Größe und nun erwartest du zwanzig Prozent für ein 'Objekt', das einen winzigen Bruchteil der damaligen Größe beträgt?" Galen konnte ein ungläubiges Lachen nicht unterdrücken. Ungläubig. Fast verzweifelt. Sich mit beiden Händen durch das Haar fahrend, wendete er sich kopfschüttelnd ab und lief einige Schritte durch den Raum, der ihm plötzlich viel zu klein erschien. "Für den Fall, dass dein Gedächtnis dich im Stich gelassen hat, aber die Kampfstation hatte einen Durchmesser von über 150 Kilometern. Einen Durchmesser! Und du kommst hierher und sagst mir, dass du zwanzig Prozent der Leistung für ein Objekt haben willst, dass eine Größe von 15 Kilometern hat. Hast du auch nur den leisesten Hauch einer Ahnung davon, was du verlangst?" Galen unterbrach seinen ruhelosen Lauf und sah Krennic entgegen. Diesem großartigen Visionär, dem er nur zu gerne gefolgt wäre, hätte er sich nicht für die falsche Seite entschieden. Und das schlimme war, dass Galen fest davon ausging, dass dieser Mann durchaus wusste, wovon er sprach und was er hier verlangte.

Er zweifelte nicht an seinen eigenen Fähigkeiten und er würde auch gar nicht versuchen diese seinem Gegenüber zu schmälern, denn dies hatte beim letzten Mal schon nicht funktioniert und würde es jetzt noch sehr viel weniger, aber zwanzig Prozent? Selbst zehn wären schon eine Herausforderung im Anbetracht der 'geringen' Größe des Objektes, in dem die Leistung schließlich zum Einsatz kommen würde - und trotzdem noch tödlich und hochgefährlich für jeden, der sich ihrem Wirkungskreis in den Weg stellte. Aber natürlich musste das Imperium ja mal wieder übertreiben. In diesem Fall gar nicht so sehr mit der Größe, sondern mit der Energieleistung. Es gäbe so viele gute Dinge, die man mit diesem Wissen anstellen könnte, wobei Krennic tatsächlich auf seinen beiden Lieblingsargumenten Frieden und Sicherheit pochen könnte, aber nein... Galen hatte es verstanden. Diese Zeiten waren vorbei und er machte sich im Grunde gar keine Illusionen mehr, dass er diesen Wandel zurück - oder voraus je nachdem - noch zu seinen Lebzeiten erleben würde. "Glaubst du, ich schnippe einmal mit dem Finger - So! - " Er schnippte, wie Krennic es nur kurz zuvor getan hatte, "und ich schüttele die Lösung für euer Problem einfach so aus dem Ärmel? Zwanzig Prozent. Du übertriffst dich wieder einmal selbst." Mit wahnwitzigen Ideen und Vorstellungen, die ihresgleichen suchten. "Und welchen Zeitraum hast du dir vorgestellt? Nächste Woche?" Sein Sarkasmus war schlecht, schon immer gewesen, aber auch ein deutliches Anzeichen für die Verzweiflung, die den Unglauben in seinem Inneren längst verdrängt hatte.
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