#14
„Die sind für später“, kommentierte die Krankenschwester mit einem müden Lächeln. „Wenn die Betäubung nachlässt.“ Sie ging nicht darauf ein, dass die Arkanierin die Armruhe sogleich ignoriert und es sich noch etwas ‚gemütlicher‘ gemacht hatte. Dieses Schiff war ohnehin eher unorthodox und im Moment gab es wichtigeres, als sich über solche Kleinigkeiten aufzuregen. Der Wundverschluss hielt und mit weiteren Zwischenfällen der Jägerpilotin war vorerst nicht zu rechnen. Im Gegensatz zu Callio konnte sie sich auch ausruhen – ein Umstand, um den die Krankenschwester sie trotz ihrer Verletzung ein wenig beneidete. Auf Zabines Kommentar hin nickte sie. Ein wenig abwesend, da schon wieder neue Patienten durch die Tür kamen und sie anscheinend jetzt erst zu einigen der schweren Fälle vorgedrungen waren, die es nicht mehr alleine hierher schafften. „Dann ruhen Sie sich aus. Ich bringe die Medikamente, sobald ich kann.“ Mit einem Seufzen ließ sie die Arkanierin vorerst allein – in der festen Absicht, später noch einmal nach ihr zu sehen. Mit jeder Stunde, die verstrich, wurden die Nerven auf der Krankenstation blanker. Wie gut, dass man sie genau für solche Fälle angestellt hatte…

* * * * * * *
Beskhar konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war, als ihm plötzlich jemand die Hand auf die Schulter legte. Er war der blonde Chirurg, der sich um Rutee gekümmert hatte und der ihn nun aus müden Augen anblickte. Gut, dass wir hier keine Spiegel haben. Der Klon wusste den Gesichtsausdruck des Mannes nicht zu deuten. Sofort war die Anspannung wieder da und er begann, sich aufs Schlimmste vorzubereiten. „Und? Was ist mit ihr?“
„Ihr Zustand ist stabil, aber sie war noch nicht wieder bei Bewusstsein. Ich hab getan, was ich konnte. Den Rest muss das Bacta erledigen.“ Damit deutete der Mann auf einen der Tanks, in dem in spärlicher Bekleidung eine Zabrak schwamm. Ihre Augen waren geschlossen und an vielen Stellen war ihre Haut von dunklen, aufgequollenen Flecken überzogen. Beskhar hatte schon deutlich schlimmeres gesehen. Trotzdem krampfte sich gerade sein Magen zusammen. „Tut mir leid, wie ich vorhin reagiert habe“, sagte er leise, nachdem er sich überwunden hatte. „Aber ich wollte die Entscheidung über ihr Leben keiner Maschine überlassen.“ Der Chirurg nickte nur. Beskhar konnte nicht sagen, ob der blonde Mann ihn verstehen konnte oder nur gerade keine Lust auf eine Grundsatzdiskussion hatte. „Nimm dir einen Moment Zeit. Oder find raus, ob es in der Cantina zumindest schon wieder Caf gibt“, antwortete der Chirurg stattdessen. „Damit würdest du uns allen einen großen Gefallen tun.“ Das war fair, auch wenn der Sanitäter noch nicht glauben konnte, dass die Caf-Maschinen bereits wieder einsatzbereit waren. Und selbst wenn, hatten die Mechaniker die Vorräte vermutlich bereits geplündert.

Doch es verschaffte ihm ein paar Augenblicke, um sich zu sammeln. Zögerlich trat Beskhar an den Bacta-Tank heran, in dem sich Rutee befand. Sie wirkte in der heilsamen Flüssigkeit wie schwerelos. Offenbar hatte man ihr abgebrochenes Horn mit organischem Kleber wieder befestigt, auch wenn die Ränder noch deutlich überstanden. Um solche Feinheiten konnte man sich kümmern, wenn sie wieder bei Bewusstsein war. Beskhar wünschte sich, dass er irgendetwas tun konnte. Sie wissen lassen konnte, dass er da war – auch wenn ihre Verletzungen dadurch nicht schneller heilen würden. Widerstrebende Gefühle bekämpften sich in seinem Inneren. Natürlich war er den Tod gewöhnt und natürlich hatte er jedes Mal gelitten, wenn ihm einer seiner Brüder unter den Händen weggestorben war. Aber das hier war anders… Rutee war keine Soldatin, sie war Frachtpersonal! Und das hier war kein Kriegsschiff. Aber genau so funktioniert Krieg. Es wäre zu einfach, wenn immer nur die an der Front betroffen wären. Das wäre fair… Von einem gewissen Standpunkt aus. Er legte eine Hand auf den Transparistahl, der seine Freundin von der Außenwelt abschirmte. Eine weitere bedeutungslose Geste, die ihm mehr half als ihr. „Bleib stark, Rutee.“ Dann verließ Beskhar die Krankenstation. Aber er kehrte nicht mit Caf zurück – seine Vermutungen hatten sich bewahrheitet und auch die Cantina hatte grade mit anderen Problemen zu kämpfen. Stattdessen folgte er einer spontanen Eingebung und schloss sich dem medizinischen Personal an, das in den übrigen Teilen des Schiffes noch immer nach Verletzten suchte. Bis jedes Crewmitglied gefunden war.


Zwei Tage später...
Die Descryer trieb noch immer durch den Raum, doch zumindest hatte man in der Zwischenzeit einige Systeme des Schiffes wieder flott machen können – darunter auch die lebensnotwendigen Caf-Maschinen in der Cantina. Und bestimmt – hoffentlich – war es nur eine Frage der Zeit, bis ihr Antrieb auch wieder funktionstüchtig genug war, um sie zu einem Planeten der Republik zu bringen.
Beskhar hatte die letzten zwei Tage größtenteils auf der Krankenstation verbracht, von ein paar Stunden unruhigem Schlaf abgesehen. Doch er wollte dabei sein, wenn Rutee wieder zu sich kam. Heute war es endlich soweit. Die Blessuren der Zabrak waren noch nicht ganz verschwunden, doch die Schwellungen soweit abgeklungen, dass man sie in ein Krankenbett verlegen konnte. Der Klon hatte nur Augen für sie und saß an ihrer Seite. Erkannte die Zeichen, dass sie langsam aus der Ohnmacht zurückkehrte und brachte sogar ein schiefes Lächeln zustande, als Rutee mit flatternden Lidern die Augen öffnete. Es dauerte eine Weile, bis sie ihn wahrnahm und ihre Desorientierung ablegen konnte. Noch immer wirkte die Zabrak etwas benebelt und erschöpft, aber auch das waren übliche Nachwirkungen des Bacta-Schlafs.
„Hey“, begrüßte er sie mit sanfter Stimme und strich ihr behutsam einige Strähnen von der Stirn. „Willkommen zurück.“ Rutee wandte ihm den Kopf zu und versuchte offenbar, sich mit der Wange an seine Handfläche zu schmiegen. Ein Wunsch, dem Beskhar gerne Folge leistete. Während ihr Blick immer klarer wurde, mischte sich ein nachdenklicher, fast trauriger Ausdruck in ihre Augen. „Was ist passiert?“, fragte Rutee in ihrem eigentümlichen Akzent, den er auch nach all den Jahren nicht zuordnen konnte.
„Das Imperium hat uns angegriffen, als wir Firrerre erreicht haben“, erklärte er. „Wir wurden aus dem Hyperraum geworfen. Nicht alle haben es überstanden…“
„Ein Container kam auf mich zu“, begann die Zabrak mit belegter Stimme zu erzählen. „Bevor mir schwarz vor Augen wurde, war mein letzter Gedanke: Ich werde genauso sterben wie mein Bruder.
Aber dazu war es nicht gekommen. Sie hatte Glück gehabt. Trotzdem wurde der Sanitäter bei ihren Worten wieder ernst. „Überlass solche Gedanken meiner Seite der Familie. Und versuch, dich noch ein wenig auszuruhen. Du—“
„Du siehst furchtbar aus“, unterbrach sie ihn mit ihrer üblichen Direktheit. Obwohl sie noch immer elend klang, musste er beinahe lachen. „Wann hast du das letzte Mal geschlafen?“
„Ich bin es noch immer gewohnt, länger ohne Schlaf auszukommen. Und die Krankenstation muss ohnehin besetzt sein“, versuchte er sich an Ausflüchten. Aber er konnte an ihrem Blick sehen, dass die Zabrak sie ihm nicht abkaufte.
„Ich bin sicher, andere können mir auch beim Schlafen zusehen. Geh ins Bett! Ich will mir nicht auch um dich Sorgen machen…“ Rutee schloss wieder die Augen und es war abzusehen, dass sie bald wieder einschlafen würde, um die Folgen des Bacta endgültig abzuschütteln.
„Einverstanden“, lächelte der Klon und küsste sie auf die Stirn, ehe er sich von seinem Platz erhob. Rutees Mundwinkel hoben sich, als sie es sich unter der Decke gemütlich machte. „Ich sehe dich in ein paar Stunden.“

Es fiel ihm noch immer schwer, sie allein zu lassen. Doch zumindest konnte er sicher sein, dass seine Gefährtin auf dem Weg der Besserung war. Bleierne Müdigkeit hatte seine Glieder erfasst, aber Beskhar hatte in jahrelangem Training gelernt, diese Zeichen zu ignorieren – und noch war er nicht alt genug, dass diese Techniken nicht mehr funktionierten. Trotzdem würde er Rutees ‚Bitte‘ beherzigen. Nur vorher noch einen kleinen Umweg über die Cantina machen, um ein weiteres Grundbedürfnis zu stillen, auf das ihn sein Magen beim Verlassen der Krankenstation vehement aufmerksam machte. Die Schiffsmesse war spärlich besetzt – vorwiegend von Personal, das im Moment nichts zu tun hatte – und einzelne Gruppen hatten sich zum Gespräch zusammengefunden. Das heutige Gericht war ein brauner Eintopf, dessen Bestandteile der Klon besser nicht hinterfragte. Er selbst hätte es nicht besser machen können und es würde zumindest seinen Hunger stillen. Normalerweise sah das Essen an Bord um einiges besser aus, aber der Koch hatte gewiss seine Gründe. Sei es, dass er rationieren wollte und daher die spärlichen Zutaten bis zur Unkenntlichkeit verkochte – oder dass einige Kühleinheiten zu lange ausgefallen waren und die Lebensmittel nun verbraucht werden mussten. Der Sanitäter suchte sich einen leeren Tisch, da ihm gerade nicht nach langen Gesprächen zumute war, und machte sich in aller Ruhe über seine Mahlzeit her.
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