#9
Senzos Bewegungen wurden ruhiger, sein Muskeltonus senkte sich und der Blick des Mannes schien ihn auch endlich wahrzunehmen. Beskhar lockerte seinen Griff, doch er stützte seinen Patienten weiterhin, damit er nicht plötzlich in sich zusammensackte. Noch immer wirkte Senzo wie durch den Wind, doch das war angesichts seiner letzten Erinnerungen wohl auch nicht verwunderlich. Die Descryer hatte ihn in bewusstlosem Zustand aufgenommen und dies war das erste Mal, dass er während seiner Zeit an Bord zu sich gekommen war. Die Umstände waren… nicht die besten. Auf die Frage des Mannes, der scheinbar in erster Linie an das Wohlergehen seiner Heimat dachte, antwortete der Sanitäter mit einem halben Lächeln, wie es unter seinesgleichen üblich war. Er konnte diese Haltung allzu gut nachempfinden und es rührte uralte, bittersüße Erinnerungen in ihm.

„Ja“, sagte er mit warmer Stimme. „Alui ist wieder ein Teil der Republik.“ Er gab Senzo einige Momente, um über diese Worte nachzusinnen. So bedauerlich es war, den Mann sich selbst zu überlassen – sobald er sich beruhigt hatte, musste Beskhar sich um den nächsten Verletzten kümmern. Noch immer gab es genug Nachschub von verschiedenen Stationen des Schiffes und mittlerweile waren einige aus ihren eigenen Reihen aufgebrochen, um sich um die nicht transportfähigen Fälle zu kümmern. Zerknirscht schob er abermals den Gedanken an Rutee beiseite. „Legen Sie sich bitte noch einmal hin.“ Um seine Worte zu unterstreichen, senkte Beskhar seine stützenden Hände in Richtung des Bettes, ehe er den Mann losließ. „Ich muss mir ansehen, ob die Wunde noch immer ordentlich verschlossen ist.“ Das Bacta sollte ganze Arbeit geleistet haben, doch der Sanitäter wollte nicht riskieren, dass die Panikattacke doch noch Schaden angerichtet hatte. Routiniert suchte er nach Anzeichen innerer Blutungen oder eines erneuten Wundaufrisses, konnte aber keine finden. Er legte dem Mann eine Hand auf die Schulter. „Ruhen Sie sich aus, das ist im Moment Ihre einzige Aufgabe. Umso eher kann ich Sie aus dem Bett entlassen. Brauchen Sie noch ein Beruhigungs- oder Schmerzmittel?“ Senzo hatte vermutlich lange genug geschlafen, doch Beskahr wollte ihm zumindest die Möglichkeit offen lassen, angesichts der Hektik auf der Station etwas zur Ruhe zu kommen.

Callio ließ sich unterdessen von Zabines Protest nur wenig beeindrucken. Wer keine ganzen Sätze mehr zustande brachte, war auf der Krankenstation eindeutig richtig aufgehoben. Bedauerlicherweise konnte die Krankenschwester auch nicht allein entscheiden, ob jemand bereits wieder erholt genug war, um sein Bett zu verlassen – und gerade schienen alle Ärzte mit anderen Patienten beschäftigt zu sein. „Die Betäubung wird noch eine Weile anhalten. Sagen Sie mir Bescheid, sobald Sie wieder Gefühl in Ihrem Arm bekommen“, merkte Callio an, während sie den Bioscan durchführte. Das Ergebnis sah zufriedenstellend aus. Von der Armwunde und einer leichten Gehirnerschütterung abgesehen schien es der Pilotin den Umständen entsprechend gut zu gehen. Nur ihr Oberteil war wohl dahin. Dennoch würde man sie wahrscheinlich für einige Stunden zur Beobachtung hier lassen, bis Blutverlust und Schwindelgefühl sich gelegt hatten. Zumindest war Zabine ansprechbar und sogar zu kohärenten Sätzen fähig. Sie würde sich ganz gewiss schnell wieder erholen.

Callio hielt in ihrem Reflextest inne, als die Arkanierin – nun als dritte Person innerhalb kurzer Zeit – fragte, was eigentlich passiert war. Mit einem Mal war der Krankenschwester ihre Schulterprellung umso bewusster und ihre Bewegungen wurden etwas steifer, als sie mit gedämpfter Stimme antwortete. „Wir sind bisher genauso ratlos. Auch wenn schon einige Crewmitglieder von der Brücke bereits hier sind, müssen wir sie erst—Kvilsh!“, unterbrach sie ihre Erklärungen überrascht und blickte zum Eingang der Krankenstation, in dem soeben die rechte Hand von Captain Muutal erschienen war. Der Selkath schien das Ereignis gut überstanden zu haben und machte sich nun offenbar ein Bild der Lage. Soweit möglich, breitete sich erwartungsvolle Stille im Raum aus. Zum Glück ließ der Mann sich nicht bitten und gab eine knappe Zusammenfassung der Lage. Auf der Krankenstation konnte keiner beurteilen, ob die Situation geschönt war oder nicht. Doch so, wie die Dinge standen, war es schon drastisch genug und sie konnten anscheinend froh sein, dass sie nicht bereits alle tot im Raum trieben. Callios Miene verfinsterte sich – und sie war nicht die einzige, die vermutlich gerade so manchen inneren Fluch gegen das Imperium durchging. Ein Lazarettschiff anzugreifen! Wie tief wollten diese Leute eigentlich noch sinken? Doch andererseits, wenn man bedachte, was sich das Imperium im Laufe der Jahre alles geleistet hatte, war das Schicksal der Descryer vermutlich nicht mehr als ein Tropfen im Ozean.

Die gemeinsame Empörung und Fassungslosigkeit schweißte die Besatzung noch einmal stärker zusammen. Zumindest hatte Beskhar diesen Eindruck, als er überall im Raum Blicke auffing, die das gleiche zu sagen schienen. Chakaaryc, hat das Imperium nichts Besseres zu tun?“, murmelte der Klon und schüttelte verbissen den Kopf. Für den Moment konnten sie an der Lage nichts ändern – vielleicht der Macht oder was auch immer danken, dass es sie nicht schlimmer getroffen hatte. Immerhin leben wir noch! Das kann nicht jeder von sich behaupten! Was ihre Station anbelangte, war es im Augenblick am effektivsten, einfach weiterhin wie am Fließband zu arbeiten – so lange, bis die anderen Stationen wieder mit zusammengeflicktem Personal besetzt waren. Wenn ihnen die Descryer bis dahin nicht um die Ohren flog, war schon einiges geschafft.
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