#2
Irgendwo verschollen im Weltraum in der Nähe der Koda-Station…

So ein Mist! Nun konnte man nicht sagen, dass Trou Muutal Ärger und Probleme nicht gewohnt war. Im Gegenteil, und eigentlich machte der Konflikt das Leben doch auch erst irgendwie lebenswert. Aber es gab diesen Unterschied zwischen Problemen und… wie auch immer man die Situation nennen mochte, in der sie sich hier gerade befanden. Das Letzte, woran sich Trou aktiv erinnert hatte, bevor ein riesiger Schatten die Sicht verdunkelt hatte, war, dass seine Flosse instinktiv auf den Schalter gedroschen hatte. Gerade als sich die Sterne wie immer zu wunderschönen Streifen gezogen hatten, war da dieser laute Aufprall und dann kamen ihm bereits Decken und Wände gleichermaßen entgegen. Danach waren nur noch passive Eindrücke vorhanden – vor allem das laute Platzen der Schilde binnen einer Sekunde war ihm ebenfalls noch in Erinnerung geblieben; ein, wie er zugeben musste, bemerkenswertes Geräusch, wie von einer platzenden Seifenblase, das war die erste merkwürdige Assoziation, die sein Gehirn in dem Moment noch für einen Bruchteil hatte, ehe alles losgegangen war. Nur sehr, sehr viel lauter.

Trous Knochen schmerzten, an irgendeiner Kante hatte er sich offenbar den Schädel oberhalb des linken Auges und seine linke Flosse aufgeschlagen. Sein erstes Mal Aufstehen war zwar erfolgreich verlaufen – zumindest für ein paar kurze Sekunden, dann hatte sein Gleichgewichtssinn ihm einen Streich gespielt und er war erneut auf der Seite am Boden gelandet. Irgendwie war er zum Sensorterminal gekrochen und hatte sich daran wieder hochgezogen und so festgehalten, dass er zumindest nicht mehr ohne Weiteres umkippen konnte, auch wenn die Sterne in seinem Kopf immer noch wirr umeinander flogen. Verschiedenste Meldungen wurden ihm in der Erwartung gemacht, dass er sie sofort verstehen würde, also schüttelte er ein paar Mal den Kopf, um das taube Gefühl von Watte in seinem Schädel abzustreifen – was mehr schlecht als recht gelang. Transmitter und sämtliche Kommunikation, Waffen, Schilde, alles weg. Am Schiffscomputer waren vermutlich nur durch die vielen simultanen Aufgaben, die er gleichzeitig im ersten Moment zu erledigen hatte, nur irgendwelche Leitungen im Wege der Sicherung herausgeflogen, um Schäden durch Überhitzung zu verhindern, oder schlimmstenfalls durchgebrannt, was sich austauschen lassen würde - hoffentlich zumindest. Falls er doch durch den Einschlag beschädigt worden sein sollten, weitete sich ihr Problem in eine größere Katastrophe aus. In dem Fall war die Chance, dass sie den noch einmal fit bekommen, gleich Null. Kleinere Reparaturen wie durchgeschmorte Kabel oder einzelne Komponenten würden sie dagegen vermutlich noch einmal notdürftig hinbekommen. Zumindest so weit, um zum nächsten Anzeichen zivilisierten Lebens kommen zu können. Was auch immer das sein mochte. Sobald… irgendetwas funktionierte, würden sie es vielleicht noch herausfinden.

Ein paar Meter neben sich fanden Trous Augen plötzlich einen umgefallenen Stuhl, der wohl irgendjemandem gehören musste. Andererseits schien niemand derzeit Anstalten zu machen, ihn wieder nutzen zu wollen, also watschelte er mit einer Hand an der Wand in dessen Richtung, stellte ihn wieder aufrecht und… ließ sich dann einfach darauf fallen. Zu seiner Erleichterung hielt der Stuhl das aus und brach nicht einfach durch, was sowohl äußerst peinlich als auch lästig gewesen wäre. So streckte er nur beide Füße von sich und lehnte sich weit zurück, so weit es die Lehne eben zuließ, und saß dann erst einmal etwas sinnlos an der Wand, während sich auch alle anderen erst wieder von den zahllosen Überschlägen des Schiffes wieder erholten. Die Gleichgewichtsstörungen waren immer noch nicht fort, eigentliche gerade Wände verbogen sich noch immer in wirre Richtungen, wie sie vielleicht hin und wieder an Bord eines Calamari-Schiffes zu finden waren, von denen Trou aber wusste, dass sie hier eigentlich nicht sein sollten – insbesondere wenn die Biegungen von einer Richtung in die andere wechselten und er auch merkte, dass sein Kopf immer wieder etwas mitdriftete. Erneut versuchte er, das Gefühl abzuschütteln, doch es war nur leicht besser. Da keiner nach einem verlorengegangenen Stuhl fragte, blieb Trou schließlich aber einfach sitzen.
„Alle so weit in Ordnung hier?“
Ein leichtes Raunen verschiedener Leute als Antwort, halb bestätigend, halb beschwerend, die meisten davon etwa in dem Zustand wie er selber. Doch ein paar schienen sich auch schwerer verletzt zu haben, so dass Trou einige der Besatzung in besserem Zustand damit beauftragte, diese zur Krankenstation zu bringen, um sie untersuchen zu lassen. Als sich die ersten Grüppchen bildeten, kam auch Trous Freund Kvilsh, der das Geländer, das er lange Zeit fest umklammert gehalten hatte, inzwischen losgelassen hatte, und deutete mit einem Finger in Richtung von Trous Kopf.
„Das sollte sich auch jemand anschauen“, meint der Selkath in dem für ihn typischen recht stark akzentuierten Basic, wenn er versuchte, die Laute zu imitieren.
„Ja, ja. Nachher dann“, winkte Trou ab. „Ich… bleib erstmal sitzen.“
„Gut, das geht auch.“ Kvilsh verzog das Gesicht leicht, was immer etwas gruselig wirkte, aber inzwischen wusste Trou, dass es die Selkathform des Lächelns darstellte.
„Die… wollten uns wirklich rammen?“, fragte Trou ihn dann noch immer fassungslos, während er sich vorsichtig über den warmen Schnitt am Schädel strich. „Sind bei denen eigentlich alle völlig irre?“
„Nun ja, Alderaan?“
„Ist ein Argument.“
Trou brummte missmutig und verengte die Kugelaugen etwas. Sie hatten… unverschämtes Glück gehabt. Das war ihm bewusst. Die imperialen Modular-Kreuzer waren im Verhältnis zu ihrer kleinen Fregatte geradezu riesig und hätte der spitz zulaufende Bug des Schiffes sie richtig getroffen, wäre nicht viel von seiner Scholle übrig geblieben. So wie es gelaufen war, vermutete Trou, dass die Descryer schon ein Stück weit nach vorne beschleunigt hatte und damit der Kreuzer sie „nur“ noch achtern getroffen, mit etwas Glück vielleicht sogar nur gestreift hatte. Aber selbst dann, allein, dass sie jetzt hier irgendwo im Nichts gelandet waren, war tatsächlich auch nur Zufall. Es war ein enormes Risiko gewesen, als Trou den Sprungschalter betätigt hatte, ohne dass die Berechnungen abgeschlossen waren. Mit etwas Pech hätten sie auch in einem Asteroiden, Planeten, einer Sonne oder noch weitaus unschöneren Weltraumphänomenen landen können. Nun waren sie aber, soweit ein Blick aus dem Panoramafenster dies aussagte, einfach nur in der weiten Leere des Weltraums gelandet und trieben dort vor sich hin. Trou seufzte. Der Umstand wiederum, dass sie nicht mehr auf Lichtgeschwindigkeit waren, sondern immer wieder stetig an Geschwindigkeit verloren hatten, konnte wiederum eigentlich auch nur eine einzige Sache bedeuten. Ein paar Meter neben ihm drückte der Lieutenant Fiss, der Navigator, immer wieder auf einen Knopf. Nichts passierte. Der Cathar knurrte kurz, drückte noch ein paar Mal darauf, ein sich beständig wiederholendes Geräusch, das bald schon zu stören begann. Aber an der Reaktion erkannte Trou bereits einige Schritte entfernt, dass das nichts Gutes bedeuten konnte. Wie erwartet drehte Fiss seinen Kopf zur Seite, um den Calamari-Kommandanten anzusehen.
„Captain?“, fragte der Cathar hilfesuchend und unterbrach das Gespräch der beiden kurz.
„Nein. Ich komme nur rüber, wenn die Nachricht nicht lautet, dass der Antrieb auch nicht mehr geht.“
„Hm“, machte Fiss nur und schwieg daraufhin. Still verschränkte er die Arme und blickte tonlos auf seinen toten Bildschirm. Mit einem Seufzer ignorierte er den Mann. Damit war auch das also geklärt. Da der Funk tot war, konnten sie auch keine anderen Sektionen im Schiff mehr erreichen. Es war also erst einmal kritisch, sich überhaupt einen Überblick über das Schiff geben zu lassen. Alles in allem bestand sogar weiterhin die Möglichkeit, dass ein großer Teil ihres Hecks überhaupt nicht mehr existierte.
„Ich schau mal im Hangar vorbei und…“, begann er, dann überlegte er sich aber anders und stoppte noch einmal. Wichtig waren in so einer Situation vor allem erst einmal zwei Dinge: Kommunikation und Erreichbarkeit. Trou entschied sich daher, dass es das Beste war, wenn er auf der Brücke blieb, weil – falls irgendeine Sektion Probleme hatte – sie ihn eben auch genau hier vermuten würde. Ein netter Nebeneffekt war, dass er sitzen bleiben konnte.
„… oder du machst das besser. Schick da die Jäger raus. Die sollen sich den Schaden von außen mal genauer ansehen, ehe wir auf die betroffenen Decks achtern gehen, das ist sonst zu gefährlich. Wir können eh nirgendwohin, ehe wir das nicht genauer wissen.“
„Geht klar. Ich schaue mir das und komme dann wieder.“
„Danke. Ah, und geh noch mit den anderen zur Krankenstation mit und erkundige dich, wie sie das Ganze überstanden haben oder ob sie was brauchen.“

Kvilsh nickte nur knapp, machte ein paar Schritte davon, dann blieb er aber noch einmal stehen und betrachtete Trou skeptisch.
„Augenblick - ist das mein Stuhl?“
„Hm? Was? Nein nein“, grinste Trou schief und scheuchte seinen Freund mit der Flosse davon.
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