#12
Welch peinliches Selbsteingeständnis die Sephi doch abgab, so plötzlich sie Vergangenheit von der Gegenwart trennte, ganz allein durch die Macht der Erinnerung. Denn war es nicht das, was sie just in diesem Augenblick durchlebte? Es schien beinahe wie eine Uraufführung eines Lichtspiels, so deutlich und klar schienen Bilder zu sein, nicht für die Hexe, nein, keineswegs, sie musste sich damit begnügen hinter dem Projektor zu stehen und das Band einzulegen: durch ihre Worte, durch subtile Lenkung dafür Sorge tragen, was gesehen wurde. Die Mimik der kleinen Jedi diente der verborgenen Puppenspielerin dahingehend wiederum als Reflektor, als Anzeiger ob und vor allem wie sich diese heraufbeschworenen Erinnerungen niederschlugen. Direkte Kommunikation war keineswegs so wichtig wie allgemein angenommen. Oftmals ließ sich durch eingehende Beobachtung mehr lernen. Mimik war echter, nicht so sehr von Täuschung zersetzt wie das gesprochene Wort. Es mochte unterstützend wirken, durchaus, dem Kunstwerk den geeigneten Rahmen geben das es in der abschließenden Betrachtung erst vollkommen machte. Dieses kleine Eingeständnis zur Selbstüberschätzung, etwas, an dem alle fühlenden Wesen mehr oder weniger stark krankten, vermittelte also auch Eindrücke auf die Vergangenheit und so wie es die Hexe sah, wie sie es beurteilen konnte, schien sich in diesem Teil des Herzens eine kleine Sehnsucht zu manifestieren. Der Wunsch zurück zu dem was war, das Versagen mit der heutigen Erkenntnis rückgängig zu machen. Aber das war nicht möglich und diese Hoffnung war so Uralt, wie das Leben selbst. Der Fehler war notwendig, die Imperfektion, das Unvollkommene machte flexibel. Wer sich anpasste überlebte auch dort, wo es nur schwer möglich war. Wer sich der eigenen Unvollständigkeit bewusst wurde, für den barg jedes neue Wissen einen hohen Gewinn an Macht und Verständnis. Es benötigte weitaus weniger Zaubertricks und Superwaffen als diese verdrehte Galaxis ahnte. Mächtig war jener der verstand wie diese Galaxis zusammenhing, von welchen Faktoren Gedeih und Verderb abhingen und wie sich diese zu eigenen oder übergeordneten Zwecken manipulieren ließen. Und die Macht, jene Mystik die alles Verband, konnte einem verstehenden Geschöpf diese Einsicht vermitteln. Stück für Stück, so sehr, wie es sterbliche Augen verkraften konnten. "Und vielleicht hattet ihr damit Recht.", bestätigte sie die Sephi. Unerwartet? Vermutlich. Viele Schulmeister hätten an dieser Stelle getadelt doch letztlich konnte an diesem arrogant anmutenden Ausspruch tatsächlich die Wahrheit haften. "Denn die Macht wird ihre Fragen stets nur an Euch richten und es ist Eure Aufgabe sie zu beantworten, nicht die Eures Mentors." Ein Meister, ein Mentor, man mochte es nennen wie man wollte, lehrte lediglich die Macht einzusetzen, er lehrte was einem Jedi in direkten Konfrontationen gefährlich werden ließ, er lehrte wie ein Schwert zu führen war doch stets nur ungenügend das philosophische Wesen der Macht. Stets nur nebulöse Ausflüchte dahingehend, was die Macht alles sein konnte und wie sie sich niederschlug. Am Ende waren diese Mentoren nur Trainer, Sparringspartner, die ihre Schützlinge mit dem Mysterium allein ließen oder deren Geist mit Dogmen vergifteten. Doch wenn das Mysterium nie erforscht, nie begriffen wurde, wie kann ein Dogma dann richtig sein? Die simple Antwort darauf lautete: gar nicht. Denn es ging nicht darum zu erforschen und zu begreifen. Es ging darum jene gewonnenen Kräfte dazu einzusetzen, die weltlichen Geschehnisse zu kontrollieren und eine elitäre Spitze zu bilden die über Recht und Unrecht entschied. Ein Weg, den sowohl Jedi als auch Sith nur zu gern beschritten.

Und war es dann, unter Berücksichtigung dieser Gedanken tatsächlich ein Lob, ein Vorteil mit den Miraluka verglichen zu werden? Es entstand die Frage, ob es überhaupt besser war lediglich die Macht als Augen und Ohren zu besitzen, so von ihr abhängig zu sein. Prinzipiell verweilte die Hexe auf ihrem Standpunkt, für die Einschätzung eines anderen Wesens bedurfte ein Jedi seiner Augen nicht. Gewöhnliche Kreaturen besaßen die Macht der Trennung, selbst jene, deren Sinne geschärft waren konnten sich bis zu einem gewissen Grad von der Macht distanzieren und sich aus ihrem Wirbel lösen. Miraluka... nun, Miraluka waren auf ewig darin gefangen. Es hieße der stetige Strudel des Hyperraumes würde jedes Wesen in den Wahnsinn treiben, das zulange hineinblickte und war das Spektrum der Macht dem Hyperraum nicht irgendwo verblüffend ähnlich? Und wenn ja, was sagte es dann über die Miraluka aus? War die Spezies letzten Endes vielleicht sogar bewusst oder unbewusst von der Macht geblendet worden? Wie es auch sein mochte, das stete Wandeln in der Macht war eine Belastung für Körper und Geist und diese permanente Belastung ließ nur wenige Schlüsse zu: die Miraluka waren in den Jahren mehr und mehr abgestumpft um es zu ertragen oder sie hatten sich zu wahrhaftigen Meistern entwickelt, was die Inquisitorin bislang allerdings bezweifelte. Ob ein sensibilisierter Sinn also schlechter war als eine gewöhnliche naturgegebene Gabe blieb eine Streitfrage, die sich nicht klar beantworten ließ. Nur Schmeichelei war es ganz sicher nicht und dennoch bedurfte dieser Punkt keiner genaueren Erklärung. Die Jedi würde es eines Tages begreifen oder ihr das Gegenteil beweisen - sollte es nun kommen wie es wolle. An dieser Stelle aber war es bedeutungslos darüber zu debattieren und mehr noch, eine unnötige Ablenkung von dem, was eigentlich zählte.

"Dafür, dass Ihr alle Geschöpfe der Macht in Eure Auffassung mit einschließt.", beantwortete sie die Frage nach der Ursache des Dankes. "Viele Eurer Brüder und Schwestern im Orden hätten den Weg des Schwertes gewählt... eine fatale, dumme und kurzsichtige Wahl. Ihr habt ein wenig mehr Weitsicht bewiesen." Der Kopf der Hexe senkte sich vor, wo das Feuer der schwarzen Flamme in den Augen glomm und unbarmherzig jene der Sephi fixierte. "Ich frage mich nur...", fuhr sie fort, "...ob diese Weitsicht der Feigheit oder der Überzeugung entspringt." Vielleicht kannte die Inquisitorin die Antwort bereits, nein, Furcht oder Unterwürfigkeit hatte sie bei dieser nicht gespürt und wichtiger noch, ein solcher Makel hätte ihren Wert enorm geschmälert. Verängstigte Wesen bot die Galaxis zu Hauf. Diese Aussage war lediglich ein Köder, ein einzelnes Korn, dass ein verschrecktes Küken ein wenig hervorlocken sollte, damit es sich mehr zeigte, mehr öffnete. Als dies war auch mit Gewalt möglich, aber die Ergebnisse würden sich erheblich voneinander unterscheiden. Marmor wollte vorsichtig behandelt und bearbeitet werden, bevor ein Kunstwerk darauf entstand, es war keine Frage von Minuten, von übertriebener Hast. Geduld und gegenseitige Kooperation waren jene Tugenden, die an dieser Stelle gefragt waren.
Ein kleines Grinsen kroch in ihr Gesicht, als das Wort Meister sich den Weg in ihr Gehör bahnte. Vesperum als Meister? Ein... gewagter Gedanke. Denn zeichnete sich eine Meisterschaft nicht durch ein gewisses Maß Vollkommenheit aus? Eine gewisse Weisheit? Doch dies waren keine Eigenschaften, die man dem Sith-Lord zugestehen konnte, nein. Eher mochte er sein wie ein ungezogenes KInd, das in seinem Jähzorn gefangen mit Mächten spielt, die es nicht begreift. Ein Spiel mit dem Feuer, das am Ende jenen verbrannte, der mit dem Zündeln begann. Mitleid verdiente ein solches Geschöpf nicht, denn wenn das Feuer es erst verschlang, so fand es Erlösung vom Schrecken seiner Existenz. "Philosophien lassen sich nicht so einfach tilgen, kleine Jedi. Ein Meister... ist er gewiss nicht und ich brauche keinen Meister mehr. Ich bin der Ansicht, dass er mich nichts mehr lehren könnte, dass bedeutsam für mich wäre...", echote sie die einstigen Worte der Sephi und versuchte den Gesichtsausdruck ihrer kurzen Verlegenheit zu imitieren - ein Unterfangen, das mehr darin resultieren mochte wie eine entstellte Karikatur des Originals auszusehen. Surrealität war kein Zauber der Macht, es bedurfte dafür weitaus weniger: Mimik und Stimme, mehr war nicht vonnöten um eine bereits vergangene Szene in einen neuen, sonderbaren Licht zu wiederholen.

Und als was betrachtete sich die Hexe? Eine interessante Frage, selbst wenn die Aussage der Sephi mehr ein ungenügendes Ausweichmanöver darstellte, ein Resultat vielleicht, der eigenen Unsicherheit eine konkrete Antwort zu geben. Ob nun aus Scheu oder weil sie sich kein Urteil anmaßte - zumindest noch nicht. Auch sie selbst vermochte dies nicht klar zu beantworten. Zwar war sie philosophisch nicht an den Orden der Sith gebunden und betrachtete sich nicht als solche, nein, verspürte nicht einmal jenen Gottkomplex, der Vesperum heimsuchte, aber sie war auch nicht mehr ganz das, was gemeinhin als Mensch bezeichnet wurde. Eine Kreatur der Zwischenwelt, eine Reflexion aus den Sphären der Schatten, vielleicht ein flüchtiger Eindruck dessen, wie Dunkelheit noch sein konnte. Die Grausamkeiten waren bedeutungslos - jeder Pfad verlangte Opfer, ob Selbstlosigkeit oder Grausamkeit spielte nur in der Moral eine Rolle, in der Theorie aber, war ein Weg immer von Verlust gesäumt. Wichtig allein war der Umstand, dass sie noch Herrin ihrer Gedanken war und bewusst Entscheidungen fällte - im Gegensatz zu vielen anderen verwirrten Geistern im Dunkeln arbeitete ihr Geist einwandfrei.
"Keines?", antwortete die Inquisitorin prompt mit einer Gegenfrage. "Warum glaubt Ihr wohl seid Ihr hier? Auf diesem Schiff? An diesem Ort?" Die Lider senkten sich und ihr Geist sank in die Macht. Vor dem geschlossenen Auge bildeten sich kleine klebrige Fäden wie von einem Spinnennetz, die sich gierig zur Maske auf dem Boden streckten, bis sie zwischen den klebrigen Fäden hing. "Hätte ich Euch tot sehen wollen wärt Ihr mit Eurer Welt verbrannt." Ein kurzer Ruck durchzuckte die Macht, als alle Fäden am Objekt hingen, ganz so, als wurde eine am Boden liegende Gliederpuppe plötzlich in die Höhe gereckt. Nun hing das Elfenbein wieder zwischen ihnen und die Augen der Hexe stierten durch den Totenschädel. "Und hätte ich Euch Brechen wollen, wärt Ihr mit mir zum Imperator gekommen." Sanft und ruhig holte die Inquisitorin nun die Fäden ein, mit das starre Antlitz die kalte Schale wieder auf die Haut presste. "Ich habe Euch versteckt, damit Ihr überlebt, damit Ihr eine Chance habt - wie auch immer sie aussehen mag."
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