#10
Was als notwendig erachtet wurde und was nicht, war allen voran eine Frage des Standpunktes. Der persönliche Blickwinkel - man mochte es auch Geschmack nennen - entschied darüber unter welchen Umständen Konfrontationen wie diese stattfanden. Anders formuliert war Notwendigkeit die Abstinenz von essentiellen, wie auch immer gearteten Dingen, die gewissermaßen das eigene Wohlbefinden ausmachten. Das dadurch der Seelenfrieden anderer gestört werden mochte, stand derzeit noch nicht zur Diskussion, denn die Hexe hatte entschieden sich nicht zu wehren, sondern sich vorerst mit ihrer Rolle als beobachtendes, in mancherlei Hinsicht, wie eben jetzt, fühlendes Wesen abgefunden. Für eine Gestalt, die den Exodus aus dem sozialen Gefüge angetreten hatte, war diese Erfahrung gleichsam erholsam und erfrischend und obgleich sie nicht sagen konnte, dass ihr dieser Umstand generell zusagte, so war es doch seltsam, dass ein Wesen, dass nach gängigen philosophischen Interpretationen ihr natürlicher Todfeind war, sich abseits von Kampf für ihre Person interessierte. Der Unterschied mochte darin liegen, dass diese kleine Sephi es verstand zwischen Glaubenden und Glauben zu differenzieren - selbst wenn Reah in diesem Punkt heftigst widersprechen würde, denn einer philosophischen Struktur ließ sie sich ganz sicher nicht zuordnen. Und doch würden die vage gehaltenen heiligen Schriften einiger Orden sie anhand einiger Eigenarten einem genauen Feindbild zuweisen können. Und hier nun tat sich die Kluft zwischen gewöhnlichen Jedi und der Sephi auf. Sie urteilte dieses Wesen vor ihr, dass eindeutig eine Kreatur der Dunkelheit darstellte, nicht ab. Ihr Licht brannte weniger mit der fanatischen Flamme wütender Glaubensritter, als vielmehr mit einer gewissen Neugier. Und Flammen steckten sich an, ob sie nun mit Licht oder Dunkelheit brannten war kaum von Bedeutung. Denn auch das Interesse der Inquisitorin war geweckt, erst auf Firrerre und nun hier. Diese unscheinbare Jedi mochte schwerer zu durchschauen sein als so mancher Meister - obgleich sie sich natürlich steuern ließ, die Aktionen der Hexe verdeutlichten dies. Aber ihre Motivation blieb verborgen und noch wichtiger, wenn nicht faszinierender befand sie die Tatsache, dass es keinen Ausbruch der Verzweiflung gab. Zweifellos ein Individuum, dass seine Zeit wer war, mehr noch, wenn man sie einfach gewähren ließ, sie nicht in den Schlund des Dunklen hinab ziehen würde. Reah hatte weder ein Interesse an einem eigenen Ebenbild, noch an weiteren Sith oder niederen Kriechern.

Die Hexe wartete regungslos. Hilflos. Sie saß in ihrem eigenen Bannkreis, unwillens sich zu wehren und die zarten Wogen der Macht, die auf sie zukamen abzuschmettern. Ihre Lider schlugen herab und verschlangen die feurigen Pupillen - nur schwärze blieb in den Augenhöhlen des Elfenbeins zurück. Ein Totenschädel. Langsam setzen die Fesseln der macht mit ihren Widerhaken an und begannen daran zu ziehen. Vielleicht erkannte die Sephi nicht, dass auch das, was sie versuchte mit aller Gewalt herunterzureißen ein Gesicht war. Es mochte sein, dass sie vom Irrglauben getrieben wurde, einem unwahrscheinlichen Wunsch, unter der starren Totenfratze ein normales Menschengesicht zu finden - obwohl sie es besser wusste. Oder gab es tatsächlich Personen, die sich die zersetzten Abgründe der dunklen Seite freiwillig ansahen, obwohl sie bereits so deutlich zu spüren waren? Wie dem auch sein mochte, all dies spielte nur eine untergeordnete Rolle, denn letztlich gelang es diesem unbeholfenen Ziehen sich durchzusetzen. Die Hexe verfolgte den Strom der Macht im Geiste und selbst wenn es nur Vermutungen waren,so gab er doch einen Rückschluss über diese Jedi. Die praktische Beherrschung dieses Flusses stellte sich bestenfalls als... instabil heraus. Ein klein wenig Druck würde bereits genügen, das Band zu trennen und sie scheitern zu lassen. Aber dies war nicht irgendeine Akademie, in der Heranwachsende im ständigen Wettstreit mit ihren Fähigkeiten standen, nein, dies hier war ernst und die Hexe neigte nicht dazu ihre Fähigkeiten zur Schau zu stellen, nur um ihre überlegene Beherrschung der Macht deutlich zu machen. Der Storm riss ruckartig ab und die Lider schlugen wieder auf. Zumindest war sie nicht an ihrem Versuch gescheitert, obwohl es ihr offensichtlich erheblich an Übung mangelte. "Ihr habt Eure Ausbildung nicht beendet.", stellte der Schatten nüchtern fest, ohne zu tadeln, machte aber gleichsam kein Angebot etwas an diesem Zustand zu ändern. Das Studium der Macht war vom eigenen Fokus abhängig und trotz der Tatsache dass der kämpferische Aspekt in diesen unruhigen Zeiten nicht zu Gänze vernachlässigt werden sollte, so war er nicht die einzige Möglichkeit zu überleben. Schlussendlich folgte der Schatten nur weiter diesem Weg: Freiheiten lassen.

Reah wog die folgenden Worte der Sephi in ihrem Geist, nach Wahrheit und nach Wunschvorstellung. Ja, Gesichter konnten wie Bücher, wie Gemälde sein, Kunstwerke, in denen man zu lesen vermochte. Eine hohe Kunst, doch vorwiegend von jenen angestrebt, denen es nicht vergönnt war mit den Augen der Macht zu sehen. Der Körper war... unwichtig. Eine Schale, ein Kokon für die Auswüchse, die im Geiste reiften und die sich durch die Hülle nicht erkennen ließen. Das äußere Antlitz konnte täuschen, denn bestenfalls war es ein Indiz dafür, welcher Preis für übernatürliche Mächte bereits gezahlt wurde und doch lieferte dieser Ansatz nur ungenügende Informationen um eine Person tatsächlich einschätzen zu können. "Die Miraluka würden Euch widersprechen.", erhob die Demaskierte das Wort und brachte ihren Einwand vor. Diese kleine Kritik, dieser kurze Anstoß, mochte ziellos im Raum stehen, es waren keine Worte, die treffen sollte, nur ein kleiner Ansatz - vielleicht das undeutliche Aufzeigen, dass die als allgemeine Weisheiten angedeuteten Worte der Sephi, letztlich doch nicht mehr waren als ein egoistischer Wunsch, der sich zufällig damit deckte.

Ihre Augen senkten sich wieder, hinunter zum Elfenbein, während eigenartige Worte in ihr Ohr drangen. Diese Jedi war definitiv einzigartig unter ihresgleichen. Es waren die Details, die diesen Unterschied verdeutlichten, die Feinheiten, die wie in der Musik eine schöne Melodie erst zu einem Meisterwerk erhoben. "Euresgleichen?" Der Schatten wankte, das Kerzenlicht ließ ihn wild an der Wand flackern, als eine sanfte Brise die Flamme erfasste. Die Worte fielen in das innere Mausoleum, wo sie von den nackten Wänden widerhallten. Galt diese Bezeichnung nicht Wesen, die sich in einer Gemeinschaft gegenüberstanden? Nur war dies hier nicht der Fall, nein, gemein allein war ihnen beiden, dass sie auf jenes seltsame Energiefeld zugreifen konnten, dass als "Macht" bezeichnet wurde und selbst in diesem Punkt unterschieden sie sich in der Kunst der Beherrschung. Zwar empfand die Hexe diese Worte keineswegs als Herabwürdigung, musste sich aber vor sich selbst eingestehen, dass sie eine solche Einschätzung, eine solche Art der Betrachtung überraschte - deutlich überraschte. Ihre Mundwinkel zuckten kurz, als hätte sich ein dunkler Blitz darin verirrt und zu neuer Funktion angeregt. Aber die Energie reichte nicht aus. So leicht machte man aus Reah Nigidus keinen Menschen und sei es nur deshalb, weil sie gar kein Mensch sein wollte, kein gewöhnliches Wesen. Auch die Schatten besaßen ihre eigenen Reiz, ihre eigene Schönheit - solange man den größeren Monstern und Dämonen aus dem Weg gehen oder sie im Hinterhalt zermalmen konnte. "Eine seltsame Wortwahl... danke."

Die eigentliche Frage aber, traf wie das Malleus Maleficarum, der Hexenhammer und weniger weil es ihr persönlich Schwierigkeiten bereitete aus ihrer Vergangenheit zu erzählen, als vielmehr aus dem einfachen Grund, darauf ein Individuum zu formen, etwas, dass diese gewichtige Frage in der angemessenen Art und Weise beantworten würde. Vielleicht gab es auch keine Antwort, sondern nur individuell unterschiedliche Sichtweisen, die es zu erkennen galt. Mit anderen Worten: es hing vom Blickwinkel der Sephi ab, wen sie am Ende sah. "Ihr werdet feststellen, dass Euch die Entscheidung obliegt, als wen oder was Ihr mich seht." Manchmal war es leichter Geschichten in leere Gesichter wie dem Elfenbein zwischen ihnen zu schreiben, Geschichten, die sich sauber trennen ließen, weil ihnen verschiedene Gesichter zugrunde lagen. Doch jetzt ging das nicht, jetzt musste sie eine Erklärung anbieten, einen Einblick in die wirren und komplexen Strukturen ermöglichen, in denen sie sich bewegte. In die eingesetzt wurde, als ein weiteres Ersatzteil für den Notfall. "Reah Nigidus, imperiale Agentin der Inquisition, verantwortlich für das Aufspüren und anschließende Ausschalten oder Brechen nicht gemeldeter McH-Fälle... Machtnutzer." Dies klang offiziell, zackig und ohne Ausschmückungen, so typisch imperial, so karg wie das Innenleben dieser Zelle. Und tatsächlich steckte nicht mehr dahinter, das war es, was sie tat, was ihre offizielle Beschäftigung anging. "Die Inquisition untersteht als Sonderabteilung zwar dem Geheimdienst, erstattet für gewöhnlich jedoch nur dem Imperator persönlich, derzeit Darth Vesperum, Bericht." Dies war ihr Arbeitgeber, wenn man so wollte, die Gestalt, nein, weniger die Gestalt, eher das Amt, dass ihr ihre Aufgaben zu wies und dem sie wiederum rechenschaftspflichtig war. Eine Pflicht, die sie vernachlässigte, stark vernachlässigte, um ein Wesen zu schützen, dass kaum mehr die einfachsten Techniken der Macht beherrschte. "Seit kurzem nun auch Lady der Sith, genannt Darth Maledice.", beinahe geflüstert kamen die letzten Worte, ihre Pupillen weiteten sich ob aus Furcht oder Faszination schien unklar zu sein. "Davor... war ich ein Kind, ein Jedi, dunkler Jedi des alten Imperators, Mörderin." Dies war die Lage, einfach und sachlich, ohne einem Teil der Vergangenheit nachzutrauern, ohne sich zu betrauern. Sie konnte mit dem Leben was sie war, selbst wenn es nie gänzlich ihre freie Entscheidung war zu dem zu werden, das sie darstellen mochte. Die Lider schlossen sich wieder. Die Hexe schwieg und wartete. Auf weitere Fragen, auf einen Abschluss durch die Sephi. Sie hatte Geduld und würde die Fragen beantworten. Dies war das Versprechen.
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