#26
Orbit von Atrisia, Supersternenzerstörer Abaddon

Beobachtende, tuschelnde Phantome - standen sie nicht seit jeher hinter der dünnen Fassade aus Spiegelglas und linsten mit neugierigen, funkelnden Augen in das Geschehen der Welt dahinter? Hinter vorgehaltenen Händen flüsterten sie, diskutierten Aktionen und Reaktionen in einem Universum, das von der Mehrzahl der Individuen als Realität bezeichnet wurde. Es waren Stimmen aus einer Zwischenwelt, vielleicht lag ihr Ursprung im Wesen der Macht, vielleicht waren es auch nur einzelne Fragmente der Seele, so tief im Unterbewusstsein eingesperrt, in finstere Höhlen gedrängt, dass ihr Dasein sowohl beängstigend als auch befremdlich wirkte. Verstand und Missstand prallten mit unbändiger Kraft gegeneinander und doch komplettierten sie die Facette erst. Auf eine Aktion folgte ein Kommentar, auf eine Reaktion ein Urteil, auf ein Urteil die Einsicht - bis der Kreislauf sich zu wiederholen begann, ganz wie ein Drache, der sich selbst in den Schweif biss. Dies hier war ähnlich. Urteile konnten viele Formen annehmen und es lag im Ermessen des Angeklagten sie als solche zu erkennen und einzuordnen. Sie wirkten nicht immer sofort, so manches Mal verging eine erhebliche Zeitspanne vom Urteilsspruch bis hin zur Erkenntnis, von der eigentlichen Vollstreckung ganz zu schweigen. Die rätselhaften Spiegelwesen definierten sich klarer, als würden sie sich bereitmachen ein Schmierentheater, eine Parodie der Wirklichkeit in den absurden Untiefen der Gedanken aufzuführen. Wesen lernten durch Beobachtung, durch Imitation und manche Dinge, wurden ebenso wieder verlernt. Oder anders: sie wurden versteckt. Begraben im inneren Seelenfriedhof, verscharrt in dunkler, tiefer Erde, über der ein dichter Nebel lag. Undurchdringlich auf den ersten Blick, aber doch nicht unbezwingbar. Nun gestaltete es sich in der Realität so, dass doch ein jedes Wesen die Gabe der Erinnerung besaß, die Fähigkeit Geschehnisse zu rekapitulieren und Erkenntnisse daraus zu ziehen. Eine Gabe zweifellos, die Reah Nigidus nur zu selten einsetzte, sie häufig nicht einmal in Betracht zog um Probleme, um Konflikte zu lösen. In diesem Moment aber, schien es Gerechtfertigt. Weder hatte sich die Hexe Sedraels seltsame Gebaren erklären können, noch gelang es ihr ein Verständnis für selbige aufzubauen. Sie hatte Dankbarkeit erwartet, einen Hauch von Gegenverständnis , zumindest aber die Erkenntnis, dass diese Reah Nigidus, keineswegs eine so schreckliche Person war, wie man auf den ersten Blick glauben mochte.

Doch wenn es unmöglich war, ihr Verständnis entgegen zu bringen, so hatte sie dennoch gehofft, offenbar töricht mit dem Gedanken gespielt, das Sedrael ihr doch zumindest vertrauen schenken könne, wenn schon keine Sympathie. Dies war der Bruchpunkt, die Stelle, an der die Phantomwesen ihre absurde Parodie des jüngsten Ausdrucks von Zuversicht an Sedrael abbrachen, wo das Glas sprang und scharfe Scherben nun am Boden lagen. Einige mochten sich in die Haut schneiden, mochten Wunden reißen und das Blut zum Vorschein bringen. Erinnerungen. Blut war rot, nicht schwarz. Blut war rein, nicht mit Seuche und Pestilenz versetzt. Seuche. Dies war der Haken, der Haken der sie beide fest und gefangen hielt. Das Splitterglas zeigte das Zerrbild Firrerres, vor dem inneren Auge drehte es sich, wie ein Präparat, dass sie gezielt nach Anomalien absuchte. Firrerre war der Stein des Anstoßes gewesen, hier lag der Ursprung ihrer Beziehung und ebenso die Leichen, die der Beginn gefordert hatte. Das Mahlwerk des Geistes setzte sich mühselig in Bewegung und holte einige Bilder zurück. Eines blieb bestehen, jene Frage Sedraels, ob sie den Planeten verschonen würde und ebenso beständig wie einst lautete auch ihre Antwort darauf: Nein. Doch diese Antwort war älter als ihre Bekanntschaft mit Sedrael, sie hatte nie ernsthaft daran gedacht den Planeten zu verschonen, hatte nie mit dem Gedanken gespielt das Siechtum noch länger zu dulden. Entscheidend aber war, dass die Hexe angenommen hatte es würde Sedrael nur verhältnismäßig wenig ausmachen. Sie hatte nie einen übermäßig starken Gedanken daran verschwendet eine Jedi und dafür hatte Reah sie an dieser Stelle gehalten, würde zu einem Planeten und seiner Bevölkerung eine starke emotionale Bindung aufbauen, erst recht nicht, wenn sie selbst nicht einmal zur dominanten Spezies gehörte. Wenn dieser Planet überhaupt jemals ihre Heimat war, denn augenscheinlich war sie doch nur eine Sephi. Hier nun lag der Kern des Übels, vom schwarzen Blut der Hexe besudelt, das daran haftete wie finstertes Pech. Man konnte es nicht abspülen, sich ebensowenig davon befreien. Was die Pestilenz sich erst einverleibt hatte, das gab sie so schnell nicht wieder her. Vielleicht traf dies sogar auf Sedrael selbst zu.

Der Sith Vesperum hatte sie nicht bekommen und das würde er auch nicht, nicht ohne ihren erheblichen Widerstand. Andere Kreaturen konnten ähnlich wie Vesperum sein, so ihnen die Motivation vorausging ihr Dinge wegzunehmen, die ihr guttaten. Vielleicht hatte ihre Sephi es bemerkt, vielleicht blendete sie es auch bewusst aus, so, wie die Hexe eine Vielzahl an Eigenheiten ausblendete oder verschleierte, doch Reah mochte Sedrael, sie mochte dieses seltsame Geschöpf, selbst, wenn sie es nie zeigte. Selbst wenn diese Sympathie nur einseitig vorlag, es störte Reah nicht, nicht, solange sie nicht dazu gezwungen war sie zu teilen. Dies mochte die Angst in diesem Verhältnis sein, die unbekannte Variable. Was, wenn Sedrael begann sich von ihr wegzubewegen, was, wenn sie damit begann sich für andere Leute zu interessieren, wenn sie Reah zurückließ. Allein. Dies war er, der Anker, der die Seele an den Abgrund kettete. Sedrael war das, was keine Gesellschaft ihr bislang mehr bieten konnte - ungezwungene Unterhaltung. Reah hatte bislang nicht das Gefühl gehabt sich übermäßig verstellen zu müssen, selbst wenn sie ihre Aussagen mit nebulösen Ausflüchten kaschierte und selbst jene Gewohnheit war vielleicht mehr ihrem deformierten Charakter, als tatsächlicher Absicht zuzuschreiben. Es entstand nie das Gefühl sich für Ansichten und Haltungen rechtfertigen zu müssen. Solche Dinge kamen und gingen. Gewissermaßen, so ließe sich sagen, hatte die Hexe Sedrael nie ganz als lebendes Individuum begriffen, sondern eher als eine Art besonders gelungene Puppe, etwas, das selbst unter großem emotionalen Druck nicht bersten würde und das ihr Spiel, so wenig es der Puppe auch gefallen mochte, dennoch perfekt mitspielte. Puppen aber, hatten keine Angst vor ihr, Puppen zuckten nicht zurück aus Angst, der gierige Finstergeist könnte ihnen die Seele rauben. Das Mahlwerk klemmte, zwischen den zahlreichen Zahnrädern, die ineinandergriffen hatte sich nun ein Korn verfangen, dass die Maschine stottern ließ.

Wie zu erwarten. Der Flatterwicht war eben doch kein Froschkönig und konnte der zarten und doch faulig-süßen Hand nichts abgewinnen, welche die Dame ihm so willig entgegengestreckt hatte. Nun sei es drum, letztlich blieb ohnehin anzuzweifeln, ob eine derartige Erfahrung ein Genuss gewesen wäre und wichtiger noch, lenkten andere Dinge ab. Offenbar hatte sie Sedrael überfordert oder sie vor eine Aufgabe gestellt, zu deren Erfüllung es ihr erheblich an Übung mangelte. Schmierentheater, ein wenig Lug um Betrug um den straffen Behördenapparat zu verwirren und doch entweder zu kompliziert, oder aber die Sephi war schlichtweg Unwillens sich den Gegebenheiten anzupassen. So oder so - die Hexe hatte nicht vor sich übermäßig lange daran aufzuhalten und entschied kurzerhand die befremdliche Kreatur in jenen Käfig zu bannen, der ihm eher Zustand als der Hangarraum, dorthin wo er nicht störte, dorthin wo weder sie noch Sedrael waren. Mit knappen Worten und wedelnder Hand scheuchte sie das Flattervieh hinauf zur Brücke, sollte die Crew sich mit banalen Protokollfragen befassen, ihr eigener Geist lag ohnehin in weitaus undurchsichtigeren Gewässern versteckt, weitab von jenen Wesen und ihrem einfach leeren Leben. Die Hexe drehte sich nicht um, entschied sich dagegen Sedrael anzusehen und blickte stattdessen starr in den Weltraum, das Blickfeld nicht mehr vom seltsamen Veron Horington blockiert.
"Ich war vielleicht etwas vorschnell.", gab die Hexe der Sephi gegenüber unentwegt zu, selbst wenn sie nicht erklären konnte, für was zu schnell. Verzeihen? Akzeptanz? Dies schien zu versinken in diesem dunklen Morast, der ihr Blut war. Reah war nach wie vor vollkommen bewusst, dass sie kein Mitleid verdiente und dennoch, paradoxerweise musste sie zugeben, dass es sich ein Teil von ihr wünschte, ein Teil, der überdrüssig war die Schurkin zu spielen, ein feiger Teil, der sich nicht rechtfertigen wollte sondern als ein Opfer der Umstände sah. "Und dennoch...", begann die Stimme erneut, doch nun mahnend und mit kalter Schärfe, "...solltet Ihr Euch etwas mehr Mühe geben, Agentin. Ihr tut das nicht zu meiner Unterhaltung, sondern um euretwillen. Je länger es Euch gelingt unaufällig zu bleiben, je besser Ihr euch anpasst, desto länger wird es dauern, ehe man Euch, ehe man uns erkennt."


Orbit von Atrisia, Modular-Kreuzer Celsius

Ehrenvoll salutierte Iphris vor dem altgedienten Offizier und offenbar viel tatsächlich ein wenig Sorge von ihr ab, nun wo sie ihn sah. Es war tatsächlich Vaash. "Captain Iphris Haraam.", stellte sie sich knapp vor, "Ich grüße Sie, Flottenadmiral." Der Arm der Kuati senkte sich und sie nahm eine etwas entspanntere und lockere Haltung ein. Ein kurzer Fingerwink zu ihren Brückenoffizieren signalisierte, dass das Schiff wieder in den regulären Patroullienmodus versetzt werden konnte. "Verzeihen Sie die Störung Admiral, die Lage ist gerade ein wenig...", sie seufzte schwach und entbehrte ein kurzes schiefes Lächeln, "...chaotisch. Es gab einen Kommandowechsel im Flaggschiff Abaddon. Veron Horington hat den kommandierenden Offizier Roman Stratis abgelöst.", erklärte sie. Iphris war sich nicht sicher, ob Vaash der Name Horington etwas sagte und ohnehin bemerkte sie, wie ihre Gedanken wieder in eine Richtung gingen, die Stratis für diesen günstigen Auswechsel verdammen wollten. Sie fasste sich und blickte zurück in das Hologramm. "Der Captain kam kurz vor Ihnen an und befindet sich mit der Inquisitorin in Hangarbucht A-38. Wenn Sie erlauben Sir, schlage ich vor, dass Sie sich auch dorthin begeben. Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit Inquisitorn Nigidus würde ich meinen, dass auch Sie nicht wirklich wissen warum Sie hier sind und um was es geht?" Die Kuati lächelte mild , ein kleiner Einstand, man konnte sagen Vorgeschmack auf das, was ihn erwarten mochte. Vaash würde sich daran gewöhnen müssen mit spärlichen und eigentlich absolut nutzlosen Informationen operieren zu müssen, die die Inquisitorin nur häppchenweise verteilte, da sie offenbar annahm, dass ihre Gedankengänge für alle umstehenden logisch zu schlussfolgern wären. Aber es gab Hoffnung, vielleicht würde Vaash ein wenig ändern, frischen Wind in die Kommandostruktur bringen. Wenn schon nicht das, so war er immerhin ein Motivator für die Mannschaften, jemand, der sie ganz anders Stratis und Nigidus auch begeistern und mitreißen konnte - selbst wenn er dabei schlussendlich nur Nigidus fragwürdigen Pläne umsetzen würde. Für Iphris war oftmals nicht immer das Was entscheidend, sondern das Wie. "Ich gewähre Ihnen Hangarfreigabe. Schön Sie dabei zu haben, Sir."
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