#64
Ysanne Isard hob das Kinn leicht an, noch während ihre Augen zusammengezogen waren, was ihr eine ungewohnt arrogante Note gab. Die Inquisitorin schien den Datenstick geradezu als Schatz zu betrachten, dessen wertvoller Inhalt bald preisgegeben werden konnte. Eine kleine, armselige Gestalt mit einem viel zu großen Ego, das in der Kindheit entweder zu viel oder zu wenig geprügelt worden war. So oder so war ein fast bedauernswertes Wesen daraus geworden, womit sie in bester Gesellschaft ihrer Kollegen des Inquisitorius war. Aber, ja. Wie sie gesagt hatte. Nicht die Gesunden waren die Gefährlichen, es waren immer die Verrückten. Und so mochte es auch hier sein. Wirre Variablen schwebten vor dem kruden, sinnlosen Geist dieser Frau, der mehr Bestie als Verstand zu sein schien.

Irgendetwas ließ Isard im Inneren verkrampfen. Ihre Gesichtszüge verhärteten sich etwas, unklar, woher dieses seltsame Gefühl kam, das sie gerade beschlich – so anlasslos und plötzlich, wie es kam. Widerspruch? Widerstand? Nichts, was logisch erklärbar war. War es etwa genau das? Sie war es schließlich nicht gewohnt, dass wirklich jemand etwas in Frage stellte, zumindest nicht unter Bedingungen wie diesen hier. Doch das frostige Lächeln ihrer Gegenüber schien so selbstüberzeugt, dass Isards Inneres für einen Augenblick mit dem schier unmöglichen Gedanken spielte, dass sie selbst einen wichtigen Faktor in diesem Kartenspiel übersehen hatte. Hatte die Frau irgendeinen besonderen Trumpf im Ärmel, einen, mit dem die Direktorin nicht gerechnet hatte? Eine einfache Narrenkarte, die sie hervorzauberte und plötzlich Isard in eine Situation brachte, die sie überhaupt nicht mehr kontrollieren konnte? Das war in Anbetracht der Situation eigentlich kaum vorstellbar. Sie hatte sämtliche Sicherheiten, ein Entkommen gab es nicht. Und niemand würde sein Leben als so wertlos einschätzen, dass er etwas außerhalb jeder Vernunft tat. Oder… doch? Isard räusperte einmal, als das eigenartige Gefühl in ihr nicht weniger wurde und sie sich dem Sog in sich Platz verschaffen wollte. Dieses… Ungeziefer wagte es, Forderungen aufzustellen? Wagte es, ihr dieses Mal ganz offen zu drohen? Das war auf eine obskure Weise interessant – vielleicht sogar bewundernswert. Doch auch Bewundernswertes musste hin und wieder zerschlagen werden. Die Inquisitorin besaß weitaus zu viele rebellische Gedanken, die es auszutreiben gelten würde. Vermutlich war ihr die fragwürdige Beförderung, die ihr Vesperum hatte zuteilwerden lassen, zu sehr ins Blut gegangen – und so hatte der Imperator eine Kreatur erschaffen, die er jedoch nicht gebändigt hatte. Ein Fehler. Einer, den es zu korrigieren galt. Auf die eine oder andere Art. Wieder änderten sich die Parameter. Wenn Vesperums Bestiarium mehrere derartige Kreaturen hervorbrachte, mochte das künftig zu einem größeren Problem werden als es eine einzelne Schreckensperson wie Darth Vader seinerzeit gewesen war. Nicht nur für die Kontrolle über das Imperium als Ganzes, sondern speziell auch für Vesperum selbst. Das mochte die Beseitigung dieser Elemente am Ende vielleicht sogar einfacher machen als Isard es bislang erwartet hatte. Immerhin wäre es gleichermaßen in seinem persönlichen Interesse. Aber nur ein Narr fuhr eingleisig und sicherte sich nicht in mehrere Richtungen ab – daher war ein solches Unterfangen für die Zukunft interessant, aber nicht für jetzt. Nichtsdestotrotz mussten Dinge geklärt werden.
„Ihr seid überhaupt nicht in der Pos-“, begann die Direktorin gepresst, aber ihre Stimme versagte zu ihrem eigenen Erstaunen mitten im Wort, als der Druck in ihrer Brust zunahm. Die Inquisitorin sprach vom Tod, streckte ihr einen wütenden Finger entgegen, aber die Geräusche klangen inzwischen nur noch dumpf in ihrem Ohr, in Watte gepackt. Isard blickte auf ihre blutrote Uniform hinab, so als vermutete sie eine Schuss- oder Stichverletzung in ihrer Brust, fuhr sich mit einer Hand schließlich über die gepresste Stelle. Doch es war nichts, wie erwartet. Und dennoch war da etwas, etwas, das Isard so bislang nicht erlebt hatte. Somit gab es auch nur eine Erklärung dafür. Für einen kurzen Moment weiteten sich Isards Augen in purer Panik, dass Nigidus wirklich so wahnsinnig war, ihr eigenes Leben wegzuwerfen, nur um Isard zu beseitigen. Erst nach einem Moment setzte die Ratio ein und erklärte ihr, dass sie das in diesem Fall bereits getan hätte und nicht nur damit drohen würde. Stattdessen wollte sie nur die Bedingungen ändern und ihre Unverzichtbarkeit in Isards Spiel betonen. Die Brauen der Direktorin zogen sich zusammen und in ihrem nach unten geneigten Gesicht machte sich nun stattdessen Ärger breit. Denn offenbar überschätzte die Inquisitorin ihre Wichtigkeit für die Direktorin. Isard hatte viele Möglichkeiten, Dinge herauszufinden, Dutzende Agenten, die nach Vesperums wahrer Vergangenheit stöberten, vielleicht Hunderte in der Reiseflotte des Imperators. Coruscant. Byss. Früher Onderon. Sie bekam ihre Informationen. Früher oder später. Die Feinheiten der Macht waren ein kleines Puzzlestück in ihren Untersuchungen – ein Extra, das mehr Verständnis bringen konnte, aber keineswegs so unverzichtbar war, wie das Ego ihrer Gegenüber offenbar annahm. Viele Quellen ergaben ein Bild. Der Ausfall einer einzelnen Quelle war notfalls vernachlässigbar, wenn diese mehr Ärger brachte als potentiellen Nutzen. An diesem Prinzip nagte die Inquisitorin gerade, doch noch war Nutzen da. Langfristig hatte er sich erledigt, aber für den Moment existierte er – zumindest wenn sie Grundpfeiler allen Beteiligten klar waren. Offenkundig waren sie das nicht. Das ließ sich indes nicht ändern, zumindest aber verdeutlichen.
„Einverstanden“, schnaubte Isards blasses Gesicht abfällig hervor und sie hob ihren eiskalten Blick in das Gesicht einer Feindin, jedoch nur kurz. In der Tat, manches kam, ohne es vorherzusehen. Dann blickte Isard für weniger als eine Sekunde zu Reahs Rechten. Schwarzes Plastoid glänzte im Augenwinkel. Instinktiv, ohne überhaupt nur einen Bruchteil darüber nachzudenken, riss der Schattentruppenoffizier neben Reah sein Vibroschwert aus der Scheide. Der Schwung des Schwertzückens ließ den ungepanzerten Ellenbogen des Jedi-Killers hart in die Schläfe der Inquisitorin neben ihm dreschen, während er noch in der Ziehbewegung das Handgelenk drehte und so die nach unten geneigte Klinge durch die Luft in die Höhe surrte, wo sie zwischen Handgelenk und Unterarm des ausgestreckten drohenden Arms schnitt. Ein feiner roter Faden benetzte die Sicht, noch bevor das Gehirn durch den Aufprall an der Schläfe gegen den Schädel prallte und alles im Schwarz verging.
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