#30
Konnte sich Vaash vorstellen, dass es keinen Staat mehr gab? Nichts mehr, für das man sterben konnte oder kämpfen musste? Keine Politik, der man diente? Konnte sich Vaash vorstellen, dass alle Völker zusammenfanden, um einen Frieden zu teilen? Konnte sich der alte Mann vorstellen, dass es keinen Tod gab, sondern nur die Macht? Keine Hölle, die sie verfolgte? Vielleicht konnte er dies. Vielleicht war da mehr in ihm als die alte Hülle eines Offiziers, welche immer marschierte, im Gleichschritt des Staates. Politik war Gift für ihn, wie für alle seiner Klasse, welche nach Ehre suchten. Explosion, wie Turbolaser-Einschläge, durchzogen seinen Geist. Gedanken sprangen von einem Punkt zum anderen. Dunkelheit zeichnete sich ab. Auch hier keine Antworten. Keine Träume oder Visionen, sondern wieder nur Handlungen. Einfache Befehle, ohne Inhalt. Die Vorstellung wollte nicht mehr besitzen, nicht mehr triumphieren, sondern nur noch Entkommen. "Ich verstehe," fiel locker aus seinem Mund, wie ein militärischer Flugkörper aus einem Bombenschacht. Dieser zerschellte am Boden, löste nichts weiter aus; ein Blindgänger, wie die hoffnungsvolle Sehnsucht, dieser Lage zu entkommen. Wie schön wäre der Gedanke, die Vorstellung, dass es keinen Staat und keinen Krieg mehr gab. Verlockend diese Sehnsucht, einfach nach Hause zu gehen. Ein Traum, welcher nicht geträumt werden durfte. Weiter kämpfen, weiter töten - für diese Illusion von Staat, welche im Grunde nur Grotte eines Dämons war. Vaash wusste, hatte gesehen, was Vesperum war. Grausam war die Erinnerung und diese vermischte sich mit dem Angesicht des Momentes. Reah Nigidus. Was war sie? Eventuell genau das gleiche Geschlecht von Dämonen, Abgöttern, aus dem tiefsten Kreis der Hölle? Warum teilten sie diese Galaxis mit solchen Geschöpfen? Der Alte, er hatte viel auf seinen Reisen zwischen den Sternen geschehen, aber nichts war derartig, wie diese Machtnutzer. Abartige Monster, Kreaturen ohne Seele, so schien es. Haraam konnte nicht ahnen, was wirklich in ihm vorging. Nicht wissen, was er wusste. Er war es, welcher die Pforte der Hölle aufgerissen hatte, um ein sterbendes Reich zu retten. Gerettet hatte er es, vorerst aber alle wussten, wenn man einen Vertrag mit dem Teufel schloss, dass die Seele als Preis gefordert wurde. Und hier war sie. Auf diesem Trip, auf dieser Reise verloren in makaberen Kreis von Ironie. Von einem Machtnutzer zum Nächsten. So einfach und so grausam. Folgsamkeit und Eide waren bessere Ketten als Durastahl-Fesseln. Tiberius versuchte an den nächsten Tag zu denken. Den nächsten Moment, um dieser einen Sekunde Furcht zu entfliehen. Er fürchtete sich. Sein ganzes Herz raste und pumpte Blut in seine Augen, welche den Captain, eigentlich eine schöne Frau, anstarrten. Ihre Bewegung, ihr Schulterzucken, ja, sie war ähnlich hilflos, wie der Alte. Die Trommelnd es Krieges schlugen wieder, langsam aber beständig. Der Rythmus ließ beide ohne großartige Bewegung tanzen. Hier und bald in dieser sinistren Mission. Beide taten nichts anderes als zu dienen. Wie Stratis nun bei Kuat, und er mit Haraam hier.

"Ein Komplott? Ich werde dies mit dem Leiter dieser Operation besprechen, Captain." Mut aus Furcht. Seine Stimme war klar, gefasst und militärisch. Immer auf ein Ziel fokussiert. "Ich danke Ihnen. Wir sprechen uns später." In der Tat gab es noch Dinge zu klären, wie Flottenaufstellungen und Umgliederungen in der Kommandostruktur. Doch nicht jetzt. "Ich werde zu dieser...," begann er einen Satz und schaute dabei abfällig zu Boden. "... Inquisitorin aufbrechen." Er blickte wieder auf und nickte Haraam zu, ehrlich. Beide waren sich gleicher oder waren sie gleich gemacht? Der Alte, der Schlachtenlenker, war haltlos geworden. Reah Nigidus war also eigen. Das waren diese Monstrositäten immer. Vesperum war es, also würde sie es auch sein. Also nichts neues für den alternden Kämpfer. "Admiral Vaash Ende." Weiteres war unnötig und man würde später dieses Gespräch vertiefen. Die Verbindung wurde gekappt. Es gab ein Ziel: Handlung. Vaash brach auf, um mit einem Shuttle zum Flaggschiff des neuen Dämons überzusetzen. Seine Hände und Angesicht waren bereits schwitzig, und so versuchte er mit einem Tuch Abhilfe zu schaffen. Dieser Tag würde sicherlich nicht mehr gut enden aber er wäre nicht Tiberius Vaash, wenn er nicht standhaft wäre. Standhaftigkeit war seine Tugend, auch im Angesicht der finsteren Mächte, welche er einst beschworen. Soldaten erfüllten ihren Eid. Auch hier.

Was erwartete ihn? Was kam auf ihn zu? Die wenigen Minuten des Fluges im Lambda-Shuttle verbrachte der Offizier damit, seine Gedanken zu versachlichen, um keine Angriffsfläche zu bieten. Immer wieder tief durchatmen. Nicht schon wieder versagen. Nicht schon wieder, seelisch brechen. Vesperum hatte gesiegt, Nigidus konnte es nicht mehr. Vaash war klar, wo er sich befand und bald befinden würde. In der Hölle.
Offline
Zitieren
 


Nachrichten in diesem Thema