#24
Irgendetwas musste es geben, dass ihn am Leben hielt. Etwas, tief in ihm schlummerte. Nicht, dass er es benennen konnte. Etwas verschaffte Heilung, auch in der tiefsten Pein. Die Kopfschmerzen zogen sich ins Dumpfe zurück, waren nicht mehr präsent. Wie lange konnte man weiter machen? Etwas kollidierte in Vaash, oder um ihn herum. Die Galaxis war ein Strudel, die Partikel zusammenstoßen ließ, um sie weiter zu zerschmettern. Die Gravitation war eine furchtbare Kraft. Eine Kraft, die ihn nicht losließ. Dieser Krieg war sein Sog. Sein schwarzes Loch. Immer weiter. Egal, ob Sinn oder Unsinn sich fanden. Wohin ging er ab hier? Die Brücke war belebt, Mannschaften und Offizieren gingen ihrer Arbeit nach. Machten sie gut. Disziplin und Vertrauen waren seine Stärken gewesen. Tiberius Vaash, Kriegsheld. Kriegshelden gebaren im Kriege und nicht im Frieden. Alles, was er war und sein konnte, war im Krieg. Dabei lag der Krieg wohl in ihm. Dies kollidierte. Vaash heilte nur behutsam, dezent aber die Narben bildeten sich. Ein Offizier stand auf. Erst, wenn man nicht mehr weiter machte, war alles verloren. Was vermisste man? Alles. Den Duft von Blüten, der hier durch altes Maschinenöl verdrängt wurde. Den Geschmack von natürlicher Luft, die hier nur künstlich war. Die Wärme von der Zuversicht, sich nicht in Gewalt zu befinden. Der Alte schmeckte die gefilterte Luft, die zwar brauchbar war aber nur künstlich blieb. Eben jene stehende Luft, die entgegengesetzt zu dem war, was er sich gerade wünschte.

"Admiral," meldete ein Lieutenant aus dem Graben, mit einem eifrigen Blick hinauf. "Wir werden gerufen," wurde die Meldung militärisch fortgesetzt, obwohl die Stimme brüchig war. Scheinbar war die junge Mann nicht mal vollens erwachsen und eher noch Jüngling, um die 19 Jahre. "Die Celsius, imperiale Kennnung, Modular-Klasse." Vaash ging einen Schritt auf den Offizier zu, zog dabei seine Handschuhe an, die aus schwerem Leder, wie es unter Offizieren üblich war. Man rief ihn. Nein, nicht seine Flotte. Die Celsius war zu klein, zu unbedeutend, um die Flotte zu fordern. Es konnte nur ein persönliches Interesse sein. Ansonsten hätte das Flaggschiff einen Kontakt erbeten. Der Alte kannte die Gepflogenheiten des Militärs und konnte viel aus kleinen abweichenden Details lesen. In einem geordneten System, wie der Bürokratie und dem Militarismus des Imperiums, war jedwede Abweichung eine Überraschung. Und Überraschungen waren interessant. Der gut gediente Mann sagte mit noch leicht verrauter Stimme: "Gut, stellen sie eine Holo-Verbindung her." Mit einem großen Schritt trat er vor den Projektor, während der junge Offizier seine Untergebenen mit zwei Handbewegungen anwies, die Anlage zu aktivieren. "Verschlüsselung?" Vaash winkte mit der Hand ab und sagte: "Standard." Der Junior-Offizier nickte und die Verbindung baute sich auf, nachdem Vaash als Figur durch den hellblauen Scanner abgetastet worden war. Helles Licht hatte ihn erfasst, umschloss ihn in seinem seltsamen Kontrast zum Grau der Umgebung. "Admiral Tiberius Vaash meldet," begann er seine Übertragung, verschränkte die Arme vor sich und sein Gesicht war klar zu erkennen. Auch der gediegene, gepflegte Bart eines Seebären.

Was erwartete ihn? Persönliche Kommunikation war ihm fremd, der ansonsten ganze Flotten befehligte. Die Celsius. Ein Modular-Kreuzer. Eine gute Klasse. Er kannte ihre Spezifikationen, wie fast aller Modelle der einst großen imperialen Flotte. Bildung war die wahre Waffe eines Flaggoffizieres. Man musste sich und seinen Feind kennen. Vielleicht kollidierte gerade diese alte Schule mit dem modernen Fanatismus. Vaash war nie Fanatiker, immer nur Funktionsmensch, der sich und seine Flotte schätzte. Niemals die Politik, dennoch hatte er Politik gemacht. Wieder prallten Partikel aufeinander. Systeme neigten dazu, chaotisch zu werden. Chaos war vielleicht die einzige Antwort. Und auch der einzige Ort, an dem wahrlich Wahrheit vorfindbar war. Chaos war grausam aber ehrlich. Der Flottenadmiral blickte zum Projektor. "Celsius, wir hören." Knapp, militärisch aber mit Wärme sprach er diese Worte, lächelte väterlich und kniff kurz die Augen zusammen. Mal sehen, was es zu gewinnen oder zu verlieren gab. Der Alte hoffte auf ein wenig Ehrlichkeit, ein wenig Andersartigkeit in diesem Kampf mit sich, der Galaxis und dieser neuen Aufgabe: Beistand für eine Inquisitorin.
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