#11
Keine Antwort. Varpasi schwieg, fast so, als ob er dem Alten nicht antworten konnte. Ein Schweigen, welches verletzte. Gut, vielleicht tat es gut. Vielleicht kam es zur rechten Zeit daher. Schweigen war die Abwesendheit von Worten; eine Antwort wortloser Geister, die unter Umständen ihre Sprache vor den Schrecken verloren hatten oder zu schwach waren, eine Linie zu ziehen. Der Kriegsveteran fühlte sich, wie ein Kämpfer, der seine Lanze hinabgeworfen hatte und nun von seinem Pferd gestiegen war, um das tote Schlachtfeld zu betreten. Eine innere Leere umschlich ihn. Dies hier war ebenso eine Schlacht - um die Seelen der Soldaten. Illusionen waren geschaffen worden, um Männer sowie Frauen an die Front zu bringen. In diesem Sinne befand sich der Alte im Kampf mit sich selbst. Vaash dachte nach, während er mit jedem Happen die recht salzige Suppe verspeiste. Sein Rücken schmerzte, die Haltung in diesem Hover-Stuhl war nie perfekt gewesen und zeigte nun erste Defizite. Tiberius verzog das Gesicht, während seine rechte Hand instinktiv an seinen Rücken fasste, um den Schmerz nachzuspüren. Eine Geste von Menschen. Alle schienen erheitert, frohlockten, genossen ihre Speisen, als auch Getränke, im Glanze des Saales, welcher mit seinen Bannern und Gold funkelte, wie aus einer fernen märchenhaften Erinnerung. Nur Vaash - und eine andere Person, die gerade aufgestanden war, um hinaus zu gehen, schienen falsch an diesem Ort. Selbst Varpasi passte sich ins Bild ein. Sehr gut sogar. Der Alte mit seinem Rückenleiden, seiner Kriegsverletzung und der Gesamterscheinung fiel aus der Zeit sowie dem Märchen. Der Bart, ein Zeichen, welches er immer noch pflegte, deutete auf seine Herkunft an. Er war alter Raumfahrer, immer gewesen; er war mit der Flotte groß geworden und hing an den alten Werten der Raummannschaft. Männer in Stahlpötten gegen das kalte All. Das war sein Ideal. Männer, die dem All Lichtjahre abtrotzten und neue Gebiete für Lebewesen erschlossen. Eben jene Seelen, die im Geiste immer noch Seeleute waren. Matrosen, Seebären und alte Offiziere mit Vollbart. Zu viel hatte sich verändert. Heute herrschte hier der geleckte Offizierstypus vor. Rasiert, ohne Erfahrung und teilweise nur auf die eigene Karriere bedacht. Stand es so schlimm um das Imperium, dass man Jünglinge zu Offizieren machte? Unreife Männer, die eine Schlacht nie gesehen hatten und oft große Karriere hofften? Die Zeit lief gegen sie.

Der Denkprozess kreiste, wie ein Fliegerschwarm über dem Müllschlucker eines Sternzerstörers. Tiberius Vaash wollte durch die Reihen blickten und sah sich fast bestätigt. Doch man dürfte nicht verallgemeinern, nicht mehr. Vielleicht würde einer dieser jungen Offiziere das Blatt wenden, eine Courage entwickeln, die selbst ihm fremd war. Eine Ehre finden, die sie alle retten würde. Dies war die Hoffnung des Alten, dass einige von ihnen wachsen würden, um ihn, wie die anderen, zu beerben. Er machte sich keine Hoffnungen mehr, lebend aus dem Krieg zu kommen. Noch einen Schlag würde er nicht überstehen. Und so hoffte er wenigstens mit seinem Ende, die Jungen an den Platz zu bringen, damit diese etwas ändern konnten. Kämpfte man nicht dafür? Für die Heimat? Der Alte merkte, dass er ähnlich dachte, wie es die Propaganda lange inszeniert hatte. Ein Kampf um das Überleben. Wir gegen Sie. Grausamen Horden von Anarchisten, Aufrührern und Kriminellen, die alles zerstörten. Ein Kampf, unabdingbar, notwendig aber war er wahr? Lügen gab es überall. Insbesondere hier auf Coruscant und ganz besonders hier in diesem Saal. Dies waren dunkle Zeiten. Ein Zeitalter des brutalen Krieges. In dieser Hinsicht war seine Einstiegserkenntnis nicht falsch. Doch Vaash weigerte sich innerlich ganz dem Fatalismus zu folgen und so diesen jungen Leuten ihre Zukunft zu stehlen. Es war nicht seine Sache, ihnen die Hoffnung zu nehmen. Das taten sie unter Umständen selbst oder garnicht mehr. Das war seine Resignation. Einfach weiter machen. Irgendwas wird schon gelingen.

Der Suppenlöffel wog schwer in seinen Fingern, so dass er ihn ablegte. Ein Brummen drang aus seiner Brust, während er mit dem Stofftuch, welches neben dem Teller lag, seinen Bart abtupfte. Dann hob er die Hand. Ein Diener eilte herbei. "Exzellenz," jappste dieser. "Könnten Sie mich ein Stück vom Tisch ziehen?"(Wie sehr der Alte es hasste, auf diese Hilfe angewiesen zu sein.) Der Diener in Schwarz nickte eifrig, packt die beiden Griffe seines Gefährtes und riss Vaash recht ungeübt, fast statisch, zurück. Die Gläser vor ihm klirrten dabei ein wenig, weil die Bewegung sich fortgesetzt hatte. Sie stürzten jedoch nicht, sondern wankten nur. "Vielen Dank, den Rest schaffe ich alleine." Der Diener entschwand wieder in die Schatten, um die Veranstaltung nicht zu stören. Kurz waren die Blicke aus dem Umkreis auf dem Flottenadmiral. Man hatte nicht erwartet, dass er sich entfernen würde. "Ich bin gleich wieder da," sagte er mehr aus Höflichkeit, denn als wahrhaftige Aussage. Die Honorationen, die man neben ihm platziert hatte, nahmen es hin und aßen weiter. Es war so, als ob er nie existiert hätte. Die Form und Norm war wieder eingehalten. Das war die Kälte des Reiches. Blanker Ordnungsfaschismus, welcher sich allein auf Normen und vermeindliche Werte bezog, die so leer waren, wie die Weinflaschen, die von einigen Boten in die Nebengänge hinausgeschafft wurden. Verdammt - die Gäste besoffen sich in Millionen Litern, so schien es. Vaash konnte kurz einen Blick darauf erhaschen. Ein Seufzen. Ein Festessen zum Abgesang auf eine Idee. Er musste hier raus. Schnell. Frische Luft; vielleicht linderte diese seinen Rückenschmerz. Mit ordentlich Schub düste das Gefährt hinaus durch die Pforte, durch die eben eine junge Admiralin gegangen war. Es war befreiend. Ein Weg, den der Offizier in voller Eile und Ehrfurcht nahm; mit den Gravistrahlen seines Fahrzeugs unter ihm, düste er hinaus; in einen Moment der Freiheit. Ein Moment, der ihm gehörte und nicht der Masse. Dem Staat. Der Marmor reflektierte das Licht seiner Anzeigen und die schwarz-blaue Decke über seinen Beinen wehte munter mit. Es war geschafft. Wind, Luft und Atmosphäre. Ein Himmel entsponn sich über ihm. Es war wohl Abend, da der Himmel sich verfärbt hatte aber das war für Coruscant nichts außergewöhnliches, da auch mal Chemieunfälle den Himmel verfärben konnten. Der Stuhl bremste. Und Vaash blickte auf die junge Admiralin. Wer war sie? Sie hatte Mut bewiesen, die Masse zu brechen und hierher zu gehen. Schön war sie. Auch hatte sie kluge Augen, sofern er dies von hier erkennen konnte. Sollte er sich ansprechen? Nein, er hatte kein Flirtinteresse an ihr. Es war eine Art Verbundenheit der Resignierten, der Flüchtenden - zumindest vor dieser Veranstaltung. Der Alte wartete, blickte noch auf sie, betrachtete den Rauch, der sie umnebelte. Dann fiel sein Blick auf das Glimmen der Zigarette. Merkwürdig aber interessant. Noch sagte er nichts, da er ihre schöne Aura nicht stören wollte, die auch ihn künstlerisch ansprach. Es war eine Szene für sich.
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