#6
In einem Zug leerte Hanaar sein Glas und stellte es lautstark auf die Theke, der Droide hinter der Bar füllte es erneut, sparte aber diesmal an der Menge. Dann richtete der Admiral seine Aufmerksamkeit wieder auf den Mann im Rollstuhl.

"Das ist hier ist doch ein Defiliercour vor der Obrigkeit, meine Teilnahme war also notwendig.", antwortete er zynisch auf die Frage nach seiner Anwesenheit, "Außerdem bietet es vielleicht die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten die letzten Monate noch mal in entspannter Atmosphäre zu rekapitulieren.".

...Die letzten Monate – nichts weiter als eine gezähmte Umschreibung für das, was alle hier mehr oder weniger offen beschäftigte: die Schlacht von Eriadu. Die Niederlage, die allem Anschein nach zum Untergang führen könnte und die für einige schon den Untergang bedeutet hatte. Das imperiale Militär bot keinen Raum für Freundschaften, es bot keine Gelegenheit für private Gespräche und es gab keine Möglichkeit, eine Niederlage aufzuarbeiten, nicht auf mentaler Ebene. Alles war nur nüchterne Strategie und Taktik. Jeder stand alleine im endlosen Meer der Fragen. Offiziere wurden ersetzt, neue Schiffe wurden gebaut und bemannt und eine neue Strategie sollte dann zum erwarteten Sieg führen. Doch niemand sorgte sich um die alten Hasen, die Befehlshaber, die an der Front das Leid hautnah ertragen mussten. Mit einer emotionalen Maske versehen standen sie in vorderster Linie, immer mit der allgegenwärtigen Konklusion behaftet, kühl und unnahbar zu sein.

Eine Maskerade, die zwangsläufig mit der Zeit immer mehr Risse bekam. Das Pathos, welches jungen Offizieren auf der Akademie und später von der Propaganda eingetrichtert wurde, entpuppte sich mit den Jahren als Trugbild. Geschichte wurde immer mit Blut geschrieben, auf den Körpern unzähliger toter Soldaten – so einfach war das.

"Es geht mir den Umständen entsprechend...", antwortete Hanaar und bemerkte, wie seltsam die Frage nach dem eigenen Wohlbefinden war, wenn sie von einem gebrochenen Mann im Rollstuhl gestellt wurde. "...Ich denke, so wirklich zufrieden ist im Moment niemand."

Plötzlich kehrte Ruhe ein und die unterschiedlichen Bediensteten, die zuvor die Offiziere zum Bankett geführt hatten, machten sich auf, selbige sprichwörtlich wieder einzufangen. Auch der junge Offizier, der Hanaar einige Minuten zuvor etwas hilflos mitten im Getümmel hatte stehen lassen, fand den Admiral an der Theke stehend und setzte wieder seinen geheuchelten, devoten,Tonfall auf.

"Alle Gäste sind eingetroffen, das Bankett wird gleich beginnen. Wenn die Herrschaften mir bitte folgen würden."

Hanaar wartete einen Moment und ließ Vaash den Vortritt. Dann folgte er den anderen und ließ sich schließlich seinen Platz zeigen. Neben ihm nahm ein beleibter Offizier platz und warf zugleich einen begierigen Blick auf die verhüllten Teller vor ihnen. Hanaar hatte keinen Appetit, doch die Höfflichkeit verlangte es, zumindest einen kleinen Happen zu essen. Bevor aber die aufgestellten Diener das Essen enthüllen konnten, aktivierte sich ein Hologramm in der Mitte des Tisches und ein Konterfei von Großwesir Sate Pestage erschien.

Der Großwesir hatte sich in eine prachtvolle Robe geworfen und präsentierte sich in selbstbewusster Pose, die Arme kraftvoll hinter dem Rücken verschränkt, den Kopf leicht erhoben und das markante Kinn hervorgestreckt blickte er in die Runde der Anwesenden. Sein Kopf wurde von einem opulenten Hut verziert. Offenkundig war der Großwesir bemüht, sich möglichst überzeugend darzustellen.

"Offiziere des Imperiums, neue Zeiten brechen an", die dynamische Einleitung schallte durch den riesigen Bankettsaal, "denn vor mir sehe ich eine Vielzahl schillernder Persönlichkeiten. Das Imperium musste viel ertragen, doch wie Sie alle sicher wissen, ist ein Weg zur Freiheit und Ordnung immer mit steinigen Hindernissen okkupiert." Pestage machte eine kurze, rhetorische Pause und ließ die Worte einen Moment wirken. Dann setzte er wieder an: "Zweifellos sind einige unter Ihnen, die nicht mehr von der Überlegenheit unseres Militärs überzeugt sind." Hanaar bemerkte, wie eine Handvoll Offiziere für einen Bruchteil von Sekunden beschämte Blicke wechselten, und auch der Großwesir schien sich dieser Tatsache bewusst zu sein, denn seine folgenden Worte hatten den Anschein, als würden sie direkt die Offiziere ansprechen. "Doch wir werden Sie vom Gegenteil überzeugen und mit einem Handstreich die inneren Bedenken und die äußere Arroganz zerschlagen. Bis dahin, meine Herren, bleibt mir nur eine demütige Verbeugung, die ich respektvoll gegenüber allen tapferen Soldaten richten muss, die für unser alle Wohlergehen ihr Leben lassen mussten. Ihr Andenken wird stets gewürdigt werden. Dieses Bankett soll ihnen zu Ehren dienen, es soll symbolisch den Zusammenhalt unseres Reiches repräsentieren. In diesem Sinne meine Herren, wünsche ich Ihnen einen angenehmen Abend."

Das Hologramm verblasste und nahezu zeitgleich lüfteten die Bediensteten das Essen. Eine klare Suppe bildete den ersten Gang und während der dickliche Offizier neben Hanaar lukullisch den Inhalt der Schüssel in sich hinein schüttete, stieg in Hanaar ein Gefühl der Übelkeit auf
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