#2
Wer waren sie schon? Die Verlorenen, die Entbehrlichen, die normalen Soldaten, die im Krieg so schnell, so leichtfertig entsorgt wurden wie Sondermüll. Wer gab ihnen Wertschätzung? Wer machte ihnen Mut? Wer verstand, dass auch sie nur Menschen waren? Nur normale Wesen, die ebenso Angst hatten, ebenso weinen und lachen konnten wie andere? All diese Fragen stellte sich Daro Zen, Vizeadmiral der imperialen Sternenflotte, in dem kleinen Militärshuttle, dass sie von Ord Mantell zur Hauptwelt brachte. Ins Zentrum. Coruscant. Sie hatte diese Namensänderung stets gehasst. Auf die Fragen aber, wusste sie keine Antwort. Vielerorts erwartete man nicht, dass Soldaten sich wie Menschen benahmen, vielleicht hielt der Großteil der Bevölkerung sie auch nur für eine neue Art Klone. Gesichtslos. Eine Nummer statt einem Namen. Und eigentlich war dieser Einschätzung gar nicht zu widersprechen. Der Individualismus war unerwünscht, man setzte auf Gleichmacherei, der Mensch nach Norm, würden es kritischere Stimmen verlauten lassen. Die Soldaten waren nie ganz da, nie ganz real, manches mal mochte man sich fragen, ob die gewaltigen Sternenschiffe selbst es waren, die den Kurs bestimmten, die ihren Besatzungen die Aufgaben zuwies. Aber sie hatten niemanden außer sich, echte Kameradschaft entwickelte sich nur selten, meist nur in den unteren Rängen und verformte sich im Laufe der Karriere schnell in Rivalität. Jeder wollte die beste Nummer im System sein, jeder wollte die eins sein. Narren im Land der Blinden waren sie, die sie alle darauf hereinfielen. Dann kamen die Diskriminierungen, die Diffamierungen und schlussendlich Ernüchterung und Resignation. Alles aufgrund von Spezies und Geschlecht. Sinnlos? Zweifelsfrei, auch wenn es Daro nie laut aussprechen würde. Sie hatte sich damit arrangiert, wie alle. Anpassung oder Aussortierung waren ihre Optionen. Der propagierte Alienhass indes war nur zu leicht durchschaubar. nach den Klonkriegen, nach dem Kampf gegen die großen Konzerne und Handelshäuser, die maßgeblich von Aliens gelenkt wurden, hatte sich das Feindbild praktisch von selbst etabliert. Ihr persönlich bedeutete es nicht viel, wenn es nötig war, würdigte sie fremde Spezies herab, wenn nicht, ignorierte sie sie. Im Leben von Daro Zen spielte es keine Rolle, sie folgte nur der Norm des Systems und war des offenen Aufbegehrens müde. Was übrig blieb waren Stammtischparolen und harmlose Nörgeleien, die schon lange keinen Biss mehr hatten.

Nun war sie hier, auf Coruscant zu einem Anlass, der absurder nicht hätte sein können. Eine Gala-Veranstaltung mitten im Krieg, wo der Norden im Chaos versank und kurz vor dem Kollaps steht und die Südgrenze seit dem Debakel um Eriadu geschwächt ist. zu einem Zeitpunkt, an dem kaum noch jemand an das Imperium glaubte, wo Kriegsherren sich zu Herrschern machten und die Einheit zerrissen hatten. Zu einem Zeitpunkt, bei dem nun deutlich sichtbar wurde, wie sehr das Imperium von einem Palpatine abhängig gewesen war. Vielleicht war es auch einfach nur der Abgesang, der letzte Totentanz vor der Fahrt in die Hölle. Zweifellos würde man sie verbrennen, die Soldaten, die einfachen Schachfiguren. Im Zweifel würde man sie alle opfern. Der Blick in die Zukunft versprach düsteres. Und dann gab es jene, die sich über die Dinge stellten, Soldaten, die gegen Soldaten kämpften, weil sie meinen, sie wüssten es besser. Männer wie Blitzer Harrsk und Tiberius Vaash, Männer, die keine Skrupel besaßen ihre einstigen Kameraden abzuschlachten um politische Umbrüche zu erzwingen. Heute wären sie alle hier, alle in diesem Palast, der den dunklen Schatten über das Imperium warf. Und man erwartete von ihr, dass sie diese Menschen ansah, sie ertrug, zusammen mit der Verwunderung, mit dem Spott, den Rang und Geschlecht mit sich brachten und doch hatte sie kaum eine Wahl. Bösartig ausgedrückt gönnte ihr Sate Pestage als derzeitiger Regent eine psychische Demontage vor dem nächsten Fronteinsatz.

Coruscants künstliches Licht durchbrach die Scheiben des Shuttles und gaukelte Idylle in einer Galaxis des Krieges vor. Durch die Sichtfenster war das geschäftige Treiben zu erkennen, dass einen beinahe glauben ließ, alles wäre normal. Man musste sensibilisiert sein, besonders als Imperialer, um die Unterschiede zu sehen. Es bedurfte eines Blickes unter die Oberfläche, dort, wo es keine Sonne gab, dort, wo der Kessel wahrscheinlich so stark brodelte, wie im Obersektor Glanzjuwel. Dorthin verschwand auch eine Polizeikolonne, tief hinab donnerten sie, um das Gewürm, dass sich wagte das Maul zu öffnen, Phrasen zu dreschen und sich aufmüpfig zu geben, zurück in die Löcher zu prügeln. Und das war noch gnädig. Anderswo kam die Imperiale Flotte, anderswo stand sie auf der Brücke und entschied ganze Wohnviertel zu bombardieren, hundertausende zu töten, wegen einiger Aufständischer. Aber war es ihre Entscheidung? Schlussendlich wohl kaum, es spielte keine Rolle. Wurde der Befehl erteilt, würde es jemand tun. Ob sie sich sträubte machte kaum einen Unterschied. Wie ein Mensch seine eigene amoral ertragen sollte, spielte keine Rolle. Niemand fragte. Niemanden interessierte es, wie man sich jeden Morgen noch im Spiegel ansehen konnte. Sie lebten für die Sache oder starben als Verräter. Und nun würden sie das Tanzbein schwingen, stolz auf das Blut sein, dass an ihrer aller Hände klebte. Alles was blieb war Verdrängung, die unterdrückten Emotionen, Wut, Trauer und Hass in die Abgründe des selbst zu bannen und dort zu versiegeln. Dann setzten die Admirale die Masken auf, Admirale wie sie, und erfreuten sich ihrer Kompetenz, ihrer geschlagenen Schlachten und militärischen Auszeichnungen. Und nichts anderes waren sie: Schlächter. Wenn ein entsprechender Befehl kam, wurden sie Barbaren. Daro kannte die Tarkin. Sie wusste, dass es nicht besser wurde, nur schlimmer. Dass sie es eigentlich nicht mehr aushielt, dass sie schreien, vielleicht weinen wollte, aufgrund der Last, der auf ihr lag. Aber sie machte weiter, schluckte es herunter und konnte sich nur einreden, dass Krieg nun einmal so war. Gerechtigkeit gab es hier nicht.

Das Shuttle war gelandet und Daro trat heraus, gehüllt in eine Galauniform, die sie aber offensichtlich eher unbequem und abstoßend fand, als hätte man sie in einem Theaterstück für eine Rolle ausgewählt, die ihr nicht lag, gesteckt in ein Kostüm, das ihr nicht passte. Mit jedem ihrer Schritte zur Pforte des Palastes wuchs auch das unbehagen, dass sie nicht verbergen konnte. Sie fühlte sich unter unbekannten Offizieren nicht wohl, Offiziere die annahmen, das menschliche Leistungszentrum des Menschen säße zwischen den Beinen und erfülle nicht nur den Zweck der Fortpflanzung, sondern auch die Funktion des Denkapparats. Anders konnte sie sich die Ablehnung schlichtweg nicht erklären, es war lächerlich. Und nun musste sie diesen Käfig voller Clowns einen Abend lang aushalten. Sichtlich niedergeschlagen und beinahe seufzend legte Daro ihre Einladung vor und betrat das Theater des Grauens.
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