#21
Spielte Acchetias Antwort eine Rolle? Nein, eigentlich nicht oder zumindest keine übergeordnete und gewissermaßen war es auch uninteressant was er sagte, wie er dazu stand und welche Emotionen es in ihm hervorrief. Darauf kam es ihr im Augenblick gar nicht an, obgleich Daro derlei Informationen natürlich auch aufnahm und somit registrierte, aber ihr eigentliches Anliegen war weitaus weniger ein Dialog, den sie mit dem ehemaligen Staatschef zu führen versuchte, als vielmehr der Wunsch danach, dass ihr jemand zuhörte. Jemand, der bereit war ihrem plätschernden Gedankenfluss zu lauschen, hier und da vielleicht ein wenig einzuhaken und das stille Lied der Erinnerung mitzusummen, aber keine verbale Auseinandersetzung zweier Kontrahenten - als solchen betrachtete sie Acchetia ohnehin nicht. Vor nicht allzu langer Zeit war er ein Ärgernis, ein jemand, dem man die Schuld geben konnte, jemand auf den sich Versagen abwälzen lies, zu einer Zeit, als er noch im Elfenbeinturm des Oberkommandos saß, dieses abstrakte Gebilde von dem man dachte, dass es die Welt vor der Tür ohnehin nicht verstand oder Begriff. Aber diese Abneigung hatte weitaus weniger mit seiner eigenen Persönlichkeit zu tun, die Daro ohnehin kaum kannte, als vielmehr mit seiner Position. Das Amt war gewissermaßen verhasst, diejenigen undurchsichtigen Menschen, die an ihren Schreibtischen über Leben und Tod entschieden, die Menschen und Material nach Gutdünken durch die Galaxis trieben und der gewöhnliche Feldoffizier hatte sich diesen Entscheidungen einfach unterzuordnen. Und natürlich waren sie alle nur Zahlen auf dem Papier, niemand interessierte sich für die Person dahinter, ihre Sorgen und Ängste, ihre Geschichte - sie wurden praktisch ebenfalls auf ihre Funktion reduziert und man erwartete, dass sie, ähnlich wie eine Maschine qualitativ gleichbleibende Ergebnisse erzielten. Aber Menschen waren eben keine Konstante, konnten und würden es nicht sein, auch wenn es sich die imperiale Obrigkeit noch so sehr wünschte, der Fall würde nie eintreten.
Was sie Leuten wie Acchetia oder nun Kallice dazu also effektiv vorwerfen konnte, war lediglich, dass sie sich haben auf diese Funktion reduzieren lassen - aber jener Vorwurf ließ sich auf jeden im imperialen Staatsapparat Beschäftigten anwenden. Die Ideologie oder zumindest Teile davon, waren das eigentliche Problem, nicht die Menschen, die sich dem unterordneten und sie blind ausführten - bewusst blind ausführten. Jedem war unmissverständlich klar, was geschehen würde, wenn das Gedankengut des Erretters Palpatine kritisch hinterfragt werden würde. Ein Mann zweifelsohne, der nüchtern betrachtet künstlich hochstilisiert wurde. Auf der einen Seite als der nette alte Onkel, während seiner Zeit als Kanzler der Republik auf der anderen Seite der Bezwinger der Großkonzerne, der die geldgierigen Firmenbosse in ihre Schranken wies und als Nemesis der Korruption galt. Einer historischen Überprüfung hielt das Argument nicht wirklich stand - es wurde erst etwas besser, ehe es richtig schlimm wurde und selbst die derzeitige Situation zeigte deutlich, dass sich jeder im Imperium am ehesten um sich selbst kümmerte. Ob nun Moffs oder Senatoren geschmiert wurden war einerlei.

Daro seufzte leise und blies den Cigarraqualm hinaus in die Nachtluft. Acchetias Gegenfrage, ob es bei ihr einmal anders gewesen war, ließ sie zurückdenken. Vielleicht an bessere Zeiten oder zumindest an Zeiten, als ihr die Dinge irgendwie leichter gefallen waren. Möglicherweise ein Umstand der Jugend, Idealismus gepaart mit ein wenig Druafgängertum und Träumereien. Man wollte diese Romantik glauben, auch während der Klonkriege. Die Heldentaten der Klontruppen und einiger bewusst ausgewählter Jedi - sie erinnerte sich noch an die beiden: Kenobi und Skywalker. Während des dreijährigen Krieges waren sie faktisch omnipräsent im Holonet, wurden so sehr mit Superlativen überschüttet, dass man meinen mochte, sie würden den Konflikt im Alleingang beenden können. Ihre Leistungen wurden wohl von einer weitaus jüngeren Daro Zen und gleichaltrigen Freunden eher wie die von Sportathleten verfolgt, wie Superhelden, aus einem Comic-Holo.
Ihre Augen schlugen sich kurz nieder und dann, ja, dann wurde es dunkel in der Galaxis. Dunkel und kalt. Ein schütteln durchfuhr ihren Körper, als sie daran zurückdachte, wie sie jenen Staat bejubelt hatte, der jetzt so finster schien. Fremd geworden auf eine eigenartige Weise. Palpatine hatte eine geeinte Galaxis kreiert und ihr dafür das Herz herausgerissen und es durch Zahnräder ersetzt. Nun mit anderen Augen betrachtet wirkte alles so plastisch. Unecht. Falsch.

"Die junge Daro Zen...", die nunmehr sehr erwachsene Admiralin gluckste, es schien eigentlich gar nicht das eigene Leben zu sein, an das man sich erinnerte, sondern eher ein besonders gelungener Kinostreifen, an den man sich erinnerte und über den man plaudern konnte. "Ich brauchte dieses Plakat nicht einmal.", offenbarte sie ohne Umschweife und doch nüchtern, ohne das Anliegen sich als Vorzeigeimperiale hervortun zu wollen. "Das kommt wohl davon wenn man auf einem Werftplaneten aufwächst.", meinte sie leicht lächelnd, während sie die Cigarra wieder zwischen die Lippen führte. "Auf Yaga Minor sah man die großen Schiffe ständig. Noch keine Sternenzerstörer, aber diesen großen Dreadnaught-Kreuzer von Rendili. Ich hatten diesen Gedanken, diesen Wunsch, wenn Sie so wollen, seit ich damals das Extragalaktische Flugprojekt gesehen hatte. Mein Traum von Raumfahrtromantik, von fernen Welten stammt noch...", sie seufzte schwermütig, ein recht zweifelloser Indikator dafür, dass sie sich nach etwas zurücksehnte, dass im Imperium zutiefst verpönt war, mit einem ihr eigentlich unbekanntem Offizier und Daro entschied, dass es heute keine Rolle spielte. Vielleicht auch nie mehr. Ob sie an der Front fiel oder den Verrätertod fand war eigentlich einerlei. Wenn sie keinen Ausweg aus dem Imperium fand, keinen Weg aus dem Irrgarten des Krieges finden konnte, dann spielte es keine Rolle. "...aus einer anderen Zeit.", beendete sie ihren Satz schließlich.
Und doch riskierten sie es beide, jeder wohl auf seine eigene Art - Acchetia durch zögernde Überlegung, Daro hingegen durch eher offene Worte, für die sie irgendein ISB-Agent vor das Kriegsgericht schleifen würde, weil er darin vermeintlichen Hochverrat sah. Unwichtig. Dann würde das Imperium eben irgendwann unter der eigenen Ideologie kollabieren. Die Republik musste gar nicht gewinnen, sie musste nur lange genug kämpfen, nur lange genug durchhalten und der Sieg würde ihr gehören. Nicht etwa, weil ihre Staatsidee wirklich besser war oder eine Alternative darstellte - für sie ohnehin nicht mehr - sondern weil die Bevölkerung das imperiale System irgendwann nicht mehr tragen würde. Die Last des Krieges neigte dazu auf jene zu drücken, die ganz unten standen, beziehungsweise wurde sie bewusst nach dort geschoben, von jenen die sich amüsierten, ihre Pläne schmiedeten, vor ihrer Niederlage davonrannten: die imperiale Admiralität, alles, was sich in Pestages hohlen Hallen hinter ihr versammelte und tummelte und auf die ein oder andere Art gehörte sie auch dazu, selbst wenn sie es abstritt.

Seine Antwort überraschte Daro ein wenig und ließ sie aufhorchen. Eine sehr herzlose und kalte Betrachtungsweise, doch als jemand, der ebenso kaltherzig einen der eigenen Offiziere tötete, stand ihr eine derartige Kritik vielleicht nicht zu. Zumindest war die Erinnerung an die eigene Tat noch zu frisch, als dass sie moralische Vorwürfe erheben würde. Irgendwo sogar unangebrachte: denn selbst wenn es barbarisch klang, hatte Acchetia mit seiner Aussage natürlich recht und offenbarte gleichzeitig das imperiale Problem. Wenn nicht genug bereit waren für diese Sache zu kämpfen, diesen Staat zu schützen und zu verteidigen, zeigte das allein nicht schon an, dass er es zu sterben verdient hatte? Wenn Individuen, die darin lebten es nicht für lohnenswert erachteten ihr geliebtes Imperium gegen die Invasoren zu verteidigen?. Propaganda mochte eine Ideologie irgendwo befeuern, aber retten tat sie sie deswegen noch lange nicht und Pestage würde das sehr bald bemerken.
Daros Gedanken wanderten zurück zu Acchetia und seinen Worten und es war unerwartet zu sehen, wie er von selbst in eine defensive Rolle verfiel, obwohl sie ihm dafür keinen Grund gegeben hatte. Fühlte er sich unwohl? Offensichtlich. Auch wenn Daro nicht Eindruck hatte, als würde der ehemalige Stabschef versuchen sie von seiner Tauglichkeit zu überzeugen, war ihm sein Makel auf einem tatsächlichen Schlachtfeld nicht die höchste Kompetenz zu besitzen anscheinend unangenehm. Es würde anders werden - sehr viel anders und so wie der Schreibtischdienst Acchetias Sicht auf die Dinge verändert hatte, würde es der Dienst auf einem Schlachtschiff es nun wieder tun. Opfer wirkten schnell weniger abstrakt, wenn im Gefecht ganze Sternenkreuzer explodierten und tausende von Leben binnen eines Wimpernschlags ausgelöscht wurden. Der Tod war weitaus näher. Realer. Aber darum ging es nicht, nicht jetzt - vielleicht würde sie Acchetia, wenn sie dies alles hinter sich ließ, mit derlei Sprüchen aufziehen, aber nicht jetzt. Es war im Moment unpassend und im Vergleich mit Vaash trug der Mann auch weitaus weniger Schuld an diesem Staat.
"Und jetzt wird sich Ihre Perspektive erneut verändern.", schloss Daro den Kreis schlussendlich und blies einen weiteren Rauchschwaden in die Atemluft. Es würde sich viel für ihn verändern. Hier auf Coruscant kannte der Mann den Krieg nicht so, wie es die Frontoffiziere taten. Er wusste nicht, wie es sich anfühlte von Kriegsschiffen beschossen zu werden, wie Angst und Adrenalin durch den Körper krochen. Es war nicht mehr mit der Rebellion zu vergleichen, es kämpften zwei ebenbürtige Gegner gegeneinander, zuzüglich der unbekannten Variable unzähliger Abspalter, die nach wie vor eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellten und den Konflikt noch weiter in die Länge ziehen konnten - ob zum Guten oder zum Schlechten.

Daro drehte ihren Kopf hinüber zu dem seltsamen Mann, der fortan unter ihrem Kommando stehen würde und blickte nach oben, vielleicht das erste Mal diesen Abend, dass sie ihn wirklich ansah. "Glauben Sie, Sie können ein Kriegsschiff kommandieren? Oder mehrere?", die Frage kam ungewohnt ernst, weniger geistesabwesend, sondern tatsächlich interessiert. "Ich möchte, dass Sie ehrlich sind." Nicht um ihretwillen, es könnte ihr egal sein - wenn Acchetia sich hier hervortat wäre es später auf dem Schlachtfeld sein Problem. Aber Daro Zen war eben kein Schreibtischtäter und versuchte ihre Verluste so gering wie möglich zu halten und die Stärken und Schwächen, die Kompetenzen ihrer Offiziere zu kennen, war dafür erforderlich.
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