#3
Sternenzerstörer der Imperator-Klasse Whirlwind

Die Zeit war vorübergezogen und das Raubtier im Orbit hatte sich noch immer in seiner Höhle verkrochen, bereit zum Schlag, sollte er nötig werden. Sich Pestage beugen? Das würde nicht geschehen. Niemals. Der alte, senile Mann war keine Investition in die Zukunft wert. Seine Zeit in der Sanduhr rann beständig hinab. Der Senat schickte sich an, sich zu konstituieren. Die letzten Vorbereitungen dafür waren getroffen. Blitzer Harrsk würde es nicht verhindern können. Ein vielschichtiger modularer Schild hinderte ihn daran, etwas zu tun, das irgendjemand vielleicht schon vor langer Zeit hätte tun sollen – dem Spuk und dieser Farce ein Ende zu bereiten. Doch in diesem Moment war der Admiral zur Reaktion gezwungen und nicht zur Aktion, zur eigenen Gestaltung.

Das war für ihn nicht zwangsläufig ein Problem oder eine Neuheit. Schon auf der Akademie hatte sich Harrsk als erstaunliches Talent im Bereich des unmittelbaren Gegenschlags erwiesen – ein Talent, das nicht zuletzt während der Rebellionskrise und dem darauf folgenden asymmetrischen Krieg mehr und mehr an Bedeutung gewonnen hatte. Und doch war das Warten auf den Ablauf der Zeit, das Herunterrinnen der Sandkörner nun in diesem Moment lästig.

Es gab zwei Optionen. Entweder tat der militärische Elitenzirkel auf dem Planeten das, was Harrsk erhoffte, aber nicht erwartete. Das mochte dazu führen, dass Sate Pestages entstelltes Skelett möglicherweise irgendwann einmal in tausend Jahren in den tiefsten Niederungen des Planeten gefunden werden würde. Kurzfristig würde das möglicherweise Irritationen verursachen, aber wenn erst einmal ein Militärrat die Macht übernommen hatte, wäre die Sicherheit rasch gewährleistet und schließlich auch durch die Streitkräfte im gleichen Maße vorhanden wie jetzt auch. Wahrscheinlich sogar besser als nun. Harrsks Photorezeptor funkelte zufrieden. Und in einer Militärdiktatur setzte sich meist derjenige durch, der kräftige Argumente hatte. Blitzer Harrsk hatte solche Argumente. Zwei davon. Selbst wenn dies aktuell vielleicht niemand wusste. Zu gegebener Zeit und wenn alle diesbezüglichen Vorbereitungen abgeschlossen waren, mochte er sie früher oder später enthüllen, aber in dieser aktuellen Situation wäre das ein strategischer Fehler gewesen. Solange nicht klar war, welches Spiel auf dem Planeten gespielt wurde, war es unklug, dem Gegner direkt seine Trümpfe zu präsentieren. Vielmehr galt es, sie dann einzusetzen, wenn der Gegner bereits seinen Zug gemacht hatte und nicht mehr mit einem Trumpf rechnete. Die Reaktion, der Gegenschlag, der dem Gegner das Entsetzen in die Augen trieb und das Ende des Spiels einläutete.

Die zweite Option war die, die zu erwarten, aber nicht zu erhoffen war. Die Sitzung des Senats verlief reibungslos und Sate Pestage wurde zum neuen Imperator ernannt. In der Sekunde, in der dies passierte, war Harrsks Aufenthalt über der Herrschaftswelt beendet. Das war beschlossene Sache. Auf der Brücke der Whirlwind tickte eine holographische Chrono-Anzeige bis zum Start der Sitzung hinunter. Die Ableitung der Notwendigkeit eines Imperialen Senats aus der Imperialen Charta war letztlich formalistische Wortklauberei. Nicht zuletzt war das Imperium gerade dadurch stark geworden, dass es die Macht auf wenige mächtige Männer verteilt hatte und nicht auf ein fragwürdiges, beständig wechselndes und sich änderndes Organ aus endlosen Partikularinteressen. Ein Imperium war so nicht zu führen, nicht wenn man es erfolgreich tun wollte. Aber es gab wohl bestimmte Einfaltspinsel, die glaubten, dass dieser Kadaver eines Parlaments, das nun wieder im Zentrum tagte, irgendeine Relevanz hatte. Für manche mochte es schön und bequem sein, diese Illusion zu haben, auch wenn das Imperium letztlich ohnehin mal subtil, mal offener die Nachteile des bürokratisch-demokratischen Systems herausstellte und die Machtbündelung auf die Elite als wünschenswert darstellte. Nun, den meisten Personen konnte man letztlich ohnehin jede Art von Staat schmackhaft machen, wenn man nur die Vorteile genügend ausbreitete und die Nachteile anderer Systeme übertrieben hervorhob.

Ein Brückenoffizier trat mit hallenden Stiefeln über den Steg, der den Brückengraben in der Mitte des Raums teilte, auf das Fenster zu, blieb aber in respektvollem Abstand stehen.
„Alle Schiffe melden positiv die Einrastung der Koordinaten von Deep 3 in die Navigationscomputer, Sir. Die Flotte erwartet Ihren Befehl.“
„Sehr gut, Captain“, sagte Bolla Thoath hinter dem Admiral, während dieser regungslos aus dem Panoramafenster starrte. „Wir warten.“
„… Nicht mehr lang“, fügte Harrsk zu sich selbst murmelnd hinzu. Die grauschwarze Kugel vor ihm funkelte im Licht der Sonne und der eigenen künstlichen Lichter. Ein Mal hatte er mit seinen Blitzangriffen dazu beigetragen, dass der Planet zum Wohle des Imperiums von den Versagern genommen werden konnte und sich dadurch einen Platz ganz oben in der Gunst des Mächtigen verschafft. Nun war gut ein Jahr vergangen und die Situation schien sich beinahe wieder so darzustellen wie vormals. Nur dass es dieses Mal nicht so aussah, als könne jemand die konsequente, wenn auch notwendigerweise blutige Maßnahme vornehmen. Harrsk hätte sich durchaus befähigt gesehen, selbst diese Maßnahme zu ergreifen, aber als Befehlshaber der Flotte im Orbit war er – zumindest in Pestages Augen – angekettet und konnte die Prozedur daher nicht stören, ohne Aufmerksamkeit zu erwecken. Ironisch, dass gerade er mit so einer wichtigen Position von seinem alten Rivalen betraut worden war, andererseits genau diese Position dafür sorgte, dass ihm die Hände gebunden waren. Ganz gleich, Pestage war nicht dumm. Er war nur der falsche Mann für das, was er naturgemäß anstrebte: den Thron.
„Sind Sie sicher, dass Sie im gegebenen Fall das Wagnis erneut eingehen wollen? Ich denke immer noch, dass wir von innen mehr erreichen können als von außen.“
Thoaths Stimme hallte merkwürdig in Harrsks Kopf wider. Tod. Flammen. Berstendes Metall. Waldmond. Unklare Bilder peitschten den Verstand des Admirals an, Bilder einer Zeit, an die er sich nach seiner Verwundung nur noch fragmentarisch erinnerte. Er schüttelte sie ab. Fokus. Die Reise zurück war nicht ganz risikofrei und durchaus kompliziert. Die Routen waren nicht gut erforscht und kleine Änderungen und Abnormalitäten konnten katastrophale Auswirkungen auf die gesamte Flotte haben. Doch es gab keine Alternative. Es war absehbar, was passieren würde, wenn die Person, an deren Sturz durch Vesperum er maßgeblich mitgewirkt hatte, nun doch an die Macht gelangte. Pestage war verschlagen, rachsüchtig. Eine Nacht der langen Messer mochte nicht lange auf sich warten lassen.
„Jedes Wagnis ist mehr wert als das, was uns hier erwartet. So nehmen wir unser Schicksal zumindest selbst…“

Doch dann ging alles ganz schnell. Ein automatischer Alarm unterbrach den Admiral. Thoath fuhr instinktiv herum. Aber als plötzlich etwas Massives aus dem Hyperraum auftauchte, schien im ersten Moment bereits klar, was gerade geschah.
„Faszinierend. Ein Bellator, stellte Harrsk mit eigenartiger Gleichgültigkeit, fast Bewunderung fest, während er das finster verzierte Schiff betrachtete, das soeben aus dem Hyperraum erschienen war. Eine merkwürdige Farbe, die sich sichtbar vom imperialen Grau abhob und selbst im gleißenden Schein der Sonne kaum Details aufzeigte. Trotz der Distanz war das gigantische Schiff im Sichtfenster gut zu erkennen.
„Fünf weitere Sternenzerstörer sind in das System gesprungen und eskortieren das Schiff. Es sind imperiale Kennungen. Den Kennungen zufolge Schiffe von Fondor“, berichtete der Sensoroffizier aus dem Brückengraben.
„Fondor? Was machen die hier?“
„Ich… weiß es nicht. Aber sie fliegen in…“
„… eigenartiger Formation“, beendete der Admiral den Satz, während er sich über das Kinn strich. Es war beinahe schon zu offenkundig, dass die Art und Weise, wie diese Flotte aus dem Hyperraum kam, nicht auf einen Angriff vorbereitet war. Das wäre in Anbetracht der überlegenen Coruscant-Heimatflotte auch ein Selbstmordkommando. Doch Harrsk konnte es auch so viele Schiffe kosten – und er hatte nicht vor, in seinen letzten Stunden über dem Zentrum eine Schlacht zugunsten eines Mannes zu schlagen, den er verabscheute.
„Die Schiffe haben gestoppt, Sir.“
„Rufen sie uns?“
„Nein, Sir.“
Warum sollte sich Harrsk überhaupt darum kümmern, wer nun in den Orbit sprang? Sein Mund öffnete sich bereits, um der eigenen Flotte direkt den Befehl zu geben, zu den im Navigationscomputer eingetragenen Koordinaten zu springen. Dann wäre es endlich vorüber. Abwartend sah Harrsk das regungslose Schiff in der Ferne an, dann wanderte sein Blick weiter zur Reflexion seines Ersten Offiziers Thoath, die sich im Sichtfenster spiegelte. Doch Thoath sagte nichts. Er betrachtete Harrsk lediglich und schüttelte den Kopf. Nein. Harrsk zögerte. Irgendwie konnte er es nicht. Ein Seufzen entglitt dem Admiral.
„Meinetwegen. Leutnant, rufen Sie den Bellator.“
„Kanal offen, Sir.“
Einen kurzen Augenblick sammelte sich der Admiral, reinigte seine markante Stimme mit einem kurzen Räuspern und begann schließlich seine Botschaft.
„Hier spricht Admiral Blitzer Harrsk vom Sternenzerstörer Whirlwind. Identifizieren Sie sich oder wir werden Maßnahmen zur Verteidigung des imperialen Throns vor jeglichen Aggressoren ergreifen.“
Es war eine leere Drohung. Harrsk würde sich in diesem Fall ohnehin nicht auf eine Schlacht einlassen. Letztlich legte er nur Wert darauf, etwas Zeit zu gewinnen. Notfalls solange, bis die Entscheidung auf dem Planeten gefallen war - um dann seine eigenen Maßnahmen zu ergreifen, die weder mit dem Thron noch mit der Verteidigung dessen in irgendeinem Bezug standen. Stattdessen würde er den Orbit schlichtweg den neuen Schiffen überlassen, wer sie auch immer sein mochten. In diesem Falle wären sie schließlich Pestages Problem, nicht mehr seins.
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