#13
Schlachtschiff der Bellator-Klasse Tyrann

Der Admiral betrachtete das kranke Geschöpf vor sich. Wenn er, Harrsk, von all den korrupten Ärzten als krank bezeichnet wurde – eine unerhörte und infame Unterstellung, die ihm nur gezeigt hatte, auf wessen Gehaltszettel sie jeweils standen –, was, ja was war dann erst diese Person vor ihm? Aber ob irgendeiner dieser jämmerlichen Kriecher, die es bei Harrsk taten, auch bei Vesperum tun würden? Natürlich nicht. Selbst wenn es weitaus wahrer war. Und warum nicht? Es war die Macht. Die Macht über Leben und Tod. Über Wohl und Wehe. Der Mann vor ihm hatte sie. Und offenbar glaubten einige in Harrsks Umfeld, dass er selbst sie nicht hatte. Nun, sie irrten. Harrsk würde es ihnen beweisen, wenn sie es darauf anlegten. Vielleicht wirkte er nicht ganz so imposant wie der Imperator. Er war zwar gut, aber nur vergleichsweise klein gebaut – nicht unbedingt das, was die wirre Rassepropaganda des dem nicht weniger entsprechenden Ishin-Il-Raz als das menschliche Idealbild vorpredigte. Vielleicht erkannte Il-Raz eines Tages noch, was für ein Idiot er war. Hier habt ihr eure Verrückten, die ganz offen ihren Irrsinn predigen. Lasst mich in Frieden.

Zunächst nickte Harrsk lediglich. Auch wenn es ihm nicht behagte, mit Ishin-Il-Raz Kontakt aufnehmen zu müssen. Palpatine hatte nicht immer ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Berater gehabt. Allerdings verstand er die Entscheidungen. Viele Schweine regierten beim Imperium mit, aber es waren nützliche Schweine. Es war daher auch nicht unbedingt eine Überraschung, dass der Imperator offenbar entschieden hatte, Pestage am Leben zu lassen – und ein eigenartiger Teil von Harrsk konnte das befürworten, während ein anderer Teil in ihm eine beinahe diebische Freude daran hatte zu sehen, wie der selbstverliebte Clown bald auf seine Rolle als nützlicher Hofnarr unter Vesperum reduziert wurde und die jämmerlichen Arbeiten durchführte, die der Gebieter als zu lästig ansah. Pestage, der gerade so große Pläne schmiedete, durfte jeden Tag aufs Neue die Macht sehen und spüren, würde aber Zeit seines Lebens nie an ihr partizipieren. Vielleicht war das also sogar die weitaus weisere und befriedigendere Bestrafung für ihn als Harrsks weitaus direktere Phantasie. Dienen war für den, er sich zum Herrschen auserkoren hatte, die größte Strafe. Harrsks gesunde Hälfte begann zu lächeln, während das tote verbrannte und verformte Fleisch seiner Linken sich nur zu einer Fratze verzerren konnte.
„Wie schon in der Vergangenheit versteht Ihr mit Problemen in angemessener Art und Weise umzugehen“, sagte Harrsk schließlich in einem etwas merkwürdigen Tonfall. Es war nicht nur eine Feststellung und nicht nur ein Lob. Was war es noch? Irgendetwas schwang noch mit. War es eine Aufforderung? Eine Bitte? War es Hoffnung? Von allem schien etwas vorhanden. Harrsk und Vaash waren es gewesen, die den Mann damals von der Leine gelassen hatten und die entschlossene, aber gleichzeitig weise führende Art hatten den Admiral damals überzeugt, dass er der richtige Mann für den Thron sein würde. Damals hätte er ihn auch vernichten können. Ohne mit der Wimper zu zucken. Harrsks Flotte war die weitaus größte innerhalb des Tiefkerns gewesen, eine erfahrene und ihrem Befehlshaber treue Truppe. Vielleicht hatte Harrsks Charisma mit der Verletzung etwas Schaden nach außen hin genommen, aber seine Männer sahen ihm das nach. Sie wussten, dass er einer der brillantesten Militärköpfe in der Sternenflotte war und wusste zu inspirieren. Aber irgendetwas war anders. Irgendetwas war im Fluss. Irgendetwas ging in ihm vor. Vesperum hatte in allgemeiner Art angeboten, er würde Harrsk helfen können. Ja, das musste er einfach. Harrsk erwartete es.

Der Raum schien inzwischen eine merkwürdige Kühle auszustrahlen. Mittlerweile schien es nach Harrsks Beobachtung beinahe so zu sein, als lege der Imperator Wert darauf zu legen, die Räume, in denen er sich aufhielt, so zu temperieren, dass die Wärme für normale Menschen direkt unangenehm war. Das passte auf eigenartige Weise auch zu der Assoziation in Harrsks Gehirn, nach der der Imperator stets das Zentrum dieser Kälte war. Woher diese Assoziation kam, konnte sich der Admiral nicht erklären, aber auch jetzt schien es wieder genau so zu sein. Zufall? Es war schwer möglich. Dann aber geschah etwas. Die Hand des schwarzen Mannes verkrümmte sich sichtbar, fast als fühle der Imperator kurzzeitig stechende Schmerzen, dann aber schoss ein elektrischer Blitz darauf hervor. Der Kugelblitz flatterte wirr durch die Luft, bis er nach einem kurzen Moment an Harrsk vorbeizog und schlussendlich in der Finsternis verschwand. Der Admiral starrte das Geschöpf vor sich an. Er hatte bereits das eine oder andere von den Fähigkeiten dieses Mannes sehen können – noch mehr davon gehört, wobei er vieles davon in den Bereich der Legenden verschoben hatte. Jeder mächtige Herrscher war zu Lebzeiten in der Geschichte bereits überhöht worden, um Stärke zu demonstrieren und Widerstand gegen ihn im Keim zu ersticken. Doch in diesem Fall mochte vielleicht mehr davon zutreffen als viele ahnten. Vielleicht war Vesperum in der Zeit seiner Abwesenheit zu etwas aufgestiegen, das in keinem Verhältnis zu der Macht stand, die es bereits vorher gehabt hat. Zu etwas weitaus Gefährlicherem. Und das konnte für Harrsk gleichsam gut wie auch schlecht sein. Etwas ungelenk blieb der Admiral an Ort und Stelle stehen und ignorierte jegliches nervöse Jucken in seinem Körper. Schließlich fuhr der Imperator unbehelligt fort – ja, so als wäre in der Tat gar nichts Außergewöhnliches geschehen. Und er, Harrsk, sollte der Geisteskranke sein? Es war zum Lachen. Vesperum bestätigte mehr oder weniger den Verdacht, den Harrsk bezüglich Isard bereits gehabt hatte. Vermutlich wäre sie auch eine wahrlich schlechte Besetzung in ihrem Amt gewesen, wenn ihr eine Information dieser Tragweite nicht bereits vor einer Weile bekannt gewesen wäre. Dass sie geschafft hatte, diese Information nicht durchsickern zu lassen, sprach für ihre Führungsqualitäten in ihrer Behörde. Offenbar fürchtete bemerkenswerterweise jeder die Konsequenzen einer Bestrafung durch Isard weitaus mehr als der etwaige Ruhm einer solchen Nachricht kurzzeitig mit sich hätte führen können. Das war eine positive Sache und zeigte, dass zumindest in manchen Teilen das Imperium immer noch so funktionierte wie es musste, um effektiv Herrschaft ausüben zu können.

Vertrauen haben sollte Harrsk also. Nun, ihm blieb ohnehin nichts weiter übrig. Harrsk hatte mit Vesperum seine eigentliche Trumpfkarte gespielt und im Grunde war er nun auf Gedeih und Verderb an diesen gebunden. Sein vormaliges Vorhaben, das Imperium in Richtung Tiefkern zurückzulassen, zeigte dies letztlich nur allzu anschaulich.
„Ihr könnt Euch meines Vertrauens so sicher sein, wie Ihr meiner sicher sein könnt“, entgegnete der Admiral schließlich durchaus überzeugend in die dämonisch funkelnden Augen hinein. Harrsk hatte bisher für Vesperum stets das ausgeführt, wofür er vorgesehen gewesen war. Alles in allem war Harrsk immer der Mann für den Erfolg gewesen. Daher befand er, dass es umgekehrt ebenfalls keinen Grund geben würde, ihn in irgendeiner Form in Frage zu stellen. Wo seine Aussage also in einer anderen Situation vielleicht als eine Art Relativierung verstanden werden könnte, erwuchs Harrsks vermeintliche Relativierung in dieser konkreten Situation vielmehr in eine absolute Bekräftigung von der einen wie von der anderen Richtung. Harrsk löste die verschränkten Hände schließlich hervor und ließ sie straff seitwärts von seinem Körper hängen, während er den Kopf neigte. Das Erwarten des Zeichens, sich vorläufig wieder entfernen zu dürfen, um die ihm aufgetragenen Punkte in die Wege leiten zu können.
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