#29
Nein, es war wirklich nicht einfach, ein Jedi zu sein. Aber Koryn versuchte sich damit zu trösten, dass sie beide noch am Anfang standen und es noch immer vieles gab, dass sie zu lernen hatten. Er hatte sich noch nicht einmal sein eigenes Lichtschwert verdient, sondern trug nur eine Trainingswaffe des Praxeums. Interessiert lauschte er Mytrias Geschichte, die den Kel Dor für eine Weile auf andere Gedanken brachte. Er wollte sie danach fragen, wie der Name des Dorfes lautete und abermals widersprechen, dass es doch einige Dinge gab, bei denen die Entscheidung in seinen Augen doch einfach war – zum Beispiel, einem Schwachen in Not zu helfen. Aber das blauhäutige Mädchen erhob sich und wollte sich für eine Weile allein an die frische Luft begeben. Erneut hatte sich der Wind gedreht und nun wirkte Mytria wieder so, als hätte ihr Streit nie stattgefunden. Koryn würde wohl niemals aus ihr schlau werden. Er ließ sie ziehen und als die Jedi-Anwärterin außer Sicht war, nahm er seine Maske ab und endlich sein spätes Frühstück zu sich.

Eine ganze Weile später saß der Kel Dor – gesäubert und gesättigt – auf einer der Grünflächen des Praxeums und schnitzte mit seiner langen Mittelklaue an einem Stück Holz. Koryn hatte bereits damit begonnen, eine Form herauszuarbeiten. Doch was daraus irgendwann einmal entstehen sollte, war noch nicht zu erkennen. Der Jedi-Schüler wusste im Moment nichts Besseres mit sich anzufangen. Meister Skywalker war noch immer nicht zurück, er hatte heute schon trainiert und verspürte im Moment nicht den Drang, sich mit den anderen Bewohnern weiter über die gestrigen Ereignisse zu unterhalten. In der Ruhe liegt die Kraft. Das Handwerk war seine Art der Meditation, da er sich voll auf eine Sache konzentrieren musste – auch wenn Koryn sich dessen noch nicht ganz bewusst war.

Plötzlich wurde er von lauten Geräuschen und einem Schatten aus seiner Arbeit gerissen. Der Jedi-Schüler traute seinen Augen nicht. Ein großer, schon ziemlich oft geflickt aussehender Frachter senkte sich über der Landeplattform herab. Kann das…? Mit einem kraftvollen Sprung erhob sich der junge Kel Dor und schirmte sich mit einer Hand gegen die blendende Sonne ab, um das Schiff genauer zu erkennen. Das ist doch…! Sein Herz klopfte schneller. Es gab nicht viele derart aussehende Schiffe, die einen Grund hätten, so dicht am Jedi-Anwesen zu landen. Koryn zögerte, ob er sich dem Frachter nähern sollte, der ein gutes Stück von ihm entfernt war. Doch er musste mehr sehen.
Während er eilenden Schrittes den Abstand zur Landeplattform verringerte, sah der Jedi-Schüler, wie sich die Laderampe öffnete und kein Geringerer als Meister Skywalker daraus hervortrat. Koryn lächelte auf dorianische Art, strahlte geradezu – auch wenn man es unter seiner Maske nicht sehen konnte. Der Jedi-Meister war zurück und auch wenn seine Miene nachdenklich wirkte, gab es zunächst keine Anzeichen, dass Luke eine schreckliche Botschaft zu verkünden hätte. Der erste Impuls des Kel Dor war, Luke zu folgen. Aber der Anblick des Falken – von dem er nun zweifelsfrei wusste, dass es der Falke sein musste – zog ihn in seinen Bann. Er hatte so viel über dieses Schiff und seinen Captain gehört und wusste doch noch so wenig über die Zeit der Rebellion und ihre Helden. Was er nicht dafür geben würde, es einmal von innen zu sehen.

Doch dann zupfte etwas an seinem Verstand und wies ihn an, dem Jedi-Meister nachzugehen, der zielstrebig dem Praxeum entgegenging. Wenn du wissen willst, was Meister Skywalker erfahren hat, solltest du hier nicht rumstehen. Also folgte Koryn ihm mit gebührendem Abstand und konnte sich gerade noch im Zaum halten, Luke nachzurufen. Doch auf die anfängliche Begeisterung folgte tiefe Ernüchterung. Luke Skywalker rief die Bewohner des Praxeums zusammen, nur um sich in mysteriöses Schweigen zu hüllen, was seine Vorladung zum Rat anging. Schlimmer noch – der Jedi verkündete, dass er nun für ein paar Tage fort sein würde. Aus welchem Grund? Wie lange? Und wohin? All diese Fragen wurden nicht beantwortet, sondern ließen ein flaues Gefühl in Koryns Magen zurück. Er suchte Mytrias Blick, auch wenn er nicht sicher war, dass diese ihn durch seine Maske wahrnehmen konnte. Der Kel Dor vertraute seinem Meister, aber er konnte sich nicht leugnen, dass er sich auch etwas verlassen fühlte. Skywalker war doch gerade erst zurückgekommen! Wieso hatte man ihn schon wieder für Dinge der Republik eingespannt – so kurz nach den schrecklichen Morden im Praxeum?

Koryn konnte es nicht verstehen. Aber in einer Entscheidung, für die Mytria ihn entweder bewundern oder hassen würde, beschloss der Kel Dor, es dieses Mal nicht einfach so hinzunehmen. Luke Skywalkers Schüler verdienten eine Antwort. Und wenn er selbst herausfinden musste, was sein Meister vorhatte, dann sollte es eben so sein! Es waren sicherlich auch andere Dinge, die ihn trieben. Die wenigsten davon sonderlich jedihaft. Aber dem Kel Dor war nicht nach Herumsitzen, wenn er die Chance hatte, auf dem Falken mehr über die geheime Mission von Luke Skywalker zu erlauschen. Er hatte auch ein wenig Angst um seinen Meister. Natürlich rechnete er damit, dass Luke wieder heil zurückkehren würde … aber was, wenn nicht? Wenn irgendetwas schiefging, wer sollte sie dann anleiten? Seit gestern plagte sich Koryn sehr mit dem Gedanken von Verlust und seiner eigenen Machtlosigkeit. Es fiel ihm schwer, den Jedi-Meister nun einfach wieder ziehen zu lassen.

Koryn wartete, bis Luke an Bord gegangen war und schlüpfte dann ebenfalls in geduckter Haltung die geöffnete Rampe hinein. Gewiss würde man sich vor dem Start noch über ein paar Dinge unterhalten. Der Name eines Planeten würde ihm reichen! Dann konnte der Jedi-Schüler zu den anderen zurückgehen und ihnen davon berichten. Allerdings verlief es etwas anders als geplant... Die Stimmen entfernten sich immer weiter vom Eingang und das Metall der Wände verzerrte sie so weit, dass Koryn kaum ein einzelnes Wort verstehen konnte. Bei seinem Vorstoß, um doch wieder etwas von dem Gespräch zu erfassen, wurde der Jedi-Schüler aber auch von der Tatsache abgelenkt, dass er an Bord des Falken war – eine Legende unter den Schiffen der Republik, soweit man den Geschichten glauben konnte. Hin und her gerissen zwischen seiner eigenen Mission und seinem Entdeckerdrang tastete er sich langsam und bewundernd vorwärts. Und merkte zu spät, dass sich unter die nun wieder verständlichen Stimmen von Luke Skywalker und Han Solo ein anderes Geräusch gelegt hatte. Mit weit aufgerissenen Augen wandte Koryn sich um und sah noch, wie das Tageslicht immer weiter von der sich schließenden Rampe geschluckt wurde.

„Oje!“ Sie war gerade noch weit genug geöffnet, dass er sich mit einem beherzten Sprung hätte retten können. Doch der Kel Dor starrte sie einfach nur an wie ein Krugga-Reh im Scheinwerferlicht – unfähig, in diesen kurzen Momenten eine sinnvolle Entscheidung zu treffen. Dann war es zu spät. Unvernunft hatte den Sieg davon getragen und nun war er mehr oder minder eingesperrt. Ein blinder Passagier, der sich immer noch jederzeit zu erkennen geben konnte. Dann würde man die Rampe wieder öffnen, Koryn würde mit einem Tadel und vielleicht ein paar Antworten entlassen und alles würde seinen geplanten Gang weitergehen. Der junge Kel Dor schluckte und merkte, wie ihm abwechselnd heiß und kalt wurde. Das Schiff wurde gestartet und noch immer hatte er sich nicht durchgerungen, was er tun sollte. Er musste mit Meister Skywalker reden, solange es noch möglich war, glimpflich aus dieser Situation zu kommen. Aber dann würde man ihn einfach wieder zurückschicken…

Ein durchdringendes Röhren ließ Koryn zusammenzucken und hektisch nach einem Versteck suchen. Instinktiv ging der Jedi-Schüler in die Knie, auch wenn man ihn deswegen trotzdem noch deutlich im Gang sehen konnte, und spürte durch seine alarmierten Machtsinne, dass sich direkt unter ihm ein Hohlraum befand. Unter einer Bodenplatte. Was mache ich hier nur? Ich sollte gar nicht hier sein! Aber war es nicht besser, um Vergebung zu bitten als um Erlaubnis zu fragen? Das ist nicht, wofür ich hergekommen bin! Ich muss doch den anderen sagen… Wieder hörte er Schritte und musste sich wohl eingestehen, dass es dazu nicht mehr kommen würde. Hastig tastete er am Boden nach einer Öffnung und gelangte mit seinen Krallen unter die Platte, die er anheben konnte. Hastig krabbelte der Kel Dor in die darunterliegende Vertiefung und brachte die Bodenplatte wieder in Ausgangsposition – zumindest glaubte er das.

In seinem kleinen Versteck war es stickig, dunkel und alles, was er hörte, war das Dröhnen der Maschinen. Langsam wurde dem Jedi-Schüler klar, worauf er sich da eingelassen hatte, dass es eine törichte Idee gewesen war und dass es nun kein Zurück mehr gab. Ihm wurde ebenfalls bewusst, dass er sich seine guten Vorsätze so lange einreden konnte, wie er wollte – am Ende hatte seine Neugier die Oberhand gewonnen und Luke Skywalker hatte jedes Recht, ihm dafür den Kopf abzureißen. Und er würde nicht der einzige sein… „Oje.“

Nach: gen Yavin 4 (Luke hinterher)
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