#7
Die Stille der Geister kehrte zurück, als Stratis endlich - endlich ihr Quartier verließ. Er hatte seinen Nutzen, aber er störte, wenn er in der Tür stand, seine Äuglein sie fixierten und es sich anfühlte wie Nadelstiche. Er konnte sie nicht überraschen, das wusste der Kapitän auch, dafür war er zu einfältig, zu einfach gestrickt, ihm fehlte die nötige Kreativität sich ihrer zu entledigen. Und ihm mangelte es an Ambitionen. Stratis war ein bemitleidenswertes Geschöpf, das sich an sie klammerte, wie ein Neugeborenes an seine Mutter. Vielleicht sah er dass in ihr, eine Mutter, ein gütiges Wesen, dass ihn an die Brust nahm, ihn großzog und dann wieder in die Welt entließ. Einige mochten dadurch annehmen, dass auch die dunkle Seite Hoffnung erwecken kann, Hoffnung an etwas besseres, aber wie so oft, handelte es sich dabei nur um Fehlvermutungen. Stratis kriecherische Art entsprach auch nur seiner eigenen Egozentrik, er scherte sich nicht mehr um das Leben seiner Kameraden und Untergebenen und selbst wenn er es selbst nicht glauben mochte, doch sogar es sein Selbsterhaltungstrieb versank in den Schatten. An seiner Stellen traten Gier, Wünsche, aber niemals Hoffnung, niemals Einsicht und niemals Mitleid. Selbst der noble Orden der Jedi erkrankte an den Symptomen der dunklen Seite und nicht erst seit Sidious, nein, schon immer war auch er nur ein Katalysator des Krieges, mit dem Zweck, den Zyklus der Vernichtung aufrecht zu erhalten. Die Jedi dachten Enthaltsamkeit wäre mit Bescheidenheit gleichzusetzen und wie so oft, irrten sie sich. Wären Bescheidenheit dem freiwilligen Wunsch entsprang, Verzicht zu üben, wurden die Jedi dazu gezwungen. Reah war sich sicher, dass sich die Hälfte aller Mitglieder im alten Orden stets selbst belog und wie auch hätten sie vor Egozentrik gefeit sein können? Vor der Dunkelheit? Tag für Tag wurde es ihnen von einem elitären Zirkel vorgelebt, der sich als kollektive Weisheit der Galaxis verstand. Ihre eigene Hierarchie war es, mit der sich die Jedi stets selbst vernichten, so, wie es auch die Sith taten. Die Macht selbst erwählte beide Fraktionen dazu ihre Spielbälle zu sein deren einziger Zweck Auslöschung lautete - es ging weniger darum zu beweisen wessen Lehren, wessen Ansichten richtig waren, sondern vielmehr stand die Auslöschung der Galaxis im Fokus. Eine Ende des ewigen Konfliktes, eine Zeit des Friedens, würde den Tod der Macht bedeuten - und irrwitzigerweise den Tod allen Lebens.

Kaltes Eis legte sich über die Abaddon, wie ein Deckel für einen Sarg, ein Gruftsiegel, dass die Todgeweihten Insassen aufhorchen ließ, wenn ihr Herr sprach. Vor ihrem Geistigen Auge konnte sie sehen, wie sich ihr Panoramafenster mit Raureif überzog, wie sich die kleinen Kristalle zusammenschlossen und verbanden, bis es eine massive Eiswand ergab. Reah konnte die Kälte ertragen, sie war ein Ausdruck der Einsamkeit und gewissermaßen auch der Hilflosigkeit, ein Aspekt, den weder sie, noch der Imperator sich je eingestehen würde können. Sie waren hilflos, hatten mit Mächten gespielt die sich im Ansatz beherrschten und nun gehörten Körper und Geist ihnen. Für andere war der Frostatem des Drachen, des Zerstörers und Wandlers Vesperum seltsam. Männer, die eben noch monoton ihre Arbeit an den zahlreichen Turbolasergeschützen nachgegangen waren, begannen plötzlich zu zittern und zu frösteln und starrten verwirrt ihren Chief an, der ihnen keine Erklärung für dieses seltsame Phänomen anbieten konnte. Der angespannte Stratis bemerkte, wie sein Atem die Fenster beschlug, als wäre die Temperatur plötzlich und rapide um mehrere Grad gesunken. Hilflosigkeit übermannte ihn, er wollte zur Inquisitorin gehen, wie ein dummer kleiner Junge, sie nach ihrem Rat fragen, nach einer Antwort die sie zweifellos hatte, aber Stratis wusste auch, dass er sie nicht verstehen würde. Wie so wenig, dass auf dem Schiff vorging, seit diese Frau an Bord war. Er war sich aller Vorgänge bewusst, aber er begriff nicht mehr alles, selbst seine eigene Handlungsweise kam ihm in klareren Momenten - wie jetzt - suspekt vor. Er suchte nach Erkenntnissen bei diesem Dämon, die sich seinem Verständnis entzogen, er bekam Antworten, auf nie gestellte Fragen, doch konnte er die Worte nicht begreifen, denn sein unbedeutender Geist war im Diesseits gefangen und gebunden. Wenn er in das All schaute, sah er nur Millionen von Sternen und dennoch verspürte er den tiefen Drang mehr zu erfahren, besser zu sein als andere. Nigidus war ein Orakel, ein Segen, der einen Preis hatte. Doch die Möglichkeiten und die Macht dieses Wesens rechtfertigten jeden Tribut. Stratis legte die Hände auf dem Rücken und nahm eine straffe Haltung an, während er in das All hinausschaute. Wieder einmal hatte Ramon Stratis sich selbst belogen, wieder einmal, konnte er der Verlockung der Düsternis nicht widerstehen.

Das Eis bekam Risse. Ein schwarzer Blitz zog sich hindurch und riss auf, wie eine schlampig vernähte Narbe, die nun die Fratze und das Elend des Abgrunds ihr entgegen spuckte. Reah konnte den Imperator spüren, als stünde dieser neben ihr, schlimmer, als stünde sie ihm gegenüber, während er, so selbstgefällig, so selbstgerecht auf seinen Thron saß. Bilder von Palpatine zuckten durch ihren Geist, vermischten sich mit dem Gesicht Vesperums. Es war nicht mehr leicht zu sagen, wo ein Sith aufhörte und der nächste begann. Korriban hatte den Imperator verändert, er hatte sie alle verändert. Doch in Vesperum sah sie etwas, dass ihr Palpatine offenbart hatte. In seinem Geist erstreckte sich Dunkelheit, jenseits der Dunkelheit, er war ein Ereignishorizont, selbst mit den Augen der dunklen Seite betrachtet. Er war nun mehr als ein Imperator, mehr als der Anführer einer Gruppe dunkler Jedi. Korriban hatte ihn zum neuen Avatar werden lassen, dem Kreuzritter des Todes, der nur zu bald über die Galaxis herfallen würde. Das Individuum Vesperum war praktisch nicht mehr oder nur noch in geringem Maße vorhanden. Es definierte sich jetzt neu, über augenblickliche Wünsche und Bedürfnisse, konnte sich beständig verändern, neu zusammensetzen... Reah erkannte die Personifikation des Tyrannen hinter dem Schleier, die Willkür seiner Ambitionen und stellte dieses Wesen nicht in Frage.
Er lauschte seinen Worten, hing ebenso hilflos an der Zitze der schrecklichen Nachtmutter, wie Stratis es bei ihr tat, erhoffte sich Gunst, Respekt, Anerkennung, ein wenig Beachtung, die doch eigentlich, gar keine Rolle spielte. Die Lippen in ihrem von der Finsternis zerfressenen Gesicht, verzogen sich zu einem widerlichen Lächeln. Selbst wenn keine Euphorie, nicht der geringste Anflug von Triumph in seinen Worten lag, die Inquisitorin hatte gewusst, dass er nicht widerstehen konnte. "Ja mein Herr, so soll es geschehen."

Ihre Augen schlugen Auf und das Eis verschwand, der Abgrund brach in sich zusammen und schenkte ihr nun wieder die Aussicht auf die Galaxis. Reah erhob sich aus ihrer Meditationshaltung und verließ ihre Kammer. Wie ein böser Schatten schlich ihre Präsenz durch das Schiff. Gespräche verstummten wenn sie Nahe kam, die Aufregung stieg. Niemand wollte mit ihr reden, niemand wollte ihr im Wege stehen. Der Turbolift erreichte die Brücke, auf der Stratis noch immer die Sterne betrachtete. Was fühlte er? Nichts. Er hatte keine Erwartungen oder Ansprüche an das, was kommen würde. Vielleicht würde er nun sterben, den Tod verdient, weil er ihr nicht ihre Wünsche geben konnte, ihre Bedürfnisse nicht erfüllen konnte. Oder doch? "Der Imperator hat verstanden, dass wir unsere Bemühungen auf den wahren Feind des Imperiums konzentrieren müssen. Berechnen Sie einen Kurs, Kapitän." Stratis nickte stumm, und ging gehorsam seiner Anweisung nach, er hatte eine Aufgabe, eine Aufgabe die ihn wieder einen Sinn gab. "Wir werden das Problem Firrerre lösen... endgültig."
Fauchend erwachten die riesigen Triebwerke des Schlachtkreuzers wieder zum Leben und manövrierten das Schiff weg von Dxun, hinüber in den offenen Raum. Ein letztes Mal glühten die Antriebe hell auf, als die Abaddon auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigte und in die gefährlichen weiten des Äußeren Randes sprang.

----> Firrerre
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