#16
Eine Woche später.

Erneut öffneten sich die Augen des altgedienten Offiziers, der mühsam mit der Schwerkraft an diesem Ort kämpfte. Alles schien sich zu drehen, zu bewegen und zu verschwimmen, während seine Augen wieder Schwierigkeiten hatten, die Deckenlamellen zu fokussieren. Das Licht blendete ihn, so furchtbar hell erschien es ihm. Dieses mal erwachte er allein, überwacht durch einen Lebensmonitor, welcher einen Warnton von sich gab. Das Piepen schien eine Pflegekraft zu informieren, die wenige Augenblicke später das Zimmer betrat. Vaash fasste sich an den Schädel, der schrecklich dröhnte. Ein Kopfschmerz, der keinen klaren Gedanken erlaubte. "Admiral," grüßte die Krankenschwester in medizinischer Uniform des Imperiums, welche sich vorsichtig mit einer Spritze näherte, um ihm ein Medikament zu verabreichen, welches die Kopfschmerzen erleichtern würde. Tiberius Vaash wehrlos in seinem Zustand, musste erdulden, wie die Spritze an seinem Arm angesetzt wurde. Sanft entleerte die Fachkraft das blaue Elixier in die Blutbahn, bevor sie zurücktrat und Vaash freundlich anlächelte. "Sie haben es überstanden," erklärte sie. Vaash brauchte einen Moment um diese Worte zu verarbeiten. "Was?" - blaffte er unfreundlich, da das Medikament noch nicht wirkte. "Ihre Behandlung ist abgeschlossen," antwortete sie. "Der Leitende Arzt wird gleich mit ihnen sprechen, Admiral." Dann entfernte sie sich, die Spritze achtlos in einen Wegwerfbehälter werfend. Wo war Isard? Der alte Mann erinnerte sich an deren Gesicht und ihre letzten Worte. Sie war hier gewesen. Wieviel Zeit war vergangen? Der Offizier war nicht mehr orientiert, wollte sich aber orientieren, fand sogar etwas Kraft wieder und warf die erneut sachgerecht auf ihm platzierte Decke zur Seite. Es wurde kalt an seinen Beinen. Die Kälte des Raumes kroch in die Glieder und motivierte den Mann endlich aufzustehen. Doch gab er sich noch einen Moment des Luftholens, bis er unter dosierten Schmerzen sich aus dem Bett drehte und mit einem Ruck aus dem Liegeplatz aufstand. Nun stand er wieder. Aufrecht, gerade und bereit diese alte und für ihn gefühlt neue Welt zu erkunden. Er begriff, dass die Direktorin ihre spezielle Untersuchung vorerst abgeschlossen hatte. Ansonten wäre er nicht mehr hier. Die Kopfschmerzen ließen nur einen Schluss zu. Er kannte diese Gerätschaften aus dem Flottendienst. Auch er hatte schon Verhöre beobachtet oder besser beobachten müssen. Angenehm waren sie nie und nun war er selbst Opfer dieser Einrichtung geworden. Hoffentlich hatte sie das gefunden, was sie wollte und viel wichtiger: hoffentlich entlastete es ihn. Es hatte ihn wohl entlastet. Erleichtert schloss der Alte seine Augen, lächelte müde und nickte dann zu einer imaginären Person. Dennoch ging der erfahrene Imperiale nicht davon aus, nun vollkommen seine Ruhe vor Isards Organisation zu haben und glaubte auch nicht daran, dass er völlig frei aus diesem Zimmer gehen konnte. Denn trotzdessen, was geschehen war, blieb sicherlich für beide die Frage, was eine Jedi in imperialer Uniform im Imperium suchte und warum sie einem Offizier half, der ansonsten kümmerlich verreckt wäre. Es war ein Fehler, der nicht erklärt werden konnte. Der alte Vaash wollte nicht erneut in diesen fragwürdigen Gedanken versinken und doch tat er es. Es passte einfach nicht zusammen. Trotzdessen, weil die Bedrohung Ysanne Isard verschwunden war, verfiel er nicht in diesen hilflosen Zustand. Man konnte sich eine stille Schwäche endlich erlauben. Tapsend, jeden Schritt suchend, bewegte sich der Imperiale zu einem Spiegel mit Waschbecken unweit seines Bettes.

Er stützte sich auf das Becken, um sich selbst im Spiegel zu betrachten. Er wollte sehen, was aus ihm geworden war. Was war mit seinem Gesicht? Was war überhaupt mit ihm geschehen? Welche Magie hatte diese Jedi gewirkt? Unsicher suchten seine Augen in seinem Gesicht nach Fehlern. Fuhren über den Bart hinauf zu sich selbst und fanden nichts. Nicht einmal eine Narbe von auf seinem Schädel zu sehen; über diesen Strich er gerade, um Unebenheiten zu erfühlen. Er ließ die Hand herabsinken, zum Waschbecken, um kräftig auf den Wasserschalter zu schlagen, der sofort kaltes Nass freigab. Tiberius Vaash griff mit beiden Händen in den Wasserstrahl, sammelte in seinen Händen jeweils einen großen Schlag und warf sich dann Kühle ins Gesicht, auch um den körnigen Beschlag an seinen Augenrändern zu entfernen. Er kämpfte um Besinnung- und fand sie. Fühlte er sich betrogen vom Imperium? Nein, viel mehr passten die Bilder nicht zusammen. Es passte wirklich nichts mehr. Nicht einmal der Kampf wollte mehr Sinn ergeben. Eriadu, immer noch präsent in seinen Träumen, wollte nicht mehr nur eine Niederlage sein. Sondern die Schlacht wurde sinnlos. Sinnlosigkeit war die schlimmste Strafe für einen Soldaten. Einen Tod konnte man ertragen, Gewalt erdulden und zufügen aber man glaubte immer an einen Wert, an einen Sinn dahinter, der all den Schmerz sinnvoll machte. Nun hatte die Jedi ihm diesen Sinn genommen. Sie hatte Tiberius Vaash besiegt, indem sie ihn gerettet hatte. Es war reiner Wahnwitz, dass er als Veteran vieles überlebt hatte und doch nie Frieden fand. Dabei kämpfte er doch für ein Ende dieses Konfliktes. Terroristen sollten nicht bestimmen können, welche Regierung herrschte. Das Volk entschied. Nicht Einzelgruppen, die scheinheilg Ideale vor sich hertrugen.

Das Imperium war Ordnung, wenn auch eine grausame Gewaltherrschaft. Die Rebellion, nun verkleidet als Republik, war Unordnung und Chaos. Nicht, weil sie keinen Staat im Sinn hatten, sondern weil sie sich chaotischer Elemente bedienten. Vaash hatte ihre Anschläge erlebt, gegen sie gekämpft und kannte ihre Verbrechen. Es waren Terroristen, wie Piraten und anderer Abschaum. Ihr Aufstieg schien unfair, ungerecht und ungleich gegenüber den Taten vieler treuer Imperialer, die wirklich an einen Wert von Sicherheit glaubten. Leben sollte lebenswert und sicher sein. Es lag keine Ehre darin, sich durch Gewalt etwas zu nehmen. Sie wollten die Regierungsgewalt dem legitimen Herren entreißen. Vaash personifizierte das Imperium, sah es als lebendigen Körper, der unabdingbar wichtig für die Zukunft der Galaxis war. Außerhalb dessen lag nur etwas Undefinierbares. Vaash wollte ihre Werte akzeptieren und doch blockierten ihre Taten jedwede Zuneigung oder Akzeptanz. Doch nun hatte eine Jedi die klare Trennung zerworfen. Erklärte Feinde halfen einem Gegner. Ihm wurde von einer Jedi geholfen. Dennoch hatte der alte Mann seinen Willen verloren, sich zu ändern.

Er hatte nicht mehr die Kraft, das Weltbild vollständig aufzugeben. Sein Geist brauchte sich selbst und suchte keine heilsamen Ideale mehr. Tiberius Vaash war wieder hier. Er lebte noch und das war wohl das einzige, was wichtig war. Der Blick im Spiegel verriet es ihm, als ein paar Wassertropfen von seinem Bart herabfielen. Es war angenehm kalt, nicht die gleiche Kälte, die er gespürt hatte, als er aufgestanden war. Der Alte fand seine Verteidigung wieder. Es klopfte, der Türsummer surrte und die Tür öffnete sich. Ein Arzt trat herein, fand Vaash immer noch am Waschbecken. "Ich sehe, dass sie bereits aufgestanden sind. Schön, schön," sagte der Mann mit Baritonstimme und MediCorps-Uniform. Er trat näher, während sich der alte Vaash dezent herumdrehte, mit einem Handtuch in der Hand, um sich den Bart zu trocknen. "Sie sind wieder vollständig genesen und wir haben ihren Gesundheitsstatus bereits dem Oberkommando mitgeteilt. Ihre Familie erwartet Sie bereits im Foyer."

Tiberius Vaash warf erleichtert das Handtuch auf den Halter, lächelte nüchtern und nickte dem Arzt zu. "Ich freue mich, dass ich das Lazarett wohl verlassen kann?" Ein Satz, den er halb als Frage formulierte, um sicher zu gehen. "Selbstverständlich. Uniform oder zivile Kleidung," fragte der Arzt, der zu einem Spind unweit griff, um die graue Tür zu öffnen. "Uniform," sagte der Offizier knapp. Der Arzt zog die in Folie verpackte Uniform heraus, warf diese auf das Bett. Er bat dem Alten keine Hilfe an, da dieser recht aktiv wirkte und es sicherlich unwürdig war, einem Kriegshelden Hilfe anzubieten, bei einer solchen Bagatelle. Zum Abschluss stellte er die markanten Stiefel aus dem Spind heraus und den Gürtel mit leerem Holster. Hier trugen die Offiziere keine Dienstwaffe. Das Rangabzeichen, ein persönlicher Gegenstand befand sich mitsamt den Codezylindern in einem kleinen Tresor oberhalb des Spindes. "Ihr Abzeichen und die sonstigen Dinge befinden sich im Tresor," erklärte der Arzt, der auf das nicht so geheime Fach zeigte, welches mit einem Fingerabdrucksscanner versehen war. "Es ist auf sie eingestellt, Admiral." Tiberius Vaash näherte sich Bett, setzte sich auf die Bettkante und riss die Folie von der Uniform, die scheinbar frisch gestärkt worden war. Vaash war froh aus dem Krankenanzug zu kommen und endlich wieder würdige Kleidung zu tragen. Immerhin war diese Uniform alles wofür er stehen konnte. Sie war seine persönliche Ehre und trug nicht nur das Blut seiner Männer in sich, sondern auch sein eigenes. Leid aber auch Kampfgeist war mit ihr verknüpft. Er konnte sie nicht einfach bei Seite legen. Man trug sie mit Würde und Anstand, da sie für die Ehre stand, die er als Flottenoffizier verinnerlicht hatte. Ehre und Anstand, nicht nur Motto für den Alten, sondern auch Lebenseinstellung. Trotz der diversen Verfehlungen anderer Uniformträger, bedeutete sie ihm noch immer viel; auch als Symbol für die vielen Gefallenen von Eriadu. Tiberius Vaash brauchte diese Uniform, vielleicht sogar mehr noch als andere. Der Arzt beobachtete dies, lächelte zufrieden und trat dann wieder zur Tür, um dem wieder gesundeteten imperialen Offizier etwas Raum zu geben, damit dieser sich in gepflegter Ruhe einkleiden konnte. "Das Oberkommando lässt ihnen mitteilen, dass bald ein Verbindungsoffizier einfliegen wird," sagte der medizinische Offizier. Vaash brummte etwas und antwortete dann nüchtern: "Ich werde wohl wieder aktiviert. Ich hoffe, dass sie mir wenigstens etwas Zeit für meine Familie lassen." Immerhin hatte er diese lange nicht gesehen und beinahe sein Leben für sie gegeben. Etwas Zeit wollte er genießen können, bevor er wieder in den Krieg zog. Ihm war klar, dass er als Offizier und Soldat dem Krieg nicht entgehen konnte und man einem Fluch gleich an seinen Eid gebunden war. Es gab kein Entkommen aus einem Leben, welches er geführt hatte und noch weiter führen musste. Doch etwas Hoffnung blieb, dass ein paar Momente blieben, in denen er einfach nur der Mensch Tiberius sein konnte. "Das weiß ich nicht," kommentierte der Arzt. "Ich lasse sie noch einen Moment alleine, damit sie sich anziehen können." Damit trat der Mediziner ab und die Tür schloss sich hinter ihm. Vaash hingegen holte Luft, bevor er den Verschluss seiner Patientenkleidung öffnete, um mit dem Hemd sowie T-Shirt seiner Uniform beginnen zu können. Es begann also wieder.
Offline
Zitieren
 


Nachrichten in diesem Thema