#15
Gebrochen. Dieser Moment, wenn Menschen nicht mehr funktionierten, wenn der Geist den Körper völlig dominierte. Es war… inzwischen nichts besonderes mehr. Irgendwann, ja irgendwann hatte man eben alles gesehen. Isard blickte in die primitiven Triebe eines verängstigten Mannes, jeder anders und doch waren die Muster immer identisch. Er verkroch sich, als könne er dem entkommen, was geschah. Ein verständlicher, menschlicher Trieb, um Unangenehmes von sich fortzustoßen. Und wie alle anderen konnte er es natürlich nicht. Erst das Geräusch der aufgleitenden Türe, dann Stiefel, die eintraten. Über Vaash beugten sich die zwei uniformierten Männer von der Türe, verdunkelten die Lichter, die von oben auf ihn herabstrahlten. Grob zerrten sie die Decke von dem alten Mann hinunter, warfen sie achtlos auf den Boden, fixierten seine Hände und seinen Körper, jeder auf einer Seite. Vermutlich war es gar nicht notwendig, so wie der Alte reagierte, doch ehe er panisch um sich schlug, sicherte man ihn lieber.
„Wir werden sehen, Vaash“, sagte Isard mit hinter dem Rücken verschränkten Armen und trat zur Seite. Dort wo sie eben noch stand, schwebte aus der Tür heraus ein schwarzer, kugelförmiger Droide, gab beängstigende surrende Geräusche von sich, während er sich näherte. Zwei Finger von Isards Hand hoben sich und der Droide baute sich vor dem Admiral auf. Als die Nadel sich durch den Oberarm bohrte, war die Welt jedoch schon dunkel, ehe irgendein Schmerz gefühlt werden konnte.


„Kann das stimmen?“
„Ich habe es noch einmal selbst überprüft. Fehler sind ausgeschlossen, Madame Direktor“, sagte einer der beiden Geheimdienstmänner vor ihr. Isard blickte von den Daten des Droiden auf zu ihren Männern. Unerwartet. Die Extraktion durch den Verhördroiden hatte ergeben, dass der Mann in der Tat die Wahrheit gesagt hatte – sein löchriges Gehirn mochte nicht mehr alles abrufen können, doch in versteckten Gefilden waren noch interessantere Informationsschnipsel zu finden gewesen. Extraktion war gefährlich, barg sowohl die Gefahr, dass man Informationen zerstörte, die dann tatsächlich für immer verloren waren, bis hin zur Zerstörung des Geistes der verhörten Person, andererseits neigte die Extraktion auch zur Unzuverlässigkeit, weil Dinge falsch interpretiert werden konnten, mitunter sogar zweideutig waren. Daher wurde sie nur im äußersten Notfall eingesetzt, oder wenn es gar keine andere annähernd wirksame Möglichkeit zur Informationsgewinnung gab. In aller Regel waren normale Verhörmethoden zwar langwieriger, dafür aber langfristig gesehen auch gewinnbringender. Abgesehen davon war die Extraktion für den Verhörten auch weitaus gefährlicher und unkontrolliertbarer, wobei dieser Punkt für Isard nur untergeordnete Bedeutung haben konnte, insbesondere weil die meisten Verhörten ohnehin keinen Schutz verdienten und nur noch lebten, weil sie es entschieden hatte. Und letztlich konnte sie nicht darauf warten, bis Vaash eventuell irgendwann in der Zukunft wieder sein Gedächtnis fand und die im Detail Geschehnisse abrufen konnte – sofern das überhaupt wieder passiert wäre und nicht nur rein selektiv wie bislang. Und so… war die Abwägung eben zu seinen Lasten aus. Als sie den Punkt gefunden hatten, der ihnen offenbarte, dass Vaash sich kurz vor dem Streit mit Nigidus mit der Jedi unterhalten hatte, sah sich Isard zunächst in ihrer Theorie bestätigt – doch seine Gehirnaktivität dahingehend hatte am Ende sogar das Gegenteil getan. Vaash selbst hatte nur verwirrte Gedanken für die Person übrig gehabt, er hatte sie tatsächlich nicht gekannt. Das Gespräch selbst war nur noch in minimalen Punkten zu rekonstruieren gewesen, doch im Endeffekt war das für Isard auch gar nicht mehr entscheidend. Wenn Vaash sie nicht kannte, sogar selbst von ihr irritiert gewesen schien, insbesondere darüber, dass ein Alien eine ISB-Uniform trug, war eigentlich auszuschließen, dass er in irgendeiner Form mit ihr paktiert haben konnte. Vor allem ein kleiner, fast zu übersehender Gedankenimpuls, der sich in seinem Hirn manifestiert hatte, sorgte für seine Entlastung: Dieser wunderschöne imperiale Impuls zu denunzieren, die Frau zu melden, weil sie einem verdächtig vorkam. Ein eingeweihter Verschwörer hätte diesen Impuls niemals besessen. Die einfache Variante schied somit aus. Was auch immer tatsächlich dahinterstecken sollte, musste weitaus komplexer sein als bisher angenommen. Jedenfalls aber nichts, in das Vaash aktiv involviert war. Im Moment verstand die Direktorin nicht so viel wie sie gerne wollte.
„Dann geben wir ihn wieder frei“, sagte sie seufzend. „Sorgen Sie dafür, dass er überwacht wird, wo er auch immer im Anschluss landet.“
Vielleicht war Vaash nicht selbst Teil einer Verschwörung durch Staatsfeinde, spielte aber möglicherweise in irgendeiner Form eine relevante Rolle als deren nichtwissender Bauer. Vermutlich sollte er in Position gebracht werden, um daraus später einmal Kapital schlagen zu können – eventuell durch Erpressungen oder andere Möglichkeiten. Das ergab Sinn, einen Ansatz dahingehend bei Vaash zu finden, erschien ihr relativ einfach. Die Familie war sein Schwachpunkt. Doch für den Fall, dass es so weit war, würde ihr Geheimdienst da sein. Dann entweder um ihn zu überführen oder eventuell sogar, um dieses Mal Vaash vor der Verschwörung zu schützen. So waren die Dinge eben. Festlegen war gefährlich. Und ihre Organisation war immer so zweischneidig wie sie selbst – mal zerstörte sie einen, mal unterstützte sie ihn. Manchmal lagen nur Sekunden zwischen beidem. Aber Vaash verstand das. Auch wenn er sie dafür hasste.
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