#21
Tiberius Vaash ging in sich. Es war nicht an der Zeit für eine hektische Antwort, noch für überstürzte Aussagen. Merkwürdig war der Gedankenprozess in seinem Schädel. Weit in der Zeit zurück, gingen seine Gedanken, fern von diesem Ort. Der Alte erinnerte sich an die Zeit der Ausbildung, als er noch junger Kadett war und hörte die Worte, die einst sein Ausbilder Captain Rezzia zu ihm gesagt hatte: "Bedenke jede Entscheidung, da sie immer eine Konsequenz hat. Jedoch musst du entscheiden, das ist deine Aufgabe als Offizier, ob richtig oder falsch. Entscheide oder füge dich in ein fremdes Schicksal. Der Feind wird immer für dich entscheiden." Diese Sätze hatten sich in den Geist des damals jungen Vaash gebrannt. In den schlimmsten und denkbar ungünstigten Momenten kam die Erinnerung, um Heil oder endgültige Verdammnis zu bringen. In diesem Fall war es keines von beidem, sondern nur eine Beschreibung dessen, was der Admiral einst gelernt hatte und was für ihn einen Offizier auszeichnete. Man entschied sich. Spezifisch hatte er sich damals für Vesperum entschieden und gegen Pestage. Das war der Fakt. Auch wenn ihn vielleicht Ehre antrieb, hatte er sich für diesen Dämon entschieden. Es war der unauflösbare Widerspruch dieser Persönlichkeit. Fataler Fehler oder göttliche Eingebung? Tiberius Vaash konnte die Grenzen zwischen diesen beiden Positionen nicht mehr unterscheiden. Die Grenzen waren in diesem Krieg völlig erloschen. Handeln, entscheiden und weiter machen. Moralische Betrachtungsweisen erübrigten sich insoweit, da für den Alten jeglicher Gedanke daran Kummer bedeutete. Waren nicht Soldaten ohne Moral nur Söldner einer falschen Sache? Nicht daran denken. Nicht jetzt. Doch Cassio Acchetia hatte diesen Prozess in ihm verfestigt, wenn nicht sogar mehr Schwung gegeben. Gescheitert war der Admiral. Die größte Schlacht seines Lebens hatte er verloren; so grausam und steril war dies. Die Männer hatten ihm vertraut und er hatte sie enttäuscht. Der Alte war gebrochen. Seelisch und körperlich. Noch fehlte ihm neuer Mut. Neue Kraft, um erneut gegen die Republik aufzustehen. Doch, es gab keine Alternative, nicht mehr. Entweder Vaash entschied sich für einen totalen Rückzug, was bedeutete die Männer zu verraten, die für ihn gefallen waren, oder er kämpfte weiter, um deren Andenken zu ehren. Der Wert eines Soldaten ist nicht der Kampf, sondern die bedingungslose Aufrichtigkeit und Loyalität gegenüber jener Sache, für die man einst in den Krieg zog. Auch wenn diese Sache am ertrinken, zerbersten oder zerbrechen war. Ein Soldat ergriff Partei, immer und zu jeder Sekunde seines Dienstes. Nicht mehr an Vaash lag es, diesen Krieg zu beenden, sondern an den Welten der Galaxis. Der Alte, als Fossil dieses Reiches, würde sich selbst nicht ermächtigen, einfach Frieden zu machen. Leider erhoffte der Mensch hinter der Uniform diesen. Frieden - danach strebte man. Ein Krieg, alle Kriege zu beenden. Die kleine Hoffnung war dies. Der letzte Rest Kraft, die aufkeimte. Noch einmal aufraffen, nicht aufgeben. Jetzt wurden ihm die einstigen Worte seines inzwischen verschiedenen Ausbilders klar, was er meinte und intendiert hatte.

"Schreckliche Geister vergehen nicht," kommentierte der Alte schließlich auf die Aussage seines Gegenübers. Imperator Vesperum war ein Dämon, ein Schreckgespenst, welches sich erhoben hatte. Der Pakt mit ihm, hatte dem Offizier sein Imperium gerettet und der Preis war seine Seele sowie Ehre gewesen. Der Teufel machte immer die besten Angebote, deren Blutzoll oft lächerlich klein erschien. Der Flottenadmiral war sich seiner Rolle in diesem grausamen Spiel vollens bewusst; tragischerweise unfähig diese zu ändern. In dieser Hinsicht würde diese galaktische Heimsuchung nicht schwinden, da war sich Vaash sicher. Er hatte diese unglaublich fremde Macht gesehen, die diese Andersartigkeit von Mensch darstellte. Nein, so etwas verging nicht einfach so. Nicht ohne noch die Galaxis in die Hölle zu stoßen. Obwohl vielleicht war man schon dort und man weigerte sich dies zu erkennen. Vaash war sich sicher, dass er eines Tages diese Reise antreten musste, wenn der Teufel in Form von Vesperum seine Seele einfordern würde. Die Eroberung Coruscants war erst eine Anzahlung gewesen. Der Dämon würde unter Umständen irgendwann auftauchen, vorher würde er nicht sterben. Natürlich glaubte der Alte nicht an übernatürliche Mächte aber die Gestalt dieses Siths ließ auch ihn daran zweifeln. Diese dunkle Macht war unmöglich natürlich; widernatürlich war seine ganze Erscheinung. Eine Erklärung fand sich nicht, nur eine unruhige Gewissheit, dass es noch lange nicht vorbei war. Es war dieses schleichende Gefühl, welches Vaash zu seiner Aussage verleitet hatte.

"Pestage tut das, was jeder Politiker an seiner Stelle getan hätte. Der Moment ist günstig, also nehme ich mir das, was ich will," war der abschätzige Kommentar des Tiberius Vaash. "Er selbst ist nichts weiter als eine Funktion, die sich mehr anmaßt, als sie eigentlich dürfte."

Da war es. Vesperum war nie Vergangenheit, leider. Der Alte war sich sicher, dass diese Gestalt die Galaxis mehr konformt hatte, als ihm selbst lieb war. Das Imperium war radikalisierter, grausamer und brutaler geworden. Gut, dieser Prozess war schon unter Palpatine absehbar. Nur die Begründungen waren flacher, unausgereifter und manchmal schlicht offensichtliche Lügen. Doch man nahm es hin. War Pestage besser als das? Sicherlich nicht, da ihm diese dunkle Aura von Macht fehlte. Diese Figur von Stärke, die führte, regierte und mit seinem Willen Motivation schuf. Diese Motivation war selten gerecht oder fair aber sie stand im Leben eines jeden Imperialen. Der Großwesir hatte nie große Bedeutung für die meisten Imperialen gehabt. Vielleicht lag es auch mangelnden Personenkult. Das Imperium hatte nur zwei vergötterte Wesen: Palpatine und Vesperum. Ob es Pestage gelänge, in diese illustre Reihe aufgenommen zu werden? Wahrscheinlich nicht. Vaash mochte ihn nicht und sprach ihm dieses Recht ab.

"Ein schwacher Herrscher stützt ein Reich in der Krise nicht,"
sagte der Altgediente, wissend um seinen damaligen Verrat. "Unser Eid gilt dem Reich, der Sache und der Idee," folgte dann seine Auslegung des Eides, die zumindest für ihn selbst schlüssig war. Schlüssig genug, um Pestage damals zu hintergehen und Vesperum zu unterstützen. Diese Unterstützung sollte des Reich retten, was sie auch zeitweise getan hatte aber der Preis war hoch, wenn die Tat vor sich selbst rechtfertigen musste. Diese Rechtfertigung kostete seelische Kraft, zermürbte und machte einen selbst zu dem Feind, den man eigentlich bekämpfte: zum Verräter. Vaash wollte gerade Einspruch erheben, da es ihm nicht gefiel, wie Acchetia seine Lage so stoisch ertrug und bereit war zu sterben. Dem Alten war klar, dass der Stabschef untergehen sollte. Seine Zwischentöne, der Ausdruck in Acchetias Augen war sichtbar, dass er wahrlich nicht glücklich darüber war. Wenn man in Ungnade fiel, und dies beim angehenden neuen Herrscher, war es so, dass man oft schlicht entsorgt wurde, um Platz für loyale Anhänger zu schaffen. Vaash war nicht dumm, was Politik betraf, sonst hätte er damals nicht Vesperum auf den Thron gebracht. Gut, der ehemalige Stabschef hatte nicht auf seinen Rat gehört, die Offensive mit den fehlerhaften Anweisungen von Pestage dennoch zur Umsetzung gebracht; daraus konnte man einen Vorwurf stricken aber Vorwürfe würden Acchetia nicht retten. Hier ging es um einen Imperialen, der sichtbar in den Tod gehen wollte. Doch dem alten Mann fehlten die Worte, um darauf einzugehen. Er nahm es traurig hin. Der Beweis würde ein Beweis der unerschütterlichen Loyalität bis in den Tod sein. Cassio Acchetia hatte vorerst seine Ehre zurückgewonnen; in den Augen des Alten.

Jetzt wollte Acchetia mehr wissen. Mehr über ihn und Vesperum. Was sollte er über den Pakt mit dem Teufel berichten? Es war ein Fehler und gleichzeitig auch eine richtige Entscheidung. Vaash selbst war sich unsicher, wie er antworten sollte, blickte also zu Boden, zupfte an der Decke und holte Luft, bevor sein Blick erstarkte und zu Cassio zurück ging. "Es war...," sprach der Alte leise, fast so, als ob er keine Geister rufen wollte aber immer noch verständlich genug. "Es war notwendig." Das war es. Die schlichte Wahrheit, in einem knappen Satz vermittelt. "Vergöttert habe ich ihn nie," folgte dann als nächste Wahrheit, ähnlich knapp. "Es mag schwierig sein, dies zu begreifen. Ich diente immer dem Imperium, der Sache und Vesperum erschien mir eine sinnige Wahl als er an mich herantrat, mit seiner Idee eines starken Reiches." Der Alte seufzte, legte die Lippen zusammen und ließ die Mundwinkel fallen. Dann sprach er weiter: "Ich habe eine fatale Entscheidung für mich selbst gewählt, um die Sache zu retten, für die ich mein Leben aufopfere. Es war keine Karriere-Entscheidung oder eine Überzeugung, sondern schlichter Sachzwang. Pestage mag zwar ein guter Beamter sein aber er ist kein Staatenlenker. Dies hätte damals das Imperium nicht überstanden." Der Verrat und dessen Preis zeichnete sich erneut ab. Der wenig gelungene Selbstbetrug. "Da ich an die Front gehöre, niemals als Karrierist erscheinen wollte und meinen Männer treu war und bin, musste ich die Ernennung ablehnen, da mich dies unweigerlich an Vesperum gebunden hätte und damit vom Militär entfernt hätte." Vaash verkannte, dass er sich auch schon davor, unweigerlich an den Sith gebunden hatte. Nun man redete es sich schön. Menschen waren widersprüchlich und taten oft seltsame Dinge, nur um sich selbst zu rechtfertigen. Es war eine persönliche Sache, die dem Flottenadmiral schwer fiel. Es gab keine trennscharfe sowie saubere Erklärung. Wenn seine Worte und deren Aussprache sein persönliches Gericht waren, hatte er sich jetzt sein Urteil verdient.
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