#29
Mühsam kämpfte sich das Sonnenlicht durch die schweren Vorhänge und tanzte fast schon spöttisch über die Beine von Hanaar, der zerknirscht in einem alten Ledersessel saß und seinen Gedanken nachhing. In seiner Hand hielt er ein Glas, darin schwappte ein kläglicher Rest blassblauer Abrax-Cognac, der nun durch kaum merkbare Bewegungen von Hanaars Hand anfing im Glas zu rotieren. Der abservierte Flottenadmiral blickte nachdenklich auf die Flüssigkeit und dachte über seine Situation nach. Freigestellt, hatte man ihm gesagt, man müsste die Dinge neu organisieren und er sollte sich erst einmal erholen. Eriadu war eine klaffende Wunde und die Republik die Infektion, die daraus ihren Vorteil ziehen wollte. Hanaar, so empfand er es, wäre ein gutes Heilmittel doch das Flottenoberkommando war offenbar anderer Meinung.
Der alte Mann gab ein abwertendes Grunzen von sich, leerte das Glas und zog zischend Luft zwischen seinen Zähnen hinein, während sich der Cognac wie flüssiges Feuer durch seine Speiseröhre den Weg in den Magen bahnte. Der alte Sessel knarzte lautstark, als Hanaar sich langsam erhob, sein Blick schweifte durch das Zimmer. Tagelang hatte er nicht aufgeräumt, überall lagen Zettel, Kleidungsstücke und leere Plastibehälter – Zeugnis ungesunder Fertigmahlzeiten. Er zog sich seine Uniform zurecht, die er aus Gewohnheit auch privat trug und fing beiläufig an das Chaos zu bewältigen. Als er in den Spiegel blickte, erschrak er bei dem Anblick. Er schien um Jahre gealtert. Falten durchwanderten sein Gesicht, die Haare lagen wirr und unter seinen Augen hatten sich dunkelschwarze Ringe gebildet, sein sonst so wacher und durchdringender Blick war getrübt, die letzten Wochen hatten Spuren hinterlassen. Er ging weiter, sammelte Zettel auf, warf Müll in die dafür vorgesehenen Behälter und öffnete schließlich die schweren Vorhänge. Das Tageslicht durchflutete wie eine Explosion den Raum und er trat zwangsweise einen Schritt zurück. Nun, wo die Dunkelheit, die einen gewissen Schutz bot und als eine Art Kokon fungierte, gewichen war, entblößte sich das voller Chaos im Leben des Admirals. Er grunzte erneut, schüttelte den Kopf und beschloss, diesen Umstand umgehend zu ändern. Es gibt Zeiten im Leben eines Mannes, wo es eine einfache Entscheidung zu treffen galt: aufgeben oder weitermachen?
Aufgeben war noch nie eine Option in Hanaars Leben, also entschied er sich für Zweiteres. Er ging in Richtung Badezimmer und rief nebenbei über eine kleine Schaltfläche eine Handvoll kleiner Reinigungsdroiden, die umgehend aus einer Wandnische auftauchten und leise piepsend ihren Dienst verrichteten.
Nachdem Hanaar eine erfrischende Dusche genommen, seine Bartstoppeln entfernt und die Haare frisiert hatte, zog er sich eine frische Uniform an und kontaktiere via Holo das Flottenoberkommando. Er beorderte eine Fähre zu seiner Wohnung und würde das Schicksal nun selbst in die Hand nehmen.

Zischend fiel die Tür hinter Hanaar zu und versiegelte sich automatisch. Der Admiral setzte seine Mütze auf und atmete einmal tief ein, die Stille seiner Wohnung, der Kokon den er sich selbst geschaffen hatte, wich dem städtischen Lärm von Coruscant. Endlose Schlangen von Luftfahrzeugen zogen sich wie Adern durch die Häuserschluchten der planetaren Stadt. Obwohl hier in den oberen Ebenen der Verkehr automatisch geregelt wurde und kein Vergleich zu dem Chaos war, das in den unteren Ebenen herrschte, erschien es Hanaar stets wie ein Wunder, dass bei dem vermeintlichen Wirrsal nicht permanent etwas Schlimmes passierte; allerdings selbst wenn , wäre es ihm egal, ein Mann in seiner Position wurde sowieso auf separaten Routen chauffiert und mit dem städtischen Verkehr in der Regel nicht direkt konfrontiert.

Wie auf Kommando landete eine imperiale Fähre in der Nähe auf den dafür vorgesehenen Plattformen. Hanaar blickte sich noch einmal um und richtete seinen Blick auf den Wohnkomplex, der auf dem Papier als sein Zuhause tituliert wurde und vermutlich vorher einigen höher gestellten Persönlichkeiten gehörte, die aber freiwillig oder unfreiwillig umgesiedelt bzw. vertrieben wurden, um Platz für die Mitglieder der imperialen Flotte und ihre Familien zu schaffen. Da Hanaar keine Familie hatte, beschränkte sich seine Unterkunft auf eine mittelgroße Wohnung mit lediglich drei Zimmern, von den er auch nur zwei spärlich eingerichtet hatte. Tatsächlich empfand er eher die Brücke eines Raumschiffes als seine Heimat und Heimweh war ein Gefühl, welches ihn schon seit geraumer Zeit plagte.
Die Rampe der Fähre öffnete sich und ein Pilot stieg hinaus. Der Admiral klemmte sich seine Aktentasche aus dunkelbraunen Lederis unter den Arm und ging dem Piloten entgegen.
"Admiral", bemerkte dieser förmlich und salutierte kurz, Hanaar nickte lediglich und ging unvermittelt weiter die Rampe hinauf hinein in die Fähre. Der Pilot folgte und setzte sich an seinen Platz direkt neben dem Admiral, der es wie immer vorzog vorne zu sitzen.

Die Fähre hob sich langsam, drehte sich einmal um die eigene Achse und flog dann vorwärts über die Dächer des Wohnkomplexes hinweg in Richtung des Imperialen Oberkommandos. Hanaar hatte sich seine Tasche auf die Beine gelegt und saß gerade im Stuhl, den Blick nach vorne fixiert, und hing seinen Gedanken nach. Er musste raus aus diesem Moloch, zurück auf die Brücke eines Schiffes und bestenfalls in den Kampf. Er seufzte, scheinbar lauter als er wollte, denn der Pilot wurde plötzlich aktiviert und fing an zu reden.
"Ich bin noch nicht lange auf Coruscant", sprach er und blickte kurz zu Hanaar rüber. Dieser räusperte sich und antwortete dann: "Nun, dann willkommen, Leutnant.""Vielen Dank, ich muss sagen, hier im Imperialen Zentrum zu sein ist eine große Ehre." Der Admiral verdrehte die Augen. Noch so ein Idealist, der frisch von der Akademie versetzt hier seine ersten Aufgaben verrichtete, vermutlich ein Offiziersjahrgang mit ehrenvollen Zielen und dem Wunsch, die Galaxie zu verbessern. Innerlich lächelte Hanaar, er hatte das Gefühl, dass dies bei ihm vor ziemlich exakt 1000 Jahren der Fall gewesen sein muss. Mittlerweile ist die Euphorie der Ernüchterung gewichen, dass der Frieden nur daraus bestand, sich permanent gegen andere Aggressoren zu wehren oder aber Andersdenkende zu unterdrücken. Sein Idealismus hatte sich in Pragmatismus verwandelt. Als von Hanaar keine Antwort erfolgte, setzte der Pilot wieder an. Zeitgleich manövrierte er die Fähre vorbei am Verkehr zu einer extra für das Militär angelegten Route. "Tatsächlich hatte ich mir Coruscant nicht so groß vorgestellt, ich bin immer noch...""Leutnant", fiel Hanaar dem Piloten ins Wort, "Fühlen Sie sich nicht dazu veranlasst, mir Ihre Lebensgeschichte zu erzählen." Der junge Pilot schluckte kurz und errötete leicht. "Nein, natürlich nicht, Sir. Ich wollte nur...""...mich schweigend zum Ziel bringen.", beendete der Admiral den Satz, warf einen vielsagenden Blick zum Piloten, dieser nickte und konzentrierte sich dann wieder auf seine Aufgaben. Während der restlichen Fahrt wurde kein weiteres Wort gesprochen und Hanaar nutzte die Ruhe, um seine Gedanken zu ordnen.
Eigentlich hatte er keinen wirklichen Plan, er flog zum Oberkommando, um sich einen Überblick zu verschaffen, aber vor allem auch, um sich wieder in Erinnerung zu rufen, er wollte eine Aufgabe, er brauchte eine Aufgabe, andernfalls würde er vermutlich verrückt werden.
Die Fähre flog eine langgezogene Linkskurve und passierte eine weitere Häuserfront, ehe sich vor dem Cockpit der riesige Platz des Oberkommandos der Flotte offenbarte. Augenblicklich flankierten zwei TIE-Fighter die Fähre, der Pilot gab ein paar Daten durch und erhielt eine festgelegte Landeposition. Die Fähre flog eine kurze Schleife, verringerte dann die Höhe und landete schließlich auf einer der unzähligen Plattformen. "Vielen Dank", der Admiral lächelte kurz, der Pilot ebenfalls. "War mir ein Vergnügen. Alles Gute, Sir."
Hanaar legte den Kopf leicht schief, die Worte des Piloten hatten ironischerweise etwas Prophetisches an sich, obgleich sie natürlich nur eine höfliche Abschiedsformulierung waren. Er erwiderte dies, wünschte dem Piloten ebenfalls viel Erfolg und stieg dann aus.

Augenblicklich fühlte sich Hanaar besser, als er seinen Blick über die Landeplattform hinaus in Richtung des Oberkommandos richtete. Überall liefen vereinzelte Soldaten und Offiziere, manche standen paarweise und unterhielten sich, andere gaben oder empfingen Befehle, alles lief wie ein Uhrwerk, ein musterhaftes Beispiel von Effizienz. Er klemmte sich die Tasche wieder unter seinen Arm und marschierte straff in Richtung des Eingangs. Im Inneren war die Geschäftigkeit nicht minder präsent, neben den unzähligen Angehörigen der Flotte und Armee gesellten sich eine Vielzahl an Droiden. Mausdroiden, die durch die Menge hindurch huschten, stets leise fiepend, oder Protokolldroiden die Gäste empfingen und geleiteten.
Einer dieser Protokolldroiden ging nun in Richtung Hanaar. Es war ein imperiales RA-7-Standardmodell mit schwarzer Lackierung. “Grüße, Flottenadmiral Varpasi. Ich bin RT-3G, Protokolldroide im Auftrag des Galaktisches Imperiums.““Ach, wirklich?“, bemerkte Hanaar trocken. Der Droide ließ sich davon natürlich nicht irritieren und sprach weiter: “Sie werden bereits erwartet, bitte folgen Sie mir.““Wie kann ich denn erwartet werden?“, fragte der Admiral, während er einen Schritt hinter dem Droiden lief und dabei dem Treiben um sich herum weiter seine volle Aufmerksamkeit schenkte. Er nickte gelegentlich, wenn ihm salutiert wurde. “Offensichtlich hat sich Ihre Ankündigung hier zu erscheinen mit dem Befehl sie anzufordern überschnitten. Bitte, hier entlang.“ Der schwarze Protokolldroide zeigte auf eine Tür, die zum Vorraum von Flottenadmiral Vaash führte. Hanaar ignorierte den Droiden und ging langsam in den Vorraum, eine junge Empfangsdame hinter einem viel zu großen Schreibtisch lächelte ihm freundlich zu und zeigte auf eine bequeme Sofa-Kombination. “Bitte, Sir, nehmen Sie Platz. Der Admiral wird sich sofort um Sie kümmern.“ Der Protokolldroide verabschiedete sich und ging dann weiter, im Gang hörte Hanaar noch dumpf, wie er sich einer anderen Person vorstellte; offenbar geleitete der Droide den ganzen Tag über nur Personen von A nach B.

Er setzte sich, ordnete seine Aktentasche auf seinen Beinen und wartete. Er hatte von Vaash seit der Niederlage von Eriadu nichts mehr gehört, der alte Mann ist im Kampf verwundet worden, soviel wusste er, allerdings nicht, wie schwer. Eriadu war das Salz in Hanaars Wunde. Eine schwere Niederlage, die erste für Hanaar, die ihm das Kommando kostete. Er wusste natürlich, dass Vaash keine Schuld an der Niederlage trug und er respektierte den alten Veteran, doch trotzdem sah er in ihm auch die Schwäche der alten Garde. Ein vorsichtiger Taktiker, der sich seiner Meinung nach viel zu viele Gedanken um Mensch und Material machte und dabei das Ziel scheinbar nicht immer vor Augen behielt. Für Hanaar, der auf solche Befindlichkeiten nichts gab, war dies ein Zeichen der Schwäche. Trotzdem hatte sich Vaash schon mehrfach ausgezeichnet und diese Tatsache durfte man nicht ignorieren. Die Frage, die ihn aber jetzt vor allem beschäftigte war: Was wollte er?
Offline
Zitieren
 


Nachrichten in diesem Thema