#3
Der Captain verdrehte genervt die Augen. Man konnte auf Wörtern herumreiten, sie sich zurechtbiegen, gerade eben so, um vermeintlich zu zeigen wie gut man doch verstand, noch ein letztes bisschen Missbilligung hindurchblicken lassen. Aber wurde es dadurch besser? Oder stellte diese trotzige Provokation, als die es Donnovan ansah nur die Ausgeburt der Verzweiflung dar? Manche Wesen starben im Blasterfeuer, andere daran, weil sie dem Schrecken dabei zusehen mussten, wie eine seine Arbeit verrichtete und dann mussten sie weiterwandeln. Zurückgelassen und allein, vielleicht vom Wunsch beseelt auch endlich Erlösung zu finden. Aber er war weder Richter noch Henker und würde sich an dieser Stelle nicht die Blöße geben sich zu einer emotionalen Überreaktion hinreißen zu lassen. Zwar konnte der Captain all die Gefühle gut nachvollziehen, doch sein rationaler Verstand erkannte auch wie unnötig viele ihrer Äußerungen waren. Woanders hätte sie längst eine Tracht Prügel bezogen. In seinen Gedanken lachte es trocken... woanders... Dieses woanders war gar nicht so weit weg. Genau gekommen standen sie sogar mitten drin. Es war das Imperium selbst. Selbst hier, auf diesem Schiff. Ein anderes Mitglied der Mannschaft hätte gereicht, irgendein junger Leutnant, der sich gegenüber der geschundenen Seele aufspielen konnte, der sie vermochte weiterhin zu quälen und mehr hätte es nicht gebraucht und das Ding hätte um den Tod gebettelt. Zu seiner Verwunderung aber, schien es dieser Frau in keinster Weise tatsächlich bewusst zu sein, in welch heikle und tödliche Lage sie geraten war, doch konnte sich der alte Mann keinen Reim darauf machen. Mochte manche ihrer Worte nur um des Widerspruchs wegen gefallen sein, doch Donnovan glaubte nicht, dass ihre Naivität, die sie dem Imperium gegenüber an den Tag gelegt hatte, gespielt gewesen war. Konnte jemand tatsächlich derart unwissend sein? Selbst auf anderen Randplaneten, die noch abschüssiger Lagen als Firrerre, war das Reich bekannt und gefürchtet. Dafür hatten Männer wie Tarkin wohl gesorgt. Die einzig plausible Erklärung war wohl, dass die Sephi sich nicht sonderlich für die weltlichen Belange interessierte, die die Galaxis in Atem hielt.

Ihre Unkenntnis über das Interesse Nigidus' an ihr, untermauerte seine Vermutung. Sicherlich war Nigidus alles andere als eine weltliche Persönlichkeit und schien sich nur marginal für materielle Dinge zu interessieren... nun... überhaupt schien sie Dingen nur wenig bis keine Bedeutung beizumessen, die nicht in direktem Zusammenhang mit ihr standen oder der Institution, die sie augenscheinlich verkörperte. und an dieser Stelle tat sich ein erneutes Unverständnis in Donnovans Gedanken auf. Er hatte vorher nie darüber nachgedacht, zweifellos, weil es dazu gar keinen Grund gab, doch nun, urplötzlich mit dieser Sephi vor seinen Augen, schienen sich die Perspektiven ein wenig zu verschieben. Er dachte an Isard und Nigidus, ihren Zusammenhang und wie so etwas überhaupt zusammenpassen konnte. Die Direktorin des Geheimdienstes war gewiss nicht zimperlich und konnte allemal so grausam sein wie Palpatine selbst, aber in ihren Bahnen war sie vernünftig. Sie agierte nach Plan, wägte Kosten und Nutzen kühl ab und machte ihren Zug. Die Inquisitorin selbst schien das genaue Gegenteil darzustellen und schien, anders als die Direktorin, die Grenzen ihrer Befugnisse nicht wahrzunehmen - oder sie betrachtete derartiges schlichtweg als entbehrlich. Am beunruhigendsten war gewissermaßen diese Macht selbst. Denn Nigidus besaß sie und es war keineswegs die Rede von militärischer Autorität, die Flotten dazu zwang verzweifelte Schlachten zu schlagen. Nein, die Macht dieses Weibs war echt, wenn auch nicht fassbar. Sie besaß etwas, das im Imperium offiziell gar nicht da war. Das nicht existierte, weil Palpatine es vor über zwanzig Jahren ausgelöscht hat, mitsamt den Jedi. Aber einige hatten scheinbar überlebt und Nigidus war eine von ihnen. angepasst und umgekrempelt um dem Imperium zu dienen. Scheinbar. Zweifellos wusste Isard, dass ihre Inquisitorin zu den offiziell geächteten Personen gehörte, der interessante Gedanke war lediglich, ob Isard merkte, wie ihr die Kontrolle über diese Monster entglitt und sie sich verselbstständigten. Selbst wenn Vesperum nicht auf den Thron zurückkehren sollte. Selbst wenn Pestage sich würde durchsetzen können - Personen wie Nigidus blieben, für sie war es ein leichtes den unerwünschten Herrscher zu beseitigen und durch etwas... annehmbares auszutauschen. Die Stirnfalten wurden tiefer, als ihn neue, teils krude Gedanken einholten. Mochte das am Ende sogar Isards Plan sein? Konnte all dies beabsichtigt sein?

Donnovan blinzelte vorsichtig. Nein, hier ging es nicht um Verschwörungen. Es ging nur darum, was Nigidus von der Sephi will, was ihr dieses unschuldige Wesen geben könnte. Und bei aller Perversion, bei aller Begeisterung für Sadismus, schätzte der Captain die Inquisitorin nicht so ein, dass sie Bedarf an Sklaven hatte. Es musste etwas anderes sein, vermutlich aber, würde er mit seiner rein weltlichen Sicht nie erkennen können, was es war. Er hätte nicht Fragen sollen, hätte seine Neugier zügeln müssen, denn plötzlich schienen sich die Fragen nur vervielfältigt zu haben und doch erkannte er auch das Leid, die Müdigkeit in den Augen der jungen Dame. Selbst wenn er darauf bestand, selbst wenn er weiter in diesem Nest herumstocherte, würde an diesem Tag kaum noch etwas dabei herauskommen. Er würde sich gedulden müssen und so nickte er nur einen Moment nachdenklich, ehe er den Weg zur Tür freigab. "In Ordnung, dann lassen Sie sich von Reisz durchchecken, er wird Sie anschießend zu Ihrer Zelle begleiten." Zelle. Donnovan wusste wie lächerlich das klang. Die Frau schien mehr Verschleppte als Gefangene zu sein. Ein Gefängnis setzte irgendwo ein Vergehen voraus, damit es gerechtfertigt war. So wie er die Lage bis dato beurteilen konnte aber, war das einzige Vergehen dieser Frau Nigidus in die Hände zu fallen, die ihr jegliche Würde aberkannte - im Gegenzug dafür, dass sie von Firrerre gerettet wurde? Nachdem er bereits einige Schritte getan hatte, hielt der Captain noch einmal inne. Eine Kleinigkeit konnte er noch tun, es würde ihr nicht unbedingt helfen, doch er hatte es ohnehin vor. "Ich werde das Oberkommando von der Zerstörung Firrerres informieren. Es gab keinen militärischen Befehl, es war allein die Entscheidung der Inquisitorin. Das bringt Ihnen den Planeten zwar nicht zurück... aber vielleicht gibt es wenigstens ein klein wenig Gerechtigkeit. Es war nicht immer so..." Nein. Erst seit dem Todesstern. Aber es brachte nichts die Verantwortung auf einen wahnsinnigen Imperator allein zu reduzieren. Sie alle trugen Schuld daran und früher oder später würden sie dafür Buße tun müssen. Donnovan war weder besonders spirituell noch philosophisch geprägt, aber er wusste, dass sie früher oder später alle den Preis für ihre Unterstützung der Unmenschlichkeit würden zahlen müssen und wenn es die Monster selbst waren, die ihre Herzen fraßen.

Hinter dem Namen Reisz verbarg sich ein schmächtiger Mann mit einem stoppeligen Dreitagebart in einem strahlend weißen Arztkittel, der nicht so recht zu seiner übrigen Erscheinung passen mochte. Reisz wirkte alt, nicht so alt wie Donnovan, aber nicht minder gezeichnet. Sein Haar ergraute mehr und mehr und ein gut sichtbarer Augenring verriet, dass der Doktor weniger schlief, als eigentlich gesund war. Das andere Auge wurde von einem schwarzen Pflaster verdeckt, unter dem noch einige alte, schlechtverheilte Narben zu sehen waren - die Wunden aus einem Krieg, der älter war als dieser, vielleicht sogar schrecklicher. Der Bürgerkrieg beschränkte sich zum Großteil auf Raumkämpfe und aus Reisz sich, war das immerhin eine saubere Art der Galaxis Lebewohl zu sagen. Damals gab es diese Gnade nicht. Damals musste er Leben retten, kaum mehr erkennbare Soldaten wieder zusammenflicken, während Artilleriegranaten und Blasterstrahlen um ihn herum einschlugen. Und als der Schrecken vorbei war hatte Reisz gehofft er könnte einfach aufhören und gehen... bis... nun bis das Imperium kam. Nun saß er hier, halb versteckt hinter einem Berg Flimsi, das Auge starr auf einen Monitor gerichtet. Reisz gehörte zu jenen Pechvögeln, deren Zwangsdienst aus den Klonkriegen, einfach in das Imperium importiert wurde. Sie waren nun nicht mehr temporäres Mitglied der Armee, als sie noch alle dachten, nach dem Klonkrieg wäre Schluss, nein, nun waren sie verpflichtet so lange zu dienen, bis man sie entließ - was spätestens mit dem eigenen Ableben geschehen dürfte. Reisz schien seinen Besuch indes kaum registriert zu haben, oder es interessierte ihn nicht. Kurz reckte er sein Kinn in die Höhe und kratzte sich ausgiebig daran. "Willkommen auf der imperialen Medistation B-21. Bitte wenden Sie sich bei Beschwerden an den diensthabenden Arzt Garl Reisz.", begrüßte eine freundlich bis penetrant klingende Droidenstimme die eingetretene Sephi, als es hinter dem Schreibtisch auch schon laut "Hmm?" machte. Der Arzt drehte sich auf seinem Stuhl herum und schien nun endlich zu realisieren, dass er tatsächlich Besuch hatte. "Ah, Sie.", war seine sehr... ernüchternde Begrüßung. "Routinecheck, ja? Nehmen Sie auf der Liege platz...". der Arm steckte sich nach vorn und deutete auf das recht große Gerät in der Mitte des Raumes, das von zahlreichen Konsolen umgeben war und ein wenig altmodisch wirkte, "...wir werden Ihnen ein wenig Blut abnehmen und Sie einmal durchleuchten."
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