#20
Im Schein der blauen Hologrammkarte, die für ein wildes Schattenspiel auf Cassios kantigem Gesicht sorge, blickte der Vizeadmiral auf den ihm letztlich nun vorgesetzten Offizier. Eine ungewohnte Situation. Seine Augen musterten den Alten von oben herab, was jedoch weniger an einer arroganten Einstellung seitens Cassio lag, sondern dem schlichten Grund geschuldet war, dass der Repulsorstuhl für einen naturgemäß deutlich sichtbaren Höhenunterschied der beiden sorgte. Kommentarlos sahen die Augen des früheren Stabschefs den im Grunde mitleiderregenden Rest eines einst stolzen Offiziers an. Vaash wirkte alt, sehr alt, wie ein Mann in Pension, der seine Decke im Schaukelstuhl zurechtlegte, um seine kalten Füße zu wärmen. Nun, dieser Krieg hatte alle gezeichnet, auf die eine oder andere Art. Den einen körperlich, den anderen geistig. War es das, was Cassio auch bevorstand? War das die Zukunft? Ein armer, alter, abgewrackter Mensch, der gerade einfach nur Mitleid bei anderen erregte. Oder war Cassio genau das nicht bereits schon? Verglichen mit dem, was er einst sein eigen nennen konnte und wie er früher gewesen war, konnte man das vielleicht so sehen. Nicht dass er das tun würde. Wahrscheinlich war es doch besser so, ohne Ablenkung, ohne Gedanken an die Frau zuhause. Man war fixierter, konzentrierter und darüber hinaus… waren diese Gedanken apologetischer Schwachsinn. Nein, natürlich war es nicht besser so. Wie zynisch war allein schon, dass ihm dieser Gedanke wieder und wieder kam? Es hatte keinen Sinn, sich die Dinge schön zu reden. Und im Angesichte des Zustands von Vaash weigerte sich Cassio, noch irgendetwas Gutes an dem Umstand sehen zu wollen, schönreden zu wollen, wie schlecht und kompliziert es doch früher gewesen war. Cassio war durchaus bewusst, dass er sich damit selbst betrog. Aber was blieb ihm übrig? Es war eben so und nichts würde das jemals ändern können. Egal, wie er damit umging. Krieg war nun einmal Krieg. Und im Krieg starben Menschen, auch solche, die es nicht verdient hatten. Hätte man ihm die Wahl gelassen, hätte wohl er lieber diesen einen Platz auf dem Todesstern ausgefüllt – er als richtiger Militär wäre zumindest ein passendes Ziel gewesen, der sich dessen jederzeit vollumfänglich bewusst gewesen war, und er war wohl auch der schlechtere Mensch der beiden gewesen. Cassio seufzte innerlich. Er würde auf seine alten Tage hin doch nicht noch weinerlich, selbstmitleidig werden. Das Imperium duldete keine Schwäche. Seine Entlassung war wohl nur die logische Folge, obwohl er sich zu fragen begann, ob seine Schwäche Ursache oder lediglich Wirkung war.

Als Cassio nach einer schier endlosen Zeit instinktiv zu blinzeln begann, zerplatzten seine Gedanken und er fand sich im Oberkommando wieder. Vaash hatte sich in der Zeit mithilfe des Repulsorstuhls bis an den Rand des Kartentischs vorbewegt und betrachtete die dreidimensionale, strategisch stilisierte Darstellung der Galaxis, die über den Tisch projiziert wurde und mit zahlreichen gestrichelten Linien für befestigte Verteidigungsstellungen und rechteckigen Symbolen für die Position imperialer Flotten einen Abriss über die Einsatzbereitschaft der imperialen Flotte aufzeigte. Nahe der gestrichelten Linie bei Yag’Dhul konnte Vaash die Todesschwadron unter Admiral Prittick erkennen, deren Symbol jedoch mit einer roten Gerade geschmückt war, andeutend, dass die Flotte immer noch von Eriadu schwer beschädigt war und für einen Einsatz derzeit kaum zur Verfügung stand. Vielleicht war es aber immerhin das erste Lebenszeichen, das der alte Admiral von der Flotte, bei deren Flucht er über Eriadu mitgeholfen, die er jedoch gar nicht mehr selbst miterlebt hatte, sehen konnte. So teuer es dem Imperium zu stehen gekommen war und so wenig sich die Verluste rechnen würden – zumindest dieser minimale Teilerfolg war gelungen. Das Imperium hatte demonstriert, dass es seine verdienten Truppen nicht zurückließ. Und für diese Demonstration mit dem Leben hunderttausend Anderer bezahlt. Wenn man die Leben gegeneinander aufwog, musste man zu dem Schluss kommen, dass kaum jemand außer den dankbaren Soldaten der Todesschwadron wirklich glücklich damit sein konnte. Und selbst einige hiervon haderten mit sich, weil ihre eigene Rettung mit viel Blut erkauft war.
„Richtig, Sie sagen es. Abgesehen vom Imperator, wiederholte Cassio die Worte Vaashs und fixierte diesen erneut. Vergrämt, aber fast mit einer Portion schwarzem Humor kamen die Worte aus seinem Mund. Er sprach es nicht aus, aber der entschlossene, bittere Tonfall implizierte ganz eindeutig und bestätigte dadurch Vaashs Vermutung, dass nicht nur irgendeine wichtige Person oder die Großadmirale für die Entlassung Cassios verantwortlich waren, sondern in der Tat der aktuell berechtigte und bald offizielle Herrscher des Imperiums. Eine Person, der man, wie Vaash selbst einräumte, als Militär in der Tat nicht widersprach. Für einen Imperialen war es ein Desaster, wenn das allmächtige Staatsoberhaupt das Vertrauen und den Glauben in die eigene Person verloren hatte. Letztlich bedeutete das nur eines: Die Person wurde als entbehrlich angesehen, ja in gewisser Weise empfand man sich selbst als entbehrlich, weil man dem Ideal, aufgrund dessen man in das imperiale Militär eingetreten und für das man so lange gekämpft hatte, nicht mehr dienen konnte. Vielleicht erstrahlten die vorherigen, bissigen Worte Cassios Vaash gegenüber so noch einmal in einem anderen Licht.

„Möglich“, entgegnete Cassio vieldeutig auf Vaashs indirektes Lob an Imperator Vesperum. Letztlich konnte der Vizeadmiral das nur schwerlich beurteilen, hatte er Vesperum nur ein Mal – unerwartet – über eine Holo-Konferenz persönlich gesprochen. Eine extrem eigenartige Erfahrung, die ihn in seltenen Nächten manchmal noch wachzuhalten schien. Nichtsdestotrotz hatte der alte Imperator ihm bei der Erledigung seiner Pflichten freie Hand gelassen, Pestage dagegen nicht. Im Prinzip war es Cassio aber nunmehr gleichgültig. Sein Schicksal stand fest und auch ein noch lebender Vesperum würde daran nichts mehr ändern.
„Doch man sagt, Vesperum sei tot, obwohl die Umstände bekanntlich unklar sind. Ich bezweifle allerdings, dass Pestage den Senat konstituieren würde, wenn er vom Gegenteil ausginge.“
Das wäre zweifellos eine Anmaßung ohnegleichen gewesen, die in Pestages sofortige Hinrichtung führen würde und dessen war sich der bürokratische Stratege zweifelsohne bewusst. Nein, wenn Sate Pestage sich zum Imperator machen wollte, dann war klar, dass mit keiner Rückkehr Vesperums zu rechnen war. Über viele Monate hatte das Imperium auf die Rückkehr des mysteriös verschwundenen Mannes gewartet, doch irgendwann mussten sie alle die Realität akzeptieren. Der Mann, der aus dem alten Maroden ein neues Imperium zu schmieden versucht hatte, würde nicht wiederkehren. Cassio rechnete damit, dass die ersten Verbündeten Vesperums, Blitzer Harrsk und Malfkla Yzu, bereits mit den Hufen scharrten. Es konnte eine erneute Spaltung, vielleicht gar ein Putsch bevorstehen, da nicht davon auszugehen waren, dass diese beiden sich ausgerechnet nun Sate Pestage als Imperator beugen würden, wo sie es unmittelbar nach der Schlacht von Endor schon nicht getan hatten. Es hatte sich wenig an den Umständen geändert, dass sie nicht erneut danach trachten würden, Pestages Position zu schwächen. Die Vorzeichen der nächsten Monate waren nicht weniger finster als die der letzten. Wenn Pestage offiziell vom Senat als Imperator bestätigt wurde, würde nach Cassios Einschätzung erneut die Hölle losbrechen. Die Frage würde lediglich sein, auf welcher Seite man dieses Mal stand. Aber nein, diese Frage stellte sich nicht. Zumindest nicht für Cassio. Nein. Selbst unter Pestage war das Imperium im Zentrum die legitime Regierung, die es zu unterstützen galt – selbst wenn man die Person an der Spitze ablehnte. Alles andere war feiger Opportunismus.
„Vesperum ist Vergangenheit“, führte Cassio seinen Gedanken weiter. „Das Imperium wird mit seinem neuen Herrscher klarkommen… müssen. Egal, ob es dem Einzelnen gefällt oder vielleicht auch nicht. Wie Sie selbst sagten: Wir dienen der Sache, nicht der Person. Ein Eid ist ein Eid und jeder war sich bewusst, was das bedeuten kann. Es zu akzeptieren unterscheidet den Soldaten vom Söldner.“
Cassios braune Augen verschoben sich von Admiral Vaash gut sichtbar auf dessen Repulsorstuhl, wo sie für einen Moment ruhten, ehe sie sich zurückbewegten.
„Ihre Situation macht das weitaus klarer als meine. Nun ist es eben an mir, diesen Beweis zu erbringen.“
Obwohl er Vaash damit relativ direkt zu loben schien, erinnerte sich der Vizeadmiral aber dennoch in seinem Inneren sehr gut daran, dass es noch nicht lange her war, dass Vaash seinerseits seinen Eid auf das Imperium zugunsten von Vesperum… nun… sehr weit interpretiert hatte. Hätten Vaashs Truppen die Schlacht von Coruscant verloren, bestand kein Zweifel, dass er damals als Verräter ohne zu zögern beseitigt worden wäre. Ja, auch Cassio hätte seinerzeit – ohne mit der Wimper zu zucken – einen solchen Befehl zur Hinrichtung des Alten gegeben. Rein faktisch hatte Admiral Vaash das Imperium unter Pestage ein Mal verraten und ähnlich wie Harrsk und Yzu galt er bekanntlich als einer der ersten Verbündeten Vesperums. Wer Pestage ein Mal misstraute, würde es auch jetzt wieder tun. War das etwa der wahre Anlass von Vaashs Besuch? Planten er, Harrsk und Yzu einen weiteren Staatsstreich? Das schien zwar theoretisch Sinn zu ergeben, doch Vaash wirkte auf Cassio sehr müde und weitaus älter als bei ihrem letzten Zusammentreffen. Nicht nur körperlich. Dass der alte Admiral die Kraft besaß, noch einmal aufzubegehren, empfand Cassio zumindest in diesem aktuellen Zustand als fraglich, obwohl der fürsorgliche Blick des Mannes durchaus von Wärme und einem weiterhin fixierten Geist zeugte. Ein Blick, der Cassio zwar nicht direkt rührte, aber dennoch irgendeine Form von Eindruck zu machen schien. Paradoxerweise führte er dazu, dass ausgerechnet Cassio das Gespräch dadurch in eine persönliche Richtung driften ließ.
„Sagen Sie mir, Vaash. Wie war das überhaupt mit Ihnen und Vesperum?“, fragte er in wenig ausgefeilten Worten. Jetzt, wo Vesperum tot war, konnte man darüber auch offener sprechen, ohne in Gefahr zu geraten. „Einige wenige sagen, Sie hätten ihn vergöttert wie nach Ishin-Il-Raz wohl kein zweiter. Und auch jetzt scheinen Sie ihm nachzutrauern. Andererseits lehnten Sie aber seinen Vorschlag zum Großadmiral ab. Auf einen Außenstehenden scheint das nicht zusammenzupassen.“
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