#14
Eine Zeit lang saß Cassio lediglich alleine auf dem Stuhl in seinem persönlichen Büro, die Ellenbogen auf dem Tisch platziert und die Fingerspitzen beider Hände in der Luft aneinandergelegt. Brütend betrachtete er das Büro, das in den letzten Jahren mehr oder minder zu seinem neuen Zuhause geworden war. Schreibtischarbeit war innerhalb des Imperiums zwar nicht die angesehenste Arbeit im Militär, doch hatte ihn das nie gekümmert. Er hatte viele der selbsternannten Wagemutigen, die meinten, ihn über Ruhm und Ehre ihres Frontdienstes aufklären zu müssen und sich abfällig über den Stabsdienst geäußert hatten, kommen und gehen sehen. Nicht wenige davon hatte er schlussendlich nie wieder gesehen und sie waren irgendwann in einer zumeist belanglosen Schlacht gefallen, weil sie unbedingt ihren Wert beweisen wollten, um weiter nach oben zu gelangen. Er dagegen, Cassio Acchetia war geblieben. Er war die Kontinuität. Daher interessierte ihn solches Geschwätz schon lange nicht mehr. Cassio hatte es nicht nötig, sein Ego mit selbstangepriesenen Heldentaten zu steigern und sich über andere zu erheben, nur um Bestätigung und Lob für ein lächerliches Fünkchen Rest an Selbstbewusstsein zu erlangen, das bereits so verkommen war, dass selbst die von ihnen erwünschten Streicheleinheiten es nicht mehr gesunden lassen könnten, sondern lediglich die eigene Raffgier anspornten. Manche waren im Laufe der Zeit zum Sklaven der Schlacht geworden und übersahen dabei, dass Krieg, insbesondere ein Bürgerkrieg, keinen Selbstzweck besaß. Bürgerkrieg war staatlich legitimiertes Töten von nun einmal ursprünglich imperialen Bürgern. Jeder Rebell war ein gescheiterter Imperialer, der sich von der Idee des gemeinsamen Reichs losgesagt hatte und diesen Staat scheitern lassen wollte. Und einen Bürgerkrieg gewann man nicht durch große Materialschlachten. Denn jeder Tote hinterließ Angehörige, Freunde, die mit seinem Ableben nur zusätzlich angespornt wurden, wie bösartig dieser Staat war. Was keiner zu verstehen schien, war, dass das Militär diesen Krieg lediglich verwalten konnte – einen Krieg, der rein militärisch nicht zu gewinnen gewesen war. Vielleicht wäre das noch vor der Zerstörung des Ersten Todessterns gelungen, als die Rebellion nur ein winziger, bemitleidenswerter Funken war und sich vor allem aus entmachteten Senatoren und Alternativen zusammensetzten, die genauso gut auch gegen jeden anderen Staat rebelliert hätten, nur um zu zeigen, dass sie anders waren. Mit der Zerstörung von Yavin hätte das Imperium die Rebellion wohl auf ewig zum Schweigen gebracht.

Doch das Virus war inzwischen zur Volkskrankheit erwachsen. Mit Yavin hatte es sich überall hin ausgebreitet, man hatte Schwäche gezeigt und sie wurde eiskalt ausgenutzt und ausgeschlachtet von allerlei chaotischen Elementen. Unzufriedene würde es immer geben, ganz gleich, ob das Imperium nun daran Schuld hatte oder nicht. Wenn man bedachte, dass der überwiegende Großteil der Rebellen aus dem vom Imperium ohnehin wenig beachteten Rand kam, konnte man davon ausgehen, dass letztlich nicht das Imperium als solches der Grund für den Aufstand war, sondern die vagen Hoffnungen von ansonsten hoffnungslosen, unbedeutenden Existenzen, die schon in der Zeit der Republik in ähnlich nichtsnutzigem Zustand gewesen wären, waren von den Schmeichlern aus den Reihen des Senats, von den Politikern und Verschwörern innerhalb des Imperiums, die sich um ihre persönliche Macht und ihren Einfluss betrogen sahen, ermutigt worden, sich endlich gegen „das Böse“ zu erheben. Das war bedauerlich, aber letztlich kein grober, konzeptioneller Fehler innerhalb des Imperiums, sondern lediglich ein Versagen einzelner Regionalgouverneure oder planetarer Regierungen. Nun, abgesehen von einigen Ausnahmefällen wie Mon Calamari oder Alderaan, auch wenn hier häufig Ursache und Wirkung vertauscht wurden.

Das war zumindest das, was die Person Cassio Acchetia letztlich über die jüngsten Jahre hinweg gedacht hatte. Und was sie im Grunde auch immer noch für richtig ansah. Doch selbst wenn all das stimmte, selbst wenn jede vernünftige Person in der Galaxis das auch so sehen würde – es änderte doch nichts daran, dass die Lage des Imperiums von Jahr zu Jahr sichtlich und merklich schlimmer wurde. Und wenn man diesen nicht zu verleugnenden Fakt nur einen Gedankenspalt weiter öffnete, musste man zu einer Erkenntnis kommen: Irgendwann würde der Tag kommen, in dem das Imperium nicht mehr in der Lage war, diesen Krieg zu verwalten. Ja, irgendwann würde die Balance so weit kippen, dass sie nicht einmal mehr auf den Rückhalt im Kern und die Stärke ihrer Truppen vertrauen konnten. Was also war der Plan der Führung? Was wollte sie dagegen tun, wenn die Fortführung des Krieges irgendwann zwingend zur Niederlage führte? Gab es überhaupt einen Plan dafür oder ging es hier in diesem Krieg eigentlich nur noch darum, dass Moffs, imperiale Spitze und der eine oder andere Verbrecher ihre Pfründe sichern sollten? Das wäre eine Verachtung der Soldaten des Imperiums, ganz gleich ob kämpfend oder nicht, die mit dieser Situation tagtäglich zu streiten hatten, während andere sich noch an ihren Privilegien ergötzten und der Krieg seit Anbeginn der Zeit eigentlich nur ein sehr weit entferntes Nachrichtenspektakel war, das sich erst jetzt langsam näherte. Nun, bald schon war es mehr als das. Viel mehr.

Es war schwer zu sagen, wie lange Cassio in seinem Büro geblieben war. Minuten, Stunden. Was bedeutete es schon. Irgendwann stapfte er wieder schnellen Schrittes heraus. Das Büro hatte sich seitdem wieder gefüllt und als die Tür in das Flottenoberkommandobüro aufglitt, sprangen die überraschten Stabssoldaten direkt von ihren Plätzen auf und nahmen hastig Haltung an. Doch der entlassene Stabschef würdigte niemanden eines Blickes, nein, er vermied einfach jeden Blickkontakt oder vielleicht realisierte er es gar nicht erst, sondern ging zielgerichtet und kommentarlos zum Ausgang und verließ das Büro direkt wieder in den Gang. Er erntete dabei unbemerkt einige verwirrte Blicke der Männer und heizte die ohnehin schon aufflammenden Gerüchte dadurch wohl nur weiter an. Doch das interessierte ihn letztlich nicht. Er würde keinen dieser Männer wohl wiedersehen. Als Cassio das Büro verlassen hatte, ging er in ungebrochenem Tempo den Gang entlang. Beinahe wäre er, nachdem er seine Umgebung weder sondierte noch irgendein Interesse hatte, dies zu tun, in ein Objekt vor ihm gelaufen, doch ein Flattern in seinen Augenwinkeln veranlasste ihn schließlich, seinen gesenkten Blick zu heben und kurz davor stehen zu bleiben. Dumpf schallte ihm eine Stimme entgegen. Cassio kniff seine Augen zusammen und versuchte, seinen lahmen Blich zu schärfen. Vaash? Admiral Tiberius Vaash?
„Ah. Sie“, entgegnete Cassio schließlich müde, fast apathisch, und wirkte in dem Moment spontan wie mehrere Jahre gealtert. Weder schien ihn sichtlich zu überraschen, dass Vaash plötzlich vor ihm stand, noch zeigte er in die eine oder andere Richtung irgendeine Reaktion darauf. Auch die Lage des Mannes im Repulsorstuhl rang ihm keine Regung ab. Stattdessen wirkte der Ausdruck des Vizeadmirals schlichtweg leer, geradezu monoton. Tatsächlich fühlte sich Cassio in dem Moment so, wie sein Gegenüber aussah.
„Was wollen Sie von mir, Vaash? Ich habe nicht viel Zeit“, fuhr er nuschelnd und an sich wie üblich kurz angebunden fort. War Vaash nicht noch im Koma? Nun, offenbar nicht. Dass der Mann sich aber die Mühe machte und Cassio hier aufsuchte, insbesondere in dieser für ihn sehr frustrierenden und angreifbaren Situation, behagte dem Vizeadmiral nicht. In einer anderen Zeit, in der er nicht gerade von seiner Position entfernt worden war, hätte er womöglich auf den Anblick des Alten anders reagiert und sich womöglich auch bei ihrem ersten Aufeinandertreffen nach der Schlacht Respekt gezollt. Zu plötzlicher Freundlichkeit war der Vizeadmiral aber in dieser Sondersituation gerade nicht in der Lage. Tatsächlich waren Cassios Worte so aber relativ schwer verständlich, ein eher seltener Umstand in Cassios Artikulation und wohl für den einen oder anderen als Indiz anzusehen, dass er im Moment lieber keine Gespräche führen würde, da er sich in einer schlechten Position und Verfassung wähnte. Allein der Umstand, dass ihm ein Mann gegenüberstand, der letztlich auch Cassio diesen Repulsorstuhl verdankte, ließ den Puls des Offiziers innerlich ansteigen, so dass er auch eine merkliche Unruhe ausstrahlte, zum Teil sicherlich wegen seiner Entlassung, zum Anderen aber sicherlich auch, weil ihm Vaashs Erscheinung unangenehm war.
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