„Was…“
Ein Dröhnen im Kopf. Zirpen von Vögeln wie an einem lauen Sommertag. Erst nach einem Moment kehrte die Erinnerung zurück. Stöhnen, als schmerzende Knochen aneinandermahlten. Dunkelheit. Wie viel Zeit war wohl vergangen? Minuten? Stunden? Vielleicht Tage? Möglicherweise hatte man sie mehrfach betäubt und sie war jetzt schon auf der anderen Seite der Galaxis. Mit einem Ächzen blickte Sedrael zuerst nach oben. Ihre Hände waren überkreuzt ein Stück über ihrem Kopf an die kaum beleuchtete Wand gekettet, wie auch ihre Beine. Ein kurzes Rütteln bot kaum Spielraum, jedenfalls keine Chance, sich von selbst daraus zu befreien. Prägnante metallene Quader mit Leuchtdioden an den Ketten deuteten darauf hin, dass die Ketten unter Strom gesetzt werden konnten. Vielleicht, mit besonders viel Konzentration könnte sie eventuell… Aber in Sedraels Kopf schwebte immer noch dieses Gefühl des Fremdstoffes, des Giftes, das ihr in den Hals injiziert worden war und das sie weiterhin spüren könnte. Er war da, zirkulierte in ihrem Körper und zerfaserte immer weiter, doch selbst die kleinsten Spuren hinterließen ihre Eindrücke. Ihre Gliedmaßen hatten immer noch ein lahmes Gefühl, das der völligen Erschöpfung, als hätte sie tagelang nicht geschlafen. Die Sephi blickte allmählich in den weitgehend dunklen Raum hinein. Es gab nur einen hellen Punkt. Mitten im Schein von Scheinwerfern stand die rot uniformierte Frau und betrachtete ihre Beute aufmerksam, die Hände locker vor der Brust verschränkt. Graue, karge, schräge Wände warfen harte Kanten in den Raum.
„Wer sind Sie?“
Die Frau schmunzelte kurz. Bereits jetzt, offenbar allein mit dem bloßen Stellen dieser einzigen Frage, hatte sie ihre erste Information gesammelt. Schweigen, zunächst einmal. Nichts an ihr schien den Anschein erwecken zu wollen, auf die Frage ernsthaft antworten zu wollen. Erst nach endlosen Sekunden näherte sich die Frau allmählich und das Klacken der Stiefel auf dem harten Metallgitterboden brannte sich in Sedraels Trommelfell.
„Sehr interessant“, begann die Frau ohne jeden Bezug zur Frage. „Ich hätte nicht erwartet, dass ich einmal dabei zusehen kann, wie eine Jedi versucht, einen imperialen Offizier zu retten. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie.“
Sedrael spürte, wie ihre Augen sich für einen Moment lang weiteten und ihr sämtliche noch vorhandenen Farbtöne aus dem Gesicht rannen. Sofort wich ihr Blick zur Seite aus. Die Frau hatte sie dabei beobachtet? Erinnerungslücken machten sich breit. Sedrael wusste nur noch, dass sie die Stirn des Mannes umfasst hatte, aber alles Weitere war nur noch bruchstückhaft und allenfalls in Schemen zu erkennen. Versucht? War es also nur beim Versuch geblieben? Oder war der Versuch erfolglos geblieben? Unsicher biss sich Sedrael auf die Unterlippe. Beinahe war sie taub, aber ein wenig davon spürte sie. Sie unterdrückte den Wunsch, nach dem Mann zu fragen und sammelte ihren Atem für einige Worte.
„Ich weiß nicht, wovon Sie reden“, murmelte sie aus den tauben Lippen heraus. „Ich bin beim ISB. Es wäre besser für Sie, wenn Sie mich gehen lassen.“
„Wirklich“, entgegnete die Frau und lachte kurz, ein ernsthaft und beinahe erstaunlich erheitertes Lachen. Mit einigen langsamen, wohl platzierten Schritten trat die rote Uniform bis auf ein paar Meter an sie heran. „Ich habe schon viele Lügner gesehen. Gute, schlechte. Das, meine Kleine, war leider einer der armseligsten Versuche.“
Offenbar öffnete diese Masche doch nicht alle Türen. Die Art und Weise, wie die Frau auf die Antworten reagierte, ließ für die Sephi keinen Zweifel daran, dass sie aufgeflogen war. Sofern es überhaupt so bezeichnet werden konnte. Denn… wer war die Frau wirklich? Eine Verbündete von Reah? Womöglich hatte die Inquisitorin Sedraels Aussage, dass sie sich nicht sicher war, wie und in welcher Form sie bei ihr bleiben konnte, so verstanden, dass sie nun ihre Anwesenheit eben durch reine physische Kraft zu erzwingen suchte. Das erschien nach dem Ausbruch der Hexe keineswegs undenkbar – und dennoch konnte die Sephi sich nicht vorstellen, dass die Inquisitorin sie gerade dann nur mit einem Lakaien empfangen würde. Das war allerdings nur eine Theorie. Eine wenig fundierte dazu. Und doch war es immer noch mehr als alles andere, das sie sich ausmalen konnte. Oder jedenfalls die angenehmste von mehreren düster erscheinenden Alternativen.
„Und was wollen Sie von mir?“
Ungemach begleitete die Bewegungen der Frau, als diese kurz zur Seite blickte und mehr und mehr Ungeduld ausstrahlte. Sie atmete ein Mal knapp aus und war ihre Augen schließlich wieder zurück zu ihrer Gefangenen. Erst jetzt fielen Sedrael die verschiedenfarbigen Augen der Frau auf, das eine im blau einer frostigen Eislandschaft, das andere feuerrot im Zwielicht der brennenden Sonnenscheibe. Zwei Extreme, beide in schierem Widerstreit zueinander.
„Dass ich von jetzt an die Fragen stelle. Genau genommen, nur eine einzige Frage. Du weißt etwas und du wirst mir dieses Wissen geben. Ob du es willst oder nicht“, entgegnete die Frau kühl und stellte die ohnehin klaren Fronten noch einmal fest. Fronten, die ungleicher kaum verteilt sein konnten – die eine Seite bereit zuzuschlagen und ihr Arsenal zu zeigen, die andere geschwächt und ohne Möglichkeit, sich gegen das zu wehren, was kommen mochte. Wieder einmal gedrängt in die Passivität, in die Rolle der Reaktion. Ja, wieder einmal.
Der laute Schritt eines Stiefels hallte in ihren Ohren und forderte ihre Aufmerksamkeit ein. Die Frau stand am Rande des Schattenspiels, das die Scheinwerfer warfen und hüllten ihr Gesicht in einen Klingensturm aus Kanten und Ecken.
„Wo ist der Unterschlupf der Jedi?“
„Der… was…“, keuchte Sedrael völlig perplex, den Mund erstaunt geöffnet. Zu einer anderen Zeit, in anderer Verfassung hätte sie sich ein müdes Lächeln abgerungen, doch ihr Körper verweigerte ihr diesen kleinen Moment der Stärke. Die Frau glaubte, dass sie wirklich mit neuen Jedi im Bunde war, womöglich mit denen, die Quel-Tuus auf Firrerre, damals gefühlt vor so vielen Jahren erlebter Geschichte, erwähnt hatte? Ein… Missverständnis also. Sedrael schien sich ein wenig zu entspannen, nicht zu viel, aber doch ein wenig. Vielleicht war noch Zeit, es auszuräumen. Sofern die Frau nur zuhören wollte.
„Tut mir leid, Sie zu enttäuschen, aber das kann ich einfach unmöglich wissen.“
Zum ersten Mal ein Hauch von Überraschung im Gesicht der Frau. Nur einen allzu kurzen Moment, ehe der gewohnte Blick wiederkehrte. Überrascht vermutlich darüber, dass die schlechte Lügnerin von vorhin über die Frage tatsächlich erstaunt schien, ohne dabei schauspielen zu müssen. Sie also wohl nicht – wie die meisten Gefangenen – einfach nur nicht sagen wollte, wo der Aufenthaltsort war, sondern sich dahingehend einließ, es schlichtweg gar nicht zu wissen zu können. Vielleicht keine übliche Reaktion einer ihrer Gefangenen, aber doch nicht unüblich genug, um die Frau allzu beeindrucken zu können. Der Einwand wurde offenbar zur Kenntnis genommen, ohne jedoch wirklich Eindruck zu hinterlassen.
„Aber wir wissen, wer du bist, Sedrael.“
Ein Konter, die Retoure für die kurze Überraschtheit, die die Sephi einen Augenblick lang angerichtet hatte und nun vergolten bekam. Blaue Augen starrten die Gefängniswärterin an. Die Scharade um Agentin Maledice schien somit nur eine kurze, kuriose Episode in ihrer Geschichte zu bleiben. Die Frau lächelte. Ein Lächeln, das Wasserfälle gefrieren ließ. „Ja, die Aufzeichnungen aus dem Tempel waren für unsere Zwecke schon immer sehr… aufschlussreich, selbst wenn sie für das Finden von Abtrünnigen der Zeit vor der Jedi-Säuberung nur wenig Ertrag hatten. Doch zumindest dauert es nicht lange, Daten abzugleichen und Übereinstimmungen mit Subjekten festzustellen, deren Status bislang als unbekannt eingeordnet wurde.“
Es dauerte eine Zeit lang, ehe Sedrael alle Informationen verarbeitet hatte. Diese… Person musste eine derer sein, die so einen weiten Zugriff auf Datenbanken besaß, dass sie jedenfalls einen maßgeblichen Anteil an dem hatte, was sich als Vernichtung der Jedi ereignet hatte. Nur dann konnte sie wohl überhaupt an Teile solcher Informationen gelangen und ihr nun vorhalten. Dann wiederum musste ihr aber auch das ganze Bild zur Verfügung stehen und nicht nur selektive Teile davon. Sedrael blickte auf, versuchte, den Blick in die erschreckenden Augen der Frau zu richten, aber es gelang ihr nicht lange, ehe ihre Nackenmuskeln schmerzten und der Kopf wieder hinabsackte.
„Da Sie informiert sind, wissen Sie doch, dass mein Orden bereits der Vergangenheit angehört. Und dass ich bereits ging, bevor er aufhörte zu existieren.“
„Nur zu gut. Und dennoch schickt sich gerade jemand an, einen solchen neu zu errichten. Auf welche Art und Weise das auch immer geschehen soll. Und alle möglichen und unmöglichen Kreaturen sollen sich hierbei einfinden. Unbekannte, Bekannte aus der Vergangenheit. Leute aus den Aufzeichnungen.“
„Und ich war die ganze Zeit auf…
„Oh, ja. Firrerre. Ich weiß. Das letztlich von der Republik unterstützt wurde im Kampf gegen die Seuche. Eine Republik, die diese neuen Jedi ebenso unterstützt. Ich glaube aber nicht an Zufälle.“
Tatsächlich schien aus dieser Sicht einiges dafür zu sprechen, dass die Sephi in irgendeiner Form in diesen seltsamen neuen Jedi-Kult involviert war. Doch Sedrael kam nicht umhin zuzugeben, dass die Frau wohl häufig mehr in Dingen sehen wollte als tatsächlich da waren, vielleicht ein typisches Symptom in ihrem Berufsfeld, das stets am Rande der Paranoia zu wanken schien. Die feuerrote Uniform kam nahe, sehr nahe und beugte sich ein Stück hinab. Gespenstisch klapperten die Ketten beim Versuch ein Stück vor der Flamme zurückzuweichen.
„Sag es mir, Kleine“, flüsterte die Frau und strich Sedrael über die rechte Wange. „Besser jetzt als später, allein um deinetwillen. Glaub mir, ich bekomme immer, was ich will. Die Frage ist stets nur, wann es so weit ist und welche Mittel ich dafür einsetzen muss.“
„Aber Sie irren sich einfach. Ich weiß überhaupt nichts von diesen neuen Jedi.“
Die Macht warf Nebel in die Zelle, verschleierte die klaren Fronten und glättete Kanten. Sedrael spürte, wie ihre eigene Unsicherheit wieder anwuchs. Die Frau wollte ihr nicht glauben. Konnte ihr nicht glauben. Und selbst wenn sie es tat, war es einerlei. Sie würde es trotzdem auf ihre Art versuchen. Versuchen müssen. Welche Wahl hatte sie schon? Einen Augenblick lang betrachtete die Frau sie nur. So als schien sie in diesem Moment weniger schlüssig als vorher, ob das der Wahrheit entsprach oder nicht. Doch bald schon senkte sie den Kopf und seufzte ein Mal laut. Offenbar hatte sie es auch nicht erwartet, dass sie die von ihr gewünschte Information so ohne weiteres bekommen würde, aber ein bestimmter Teil von ihr schien tatsächlich gehofft zu haben, dass es so wäre.
„Wir werden sehen“, entgegnete sie lediglich. Keine Drohung, mehr eine Feststellung. Fast der Wunsch, dass ihr Opfer sie anlog, damit sie eben nicht alle nur denkbaren, schaurigen Techniken ihrer Informationsgewinnung aufbieten musste, nur um an die Information zu gelangen, die sie auch viel einfacher hätte bekommen können. Schließlich trat sie dann zurück, vom Scheinwerferlicht in Richtung der Durastahltüre, gegen die sie ein Mal hämmerte, um sich bemerkbar zu machen. Sekunden später glitt die Tür nach oben, gab den Blick auf die Freiheit preis, nur um ihn nach wenigen Momenten wieder fortzureißen, als der letzte Spalt Hoffnung unter der Türe verschwand. Mit einem Klicken gingen die Scheinwerfer aus und hinterließen kaum mehr als das schwarze Dickicht der Ungewissheit.
Ein Dröhnen im Kopf. Zirpen von Vögeln wie an einem lauen Sommertag. Erst nach einem Moment kehrte die Erinnerung zurück. Stöhnen, als schmerzende Knochen aneinandermahlten. Dunkelheit. Wie viel Zeit war wohl vergangen? Minuten? Stunden? Vielleicht Tage? Möglicherweise hatte man sie mehrfach betäubt und sie war jetzt schon auf der anderen Seite der Galaxis. Mit einem Ächzen blickte Sedrael zuerst nach oben. Ihre Hände waren überkreuzt ein Stück über ihrem Kopf an die kaum beleuchtete Wand gekettet, wie auch ihre Beine. Ein kurzes Rütteln bot kaum Spielraum, jedenfalls keine Chance, sich von selbst daraus zu befreien. Prägnante metallene Quader mit Leuchtdioden an den Ketten deuteten darauf hin, dass die Ketten unter Strom gesetzt werden konnten. Vielleicht, mit besonders viel Konzentration könnte sie eventuell… Aber in Sedraels Kopf schwebte immer noch dieses Gefühl des Fremdstoffes, des Giftes, das ihr in den Hals injiziert worden war und das sie weiterhin spüren könnte. Er war da, zirkulierte in ihrem Körper und zerfaserte immer weiter, doch selbst die kleinsten Spuren hinterließen ihre Eindrücke. Ihre Gliedmaßen hatten immer noch ein lahmes Gefühl, das der völligen Erschöpfung, als hätte sie tagelang nicht geschlafen. Die Sephi blickte allmählich in den weitgehend dunklen Raum hinein. Es gab nur einen hellen Punkt. Mitten im Schein von Scheinwerfern stand die rot uniformierte Frau und betrachtete ihre Beute aufmerksam, die Hände locker vor der Brust verschränkt. Graue, karge, schräge Wände warfen harte Kanten in den Raum.
„Wer sind Sie?“
Die Frau schmunzelte kurz. Bereits jetzt, offenbar allein mit dem bloßen Stellen dieser einzigen Frage, hatte sie ihre erste Information gesammelt. Schweigen, zunächst einmal. Nichts an ihr schien den Anschein erwecken zu wollen, auf die Frage ernsthaft antworten zu wollen. Erst nach endlosen Sekunden näherte sich die Frau allmählich und das Klacken der Stiefel auf dem harten Metallgitterboden brannte sich in Sedraels Trommelfell.
„Sehr interessant“, begann die Frau ohne jeden Bezug zur Frage. „Ich hätte nicht erwartet, dass ich einmal dabei zusehen kann, wie eine Jedi versucht, einen imperialen Offizier zu retten. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie.“
Sedrael spürte, wie ihre Augen sich für einen Moment lang weiteten und ihr sämtliche noch vorhandenen Farbtöne aus dem Gesicht rannen. Sofort wich ihr Blick zur Seite aus. Die Frau hatte sie dabei beobachtet? Erinnerungslücken machten sich breit. Sedrael wusste nur noch, dass sie die Stirn des Mannes umfasst hatte, aber alles Weitere war nur noch bruchstückhaft und allenfalls in Schemen zu erkennen. Versucht? War es also nur beim Versuch geblieben? Oder war der Versuch erfolglos geblieben? Unsicher biss sich Sedrael auf die Unterlippe. Beinahe war sie taub, aber ein wenig davon spürte sie. Sie unterdrückte den Wunsch, nach dem Mann zu fragen und sammelte ihren Atem für einige Worte.
„Ich weiß nicht, wovon Sie reden“, murmelte sie aus den tauben Lippen heraus. „Ich bin beim ISB. Es wäre besser für Sie, wenn Sie mich gehen lassen.“
„Wirklich“, entgegnete die Frau und lachte kurz, ein ernsthaft und beinahe erstaunlich erheitertes Lachen. Mit einigen langsamen, wohl platzierten Schritten trat die rote Uniform bis auf ein paar Meter an sie heran. „Ich habe schon viele Lügner gesehen. Gute, schlechte. Das, meine Kleine, war leider einer der armseligsten Versuche.“
Offenbar öffnete diese Masche doch nicht alle Türen. Die Art und Weise, wie die Frau auf die Antworten reagierte, ließ für die Sephi keinen Zweifel daran, dass sie aufgeflogen war. Sofern es überhaupt so bezeichnet werden konnte. Denn… wer war die Frau wirklich? Eine Verbündete von Reah? Womöglich hatte die Inquisitorin Sedraels Aussage, dass sie sich nicht sicher war, wie und in welcher Form sie bei ihr bleiben konnte, so verstanden, dass sie nun ihre Anwesenheit eben durch reine physische Kraft zu erzwingen suchte. Das erschien nach dem Ausbruch der Hexe keineswegs undenkbar – und dennoch konnte die Sephi sich nicht vorstellen, dass die Inquisitorin sie gerade dann nur mit einem Lakaien empfangen würde. Das war allerdings nur eine Theorie. Eine wenig fundierte dazu. Und doch war es immer noch mehr als alles andere, das sie sich ausmalen konnte. Oder jedenfalls die angenehmste von mehreren düster erscheinenden Alternativen.
„Und was wollen Sie von mir?“
Ungemach begleitete die Bewegungen der Frau, als diese kurz zur Seite blickte und mehr und mehr Ungeduld ausstrahlte. Sie atmete ein Mal knapp aus und war ihre Augen schließlich wieder zurück zu ihrer Gefangenen. Erst jetzt fielen Sedrael die verschiedenfarbigen Augen der Frau auf, das eine im blau einer frostigen Eislandschaft, das andere feuerrot im Zwielicht der brennenden Sonnenscheibe. Zwei Extreme, beide in schierem Widerstreit zueinander.
„Dass ich von jetzt an die Fragen stelle. Genau genommen, nur eine einzige Frage. Du weißt etwas und du wirst mir dieses Wissen geben. Ob du es willst oder nicht“, entgegnete die Frau kühl und stellte die ohnehin klaren Fronten noch einmal fest. Fronten, die ungleicher kaum verteilt sein konnten – die eine Seite bereit zuzuschlagen und ihr Arsenal zu zeigen, die andere geschwächt und ohne Möglichkeit, sich gegen das zu wehren, was kommen mochte. Wieder einmal gedrängt in die Passivität, in die Rolle der Reaktion. Ja, wieder einmal.
Der laute Schritt eines Stiefels hallte in ihren Ohren und forderte ihre Aufmerksamkeit ein. Die Frau stand am Rande des Schattenspiels, das die Scheinwerfer warfen und hüllten ihr Gesicht in einen Klingensturm aus Kanten und Ecken.
„Wo ist der Unterschlupf der Jedi?“
„Der… was…“, keuchte Sedrael völlig perplex, den Mund erstaunt geöffnet. Zu einer anderen Zeit, in anderer Verfassung hätte sie sich ein müdes Lächeln abgerungen, doch ihr Körper verweigerte ihr diesen kleinen Moment der Stärke. Die Frau glaubte, dass sie wirklich mit neuen Jedi im Bunde war, womöglich mit denen, die Quel-Tuus auf Firrerre, damals gefühlt vor so vielen Jahren erlebter Geschichte, erwähnt hatte? Ein… Missverständnis also. Sedrael schien sich ein wenig zu entspannen, nicht zu viel, aber doch ein wenig. Vielleicht war noch Zeit, es auszuräumen. Sofern die Frau nur zuhören wollte.
„Tut mir leid, Sie zu enttäuschen, aber das kann ich einfach unmöglich wissen.“
Zum ersten Mal ein Hauch von Überraschung im Gesicht der Frau. Nur einen allzu kurzen Moment, ehe der gewohnte Blick wiederkehrte. Überrascht vermutlich darüber, dass die schlechte Lügnerin von vorhin über die Frage tatsächlich erstaunt schien, ohne dabei schauspielen zu müssen. Sie also wohl nicht – wie die meisten Gefangenen – einfach nur nicht sagen wollte, wo der Aufenthaltsort war, sondern sich dahingehend einließ, es schlichtweg gar nicht zu wissen zu können. Vielleicht keine übliche Reaktion einer ihrer Gefangenen, aber doch nicht unüblich genug, um die Frau allzu beeindrucken zu können. Der Einwand wurde offenbar zur Kenntnis genommen, ohne jedoch wirklich Eindruck zu hinterlassen.
„Aber wir wissen, wer du bist, Sedrael.“
Ein Konter, die Retoure für die kurze Überraschtheit, die die Sephi einen Augenblick lang angerichtet hatte und nun vergolten bekam. Blaue Augen starrten die Gefängniswärterin an. Die Scharade um Agentin Maledice schien somit nur eine kurze, kuriose Episode in ihrer Geschichte zu bleiben. Die Frau lächelte. Ein Lächeln, das Wasserfälle gefrieren ließ. „Ja, die Aufzeichnungen aus dem Tempel waren für unsere Zwecke schon immer sehr… aufschlussreich, selbst wenn sie für das Finden von Abtrünnigen der Zeit vor der Jedi-Säuberung nur wenig Ertrag hatten. Doch zumindest dauert es nicht lange, Daten abzugleichen und Übereinstimmungen mit Subjekten festzustellen, deren Status bislang als unbekannt eingeordnet wurde.“
Es dauerte eine Zeit lang, ehe Sedrael alle Informationen verarbeitet hatte. Diese… Person musste eine derer sein, die so einen weiten Zugriff auf Datenbanken besaß, dass sie jedenfalls einen maßgeblichen Anteil an dem hatte, was sich als Vernichtung der Jedi ereignet hatte. Nur dann konnte sie wohl überhaupt an Teile solcher Informationen gelangen und ihr nun vorhalten. Dann wiederum musste ihr aber auch das ganze Bild zur Verfügung stehen und nicht nur selektive Teile davon. Sedrael blickte auf, versuchte, den Blick in die erschreckenden Augen der Frau zu richten, aber es gelang ihr nicht lange, ehe ihre Nackenmuskeln schmerzten und der Kopf wieder hinabsackte.
„Da Sie informiert sind, wissen Sie doch, dass mein Orden bereits der Vergangenheit angehört. Und dass ich bereits ging, bevor er aufhörte zu existieren.“
„Nur zu gut. Und dennoch schickt sich gerade jemand an, einen solchen neu zu errichten. Auf welche Art und Weise das auch immer geschehen soll. Und alle möglichen und unmöglichen Kreaturen sollen sich hierbei einfinden. Unbekannte, Bekannte aus der Vergangenheit. Leute aus den Aufzeichnungen.“
„Und ich war die ganze Zeit auf…
„Oh, ja. Firrerre. Ich weiß. Das letztlich von der Republik unterstützt wurde im Kampf gegen die Seuche. Eine Republik, die diese neuen Jedi ebenso unterstützt. Ich glaube aber nicht an Zufälle.“
Tatsächlich schien aus dieser Sicht einiges dafür zu sprechen, dass die Sephi in irgendeiner Form in diesen seltsamen neuen Jedi-Kult involviert war. Doch Sedrael kam nicht umhin zuzugeben, dass die Frau wohl häufig mehr in Dingen sehen wollte als tatsächlich da waren, vielleicht ein typisches Symptom in ihrem Berufsfeld, das stets am Rande der Paranoia zu wanken schien. Die feuerrote Uniform kam nahe, sehr nahe und beugte sich ein Stück hinab. Gespenstisch klapperten die Ketten beim Versuch ein Stück vor der Flamme zurückzuweichen.
„Sag es mir, Kleine“, flüsterte die Frau und strich Sedrael über die rechte Wange. „Besser jetzt als später, allein um deinetwillen. Glaub mir, ich bekomme immer, was ich will. Die Frage ist stets nur, wann es so weit ist und welche Mittel ich dafür einsetzen muss.“
„Aber Sie irren sich einfach. Ich weiß überhaupt nichts von diesen neuen Jedi.“
Die Macht warf Nebel in die Zelle, verschleierte die klaren Fronten und glättete Kanten. Sedrael spürte, wie ihre eigene Unsicherheit wieder anwuchs. Die Frau wollte ihr nicht glauben. Konnte ihr nicht glauben. Und selbst wenn sie es tat, war es einerlei. Sie würde es trotzdem auf ihre Art versuchen. Versuchen müssen. Welche Wahl hatte sie schon? Einen Augenblick lang betrachtete die Frau sie nur. So als schien sie in diesem Moment weniger schlüssig als vorher, ob das der Wahrheit entsprach oder nicht. Doch bald schon senkte sie den Kopf und seufzte ein Mal laut. Offenbar hatte sie es auch nicht erwartet, dass sie die von ihr gewünschte Information so ohne weiteres bekommen würde, aber ein bestimmter Teil von ihr schien tatsächlich gehofft zu haben, dass es so wäre.
„Wir werden sehen“, entgegnete sie lediglich. Keine Drohung, mehr eine Feststellung. Fast der Wunsch, dass ihr Opfer sie anlog, damit sie eben nicht alle nur denkbaren, schaurigen Techniken ihrer Informationsgewinnung aufbieten musste, nur um an die Information zu gelangen, die sie auch viel einfacher hätte bekommen können. Schließlich trat sie dann zurück, vom Scheinwerferlicht in Richtung der Durastahltüre, gegen die sie ein Mal hämmerte, um sich bemerkbar zu machen. Sekunden später glitt die Tür nach oben, gab den Blick auf die Freiheit preis, nur um ihn nach wenigen Momenten wieder fortzureißen, als der letzte Spalt Hoffnung unter der Türe verschwand. Mit einem Klicken gingen die Scheinwerfer aus und hinterließen kaum mehr als das schwarze Dickicht der Ungewissheit.