#37
Es war ein krasser Kontrast, der da aufeinandertraf. Ihre Hand, im Gegensatz zu seiner richtig warm, er, ausgetrocknete Haut, wie altes Papier. Altes Papier, auf dem wohl Wissen stand, welches nur er im Moment richtig verstand. Vielleicht konnte dieses Wissen auch niemand anderes verstehen ausser er. Ein umgedrehter Messias, dessen Leid nicht in der Erlösung der Galaxis mündete sondern in ihrer Unterjochung. Ihre Hand kühlte sofort ab, die Wärme aus jedem Glied gezogen. Sie wollte die Hand rasch zurückziehen, als er stand, als sie fühlte, wie unsichtbare Schnitte durch ihre Hand zogen. Genau da, wo die einzelnen Muskeln zusammentrafen und sich verbündeten. Ein eisiger Schmerz durchfuhr sie und ihre Hand zuckte zurück. Das kühle ‚Danke‘ liess sie zucken, erneut. Es war kein Danke, das man einem Ebenbürtigen sagte, nein, es war eines, das durchschimmern liess, dass man ausgeliefert war und gerade nochmals die richtige Entscheidung getroffen hatte. Sie reagierte nicht auf die Worte, wand nur den Kopf ab, damit sie ihn nicht länger ansehen mussten. Er, der sich selbst so zerschandelt hatte. Für was? Diese Macht, die ihn umgab und die Ilara anzog und zugleich eine solche, tiefe Angst in ihr hervorrief, dass es ihr den Atem zerschlug? Die Berührung wirkte in ihr durchaus nach. Ihre Hand war weiterhin kalt, obwohl es um sie herum nur Hitze gab. Ihre Fingernägel hatten sich leicht gelblich verfärbt und Furchen bekommen, die Handunterseite war aufgehellt, wie verätzt. Kleine Hautfetzen lösten sich. Ilaras Augen weiteten sich bei dem Anblick, vor allem, als sie kleine, dünne, blaue Blitze auf der Hand sah, die einen wilden Tanz vollführten. Sie war von diesem Anblick fasziniert. Sie tat nichts, fokussierte nicht, fühlte nur, wie ihre eigene Macht sich an dieser Stelle bündelte und versammelte. Sie versuchte, diesen Augenblick zu erfühlen. Konnte sie das selbst erstellen? Machtblitze oder sonstige Machenschaften waren ihr eher fremd- da war das ein wahres Wunder. Langsam bewegte sie ihre Hände und schloss die Hand um die kleinen, tanzenden Blitze. Angst… eine Welle purer Angst durchfloss sie, als die Mikroblitze wohl in ihr verschwunden waren. Sie keuchte leise, sah sich gehetzt um. Ihr Herz raste, ihr Hirn spielte ihr die miesesten Szenarien vor. Sie wurde gefoltert, geschlagen, missbraucht, hier verlassen- die Skelette kamen wieder. Langsam.. hinter jedem Blechteil hervorgekrochen. Sie sah sie fast, fühlte ihre ihr alle guten Gefühle raubenden Mächte. Sie zogen ihr alles ab, sogar ihre Grundwut, ihren Grundzweifel und Grundwiderstand und liessen sie als Hülle zurück. Ein Kokon, der im Wind fortgetragen wurde. Die Angst hielt sie in ihrem Bann, der sie agil hielt, überreizt, so dass sie gar nicht bemerkte, dass sich neben ihnen vielleicht auch etwas anderes in der Nähe befinden könnte. Ob sie das unter normalem Umständen gekonnt hätte stand in den Sternen, aber gerade… sie öffnete ihre Hand. Alles war übrig blieb war ein Stück Haut, das mit dem Wind davongetragen wurde, sonst hatte sich die tote Haut scheinbar wieder erholt. Was war das gewesen? Der Anblick hatte sie in kurzzeitige Panik versetzt, ehe die Angst ohne Form in ihr auftrat. Aus dem Nichts, aus ihr heraus.

Die Sonne schien auf Ilara, brannte sich in ihr dunkles Haar und heizte sie auf. Aber in ihr war gerade nur noch Kälte. Kälte, die er ausgelöst hatte. Die Kerze ausgelöscht und Eis erschaffen. Sie hielt die Artefakte nun wieder in ihren Händen und folgte ihm. Was blieb ihr anderes übrig? Zumal sie auch fürchtete, sich aufzulösen. Sie hatte das Gefühl in dieser Hitze einfach zu vergehen. Und es zog sie zu ihm. Wobei- wohl nicht zu ihm. Zu dem, was er ausstrahlte. Die Kälte drang in sie ein und machte sie nicht mehr leer sondern inwendig gefüllt von harten, kühlen Gefühlen, die sie von innen heraus stärkten wie ein neues Skelett. Die Hitze wich für den Moment und sie ging etwas aufrechter weiter. Die Artefakte in ihre Hand schmiegten sich jetzt beinahe an ihr Fleisch, lagen nicht mehr plump und tot auf ihnen. Was war das? Ilara leckte sich über die Lippen und schmeckte Blut. Klebriges Blut, etwas dickflüssiger, als es sein sollte. Moment… sah sie jetzt auch so grauenhaft aus? Ihr wurde schlagartig übel. Wo konnte sie isch hier ansehen? Oder anfassen? Mit aller Mühe hielt sie beide Gegenstände in einer Hand und fuhr sich über die Gesichtshaut, während sie Vesperum folgte. Die Haut schien trocken aber relativ faltenfrei. Es lösten sich keine Hautschichten, sie fühlte sich an wie immer. Erleichtert atmete sie aus, fühlte aber, wie die Konstrukte, die in ihren Händen lagen, sich wieder etwas schwerer anfühlten als vorher. Um sie herum bildete sich leiser, dunkler Rauch, kaum bemerkbar. Er suchte nach Schatten, fand aber in dieser Welt überhaupt keinen. So zog es ihr durchaus Energie ab, so lange hinter Vesperum herzuwandern, der wie ein dunkler Leuchtturm vorausging. Ihre Konzentration lag auf Vesperum. Sie fixierte seinen Rücken und forschte in sich, bemerkte das zugegeben hässliche Tier erst viel zu spät. Sie zuckte, wollte sich verteidigen, da war es schon wieder weg. Sie runzelte die Stirn und beeilte sich, ihm nachzukommen und in seiner Dunkelheit zu bleiben, die die einzige war, die momentan ausmachbar war. Sie fühlte sich hier durchaus wohler als in der prallen Sonne. Er schien nun ein Ziel zu haben- jedenfalls hoffte sie das inständig.
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