#35
Vesperum redete irgendwas. Folgten ihm diese Geister etwa und er redete nun mit ihnen? Dann wurde seine Glaubwürdigkeit aber schnell mies, wenn er immer mit Geistern redete, die sonst niemand ausser ihm sah. Ilara hockte im Schatten und beobachtete ihn. Weit weg war er ja nie. Einerseits war es gut- der Kühle wegen- anderseits fühlte sich Ilara einfach nur leer in seiner Gegenwart. So leer, dass sie nicht einmal mehr atmen konnte. Jeder Atemzug fiel schwerer, tat beinahe weh. Das konnte sicher auch an der stickigen Luft dieses unwirtlichen Planeten liegen, aber sie, aus Nar Shaddaa, war eigentlich mit mieser Luft aufgewachsen, aber das hier- das war feinstofflich. Ihre Augen lagen auf ihm, lauernd, forschend. Ihrerseits war es eine Art momentaner Waffenstillstand. Ob sie ihm vertraute? Niemals. Sie rechnete damit, im nächsten Moment entweder erwürgt, geköpft, gequält oder schlimmstenfalls blamiert zu werden. Wobei: nein. Köpfen ging zu schnell. Alles andere, das sah diesen… Wesen ähnlich. Diesen „Wesen“ zu denen sie auch irgendwie gehörte, die zwar einen Namen hatten, den sie aber nicht aussprach, nicht mal zu denken wagte. Noch immer war sie auf der Seite der für sie fassbaren Realität. Stahl schlägt Knochen, Laser schlägt Stahl- und wenn man mit einem Blaster angeschossen wurde dann tat das weh. Und das war es, was ihr solche Angst machte: dieses Nichts, was diese Macht ausmachte, die von ihm ausging. Er schien beinahe zu allem fähig zu sein und Ilara konnte das nicht ausloten, nicht genau erfassen und begreifen. Lieber wäre es ihr, er würde sie anfallen, am besten mit blossen Händen, aber nein, er war auf einer anderen Ebene als sie. Seine wirren Worte, die Namen, die er da rief… Sansa? Wer war Sansa? Ilara hob eine Augenbraue. Ein Name, den sie schon gehört hatte, da unten, im Verliess. Wie auch dieser andere Name, leise, gehaucht. Amaranthine- und alleine der Name war so lieblich, dass es ihr zusätzlich unwohl den Rücken runterlief.

Ilara verschränkte die Arme vor der Brust und harrte auf seine Antwort. Da Vesperum näher kam löste sie den Rücken vom alten Metall und sass gerade da, so, als würde sie gleich aufspringen, angespannt. Ja, was nun? Sie, die anscheinend seltsame Ilara- er war seltsamer hier, bitteschön- fragte tatsächlich, was sie nun taten, um hier wegzukommen. Als dann ein einfaches ‚Nichts‘ kam hob sie eine Augenbraue. Nichts? Ihr entkam ein etwas angenervtes Schnaufen. NICHTS? Sie löste den Blick fast etwas überheblich von ihm und sah über den Sand. Gab es hier etwas, was funktionierte und sie von hier weg brachte? Wohin auch immer? Eine Eiswüste, egal, irgendwas, was nicht sandig war und überall an ihrem Körper und ihren Wunden klebte. So wie er eiterte würde das bald mit ihren Wunden geschehen, so viel war klar. Sie blinzelte einige Male, da ihre Augen zu brennen begannen. Nichts. Eine Hitze entstand in ihr, eine riesige Wut. Nichts. Sie waren einfach hier um zu warten auf das grosse Nichts?! Nach diesem Höllentrip? Mit diesen verdammten, ekelhaften Dingern auf ihrem Schoss, an denen der Eiter langsam trocknete? Als er dann auch noch hinfiel krallte sich Ilara in den Sand, starrte ihn einfach nur an, leer, anklagend, wütend, und irgendwie so, wie man jemanden ansah, den man insgeheim für nicht ganz zurechnungsfähig hielt. „Nun gut, dann mache ich etwas.“, fand sie schlicht und zog sich hoch. Er konnte hier liegenbleiben und von Sansa und Amaranthine träumen. Was auch immer er mit denen machte, sein Ding. Sie wollte nur weg. Ausserdem stiess er sie immer mehr ab. Sein Körper zerfiel wie einer dieser Zombiedinger. Das einzige, was sie doch noch interessierte war tatsächlich seine Stimme. Sie hatte etwas Magisches, was sie anzog. Mehr als diese Macht in ihm, vor der sie sich fürchtete, die sie begehrte und zugleich auslöschen wollte. Sie raffte sich hoch, liess die Relikte liegen und setzte sich langsam in Gang. Der Sandsturm legte sich immer mehr.
Gerade suchte sie irgendwo Schatten, dem sie entlangwandern konnte, als ihr Blick auf seine Hand fiel. Nur die Hand. Nicht mehr. Aber es war zu eindeutig gewesen als dass sie einfach weitermachen könnte und so tun könnte, als hätte sie nichts gesehen, es übersehen. Eine einfache Geste. Er reichte ihr die Hand. Klebrig, sandig, weiss und zerfallend. Seine Fingernägel hatten sich ebenso gewandelt wie der Rest. Tot, animalisch, zerfallend. Er wollte sein Imperium auf Sand erbauen? Mit diesen Klauen? Sie sollte jetzt einfach gehen und ihn sich überlassen. Er, voller Macht strotzend, der mächtigste der Welt, der hier daran sterben würde, nicht mehr aufstehen zu können. Dieser Gedanke war ein kühler, einfacher Gedanke, der an ihr vorbeizog. Es hielt sie nichts mehr. Nur die Anziehungskraft dieses Planeten. Mehr nicht. Als sie nochmals hinsehen musste erkannte sie die Bewegung in der Hand. Was denn? Kam er wirklich nicht mehr hoch? Wie erbärmlich! Das hatte sie noch nie getan, niemals, auch wenn sie damals noch so kaputt gewesen war, noch so schmerzerfüllt, damals, als sie so ‚eingepackt‘ wurde und nicht wusste, wie ihr geschah. Aber er, er, der irgendwelche Geister alleine mit seiner Kraft der Macht unterlegen gemacht hatte, reichte ihr, Ilara Vanis, dem Nichts, die Hand und wollte von ihr auf die Beine gezogen werden. Seine Dunkelheit frass an ihr, die kränklich zuckende Hand stiess sie eher ab, als dass sie irgendwas tun wollte. Die Sekunden verstrichen und Ilara stand da, reglos, still, die Hände neben ihrem Körper und sah die Hand an. Ihre ganze Misere war ihr selbst noch nicht bewusst, sie verdrängte sie, wollte einfach weitermachen. Der Sand strich durch ihr Haar, schob sie fast in seine Richtung.

Es blieb ihr ja nichts anderes übrig, oder? Irgendwo hing ihr Überleben wirklich von ihm ab. Ihr Unterbewusstsein, was unabdingbar mit der Macht in ihr verbunden war, übernahm die Führung. Auch darum, weil es ihn berühren wollte, erfahren wollte, wie es sich anfühlte. Ihre Hand legte sich auf sein Handgelenk, umfasste es und griff zu, wohl um zu erforschen, ob seine Hand nicht einfach abfiel. Ihr Blick lag dabei auf ihm, als sie fühlte, wie seine Aura, das, was er ausstrahlte, langsam in sie kroch, in jeden Knochen, jede Zelle, sich fortpflanzte. Schmerz... aber sie blieb standhaft und zog ihn so hoch, irgendwie, auch wenn sie nun in der Hitze fror.
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