#7
„Hey, tut mir ja echt Leid für sie, aber ich fürchte, ich kann ihnen nicht einfach noch mehr Schmerzmittel verabreichen lassen. Ist ja nicht so, als hätten wir vor unserem Abflug ein riesiges Medikamentenlager ausgeräumt oder so“, kurz hielt Slrruk inne, um seinem Witz mit einem halblauten Gackern den nötigen Respekt zu zollen. Dann richtete er seine Augen von dem Datenspeichergerät in seiner Hand auf den im Bett sitzenden Mann. Auf den ersten Blick fiel es nicht auf, so wie der Mann die dünne, graue Decke des Krankenbetts über seinen Unterkörper gezogen hatte, doch wie ein Blick auf das Pad verraten hatte, hatte man diesem Feldtechniker offenbar unter äußerst ungünstigen Umständen das Bein bis zum Knie amputieren müssen. Und jetzt berichtete dieser Mann auch noch über eine Woche nach der Operation und trotz der Abwesenheit zumindest offensichtlicher Probleme noch von einem ungewöhnlich starken, stechenden Schmerz im Oberschenkelbereich.
„Aber jetzt mal im Ernst: Es kommt durchaus öfter vor, dass nach solchen in aller Eile durchgeführten Operationen Probleme mit den Nerven auftreten, die sich nur langsam, aber von allein lösen. Das nennen wir dann Phantomschmerzen. Was die Medikamentierung betrifft, da habe ich schon so viel rausgeholt wie es geht. Und glauben sie mir, wenn ich ihnen jetzt noch mehr Schmerzmittel gebe, dann schadet das auf lange Sicht mehr, als es hilft. Also, sie sind doch Soldat und haben einen verdammten Artillerieschlag überlebt, also beißen sie jetzt die Zähne ein bisschen zusammen und lassen sie sich wegen so etwas nicht klein kriegen“. Ermutigend zwinkerte der Mrlssi seinem Patienten zu und tippte dann ein paar Mal auf das Touchscreen des Geräts in seinen Händen. „Keine Sorge, selbst mit dem Maschinenschaden ist es nicht mehr lange, dann sind wir auf Naboo, dort kann man dann sicher mehr für sie tun. Also, versorgt sind sie und die habe ihre Beschwerden notiert. Ich würde sagen, wir sehen uns dann später! Angenehmes liegen wünsche ich, Corporal“.

Mit einem Handzeichen zum Abschied wandte sich Slrruk von dem Krankenbett ab und blickte auf das Pad. Nachdem er ein Häckchen in das Zustand überprüft-Feld in der Akte des Patienten gemacht hatte, öffnete sich praktischerweise wieder die Liste mit jenen Verwundeten, denen er noch einen Besuch abstatten müssen würde. Viele Namen waren es nicht mehr, die rot aufleuchteten. Ein paar noch, die in den hinteren Ecken des Lazarettbereichs unterbracht waren. Unter ihnen befand sich auch der „Problemfall“. Die Apathie, mit der die immer nur auf ihrem Bett ausharrende Frau dem Treiben um sie herum begegnete war fast schon beängstigend. Sie war nicht gesprächig oder in irgendeiner Form willig wenigstens mit dem medizinischen Personal zu kooperieren. Es schien gerade so, als würde ihre Welt nicht über den Rand ihres Bettes hinausgehen und alles dahinter wäre nichts als verschwommene Silhouetten, bar jeder Form. Dabei war sie noch gut dran mit dem Verlust eines Auges. Sowohl im Vergleich mit einigen der anderen Verwundeten als auch in Bezug auf die Vorgeschichte zu ihrer Verletzung. Als Tel gestern vorgeschlagen hatte, sie künstlich zu ernähren hatte Slrruk mit einem nachträglichen Nicken zugestimmt. „Ein Tag noch, länger sollten wir aber nicht mehr warten“, hatte er gesagt und sich am Schnabel gerieben. Der Tag war jetzt vorüber.
Gerade wollte der Mrlssi mit einem seiner langen Finger den Namen Valmets auswählen, um ihre Akte aufzurufen, als es über ihm plötzlich dunkel wurde. Der Mrlssi hatte bereits eine Vorahnung und hob ruckartig den Kopf, nur um eine Gestalt ziemlich nahe an ihm vorbeischlängeln zu sehen. Der Mann mittleren Alters erinnerte Slrruk mit seinem Bart schon ein wenig an El'sonn. Nur ein wenig...kräftiger sah er aus, ein wenig mehr nach einer tatsächlichen Autoritätsperson. Das vermittelte sein durchdachtes Ausweichmanöver und irgendwie auch eine gewisse Ausstrahlung.
Mit einem kurzen Nicken in Richtung des schon wieder ein ganzes Stück entfernten Menschen tat Slrruk den Fall dann aber auch wieder ab, und wandte sich erneut seinen Aufgaben zu. Und die lagen nun einmal darin, sich mit den Kranken zu beschäftigen, da führte kein Weg dran vorbei. Mit einem Finger auf dem Pad wählte er also nun die Akte Valmet, Sofya, und behielt dieses Mal ganz genau im Auge, was sich vor ihm abspielte.

„Na, dann wollen wir Mal. Hallo. Na, wie geht es uns denn heute?...Gut? Ausgezeichnet..ja, ja, was soll man sagen, bei mir muss es auch irgendwie gehen. Ist denn seit letztem Mal irgendwas vorgefallen? Irgendwelche Schmerzen, Probleme mit der Wunde? Ja, Nein, Vielleicht?...Ich seh schon, heute ist wieder Stille Nacht angesagt...naja gut“, mit einem leichten Seufzen schüttelte der Sanitäter den Kopf und trat noch einen Schritt näher an das Krankenbett der Frau heran. Bereits jetzt notierte er kurz, dass die Patientin auch heute nicht Willens war, zu kommunizieren. 'Sieht so aus, als ob ich dann doch noch eine Kanüle legen muss. Aber besser noch mal mit El'sonn abklären', dachte Slrruk in sich hinein und streckte vorsichtig einen Arm aus, in dem Bestreben, den Kopf der Frau so zu drehen, dass er den Verband über dem verletzten Auge begutachten konnte. Auf halbem Wege jedoch hielt er inne, und zog seine Hand zurück. Ehrlich gesagt war er sich nicht sicher, was passieren würde, wenn er sie berührte. Der Mrlssi war ein Arzt, kein Psychologe, aber dennoch wusste er davon, dass manch ein psychisch traumatisierter Patient alles andere als positiv auf Berührungen reagierte. Und wenn Valmet schon nicht einmal sprach oder sich sonst irgendwie rührte...
Stattdessen beschloss der Sanitäter, sich auf eine sorgsame Begutachtung zu beschränken. Schnell griff er sich einen kleinen Schemel, der neben einem anderen Bett stand und dem Patienten eigentlich half, aufzustehen, stellte ihn neben das Bett der Soldatin und stieg darauf, um einen Blick auf das Auge zu werfen. Mit einem leichten Nicken stellte er fest, dass es offenbar keine größeren Komplikationen gab. Zufrieden notierte er Verband ohne sichtliche Verunreinigungen. Kein Blut, Kein Wundwasser, kein Eiter. Wunde bedarf keiner sofortigen Behandlung. Das war es aber auch schon mit den guten Nachrichten. Denn während der Körper an sich rund lief, war es hier immer noch der Geist, der für Probleme sorgte. Ein wenig mulmig wurde dem Mrlssi schon, als er sich die Frau noch einmal besah. Nicht nur die Ausrufung der neuen Republik und die Hoffnung auf eine freie Galaxis, sondern auch das war das Resultat all der geschlagenen Schlachten. Innen wie außen Verletzte Kämpfer, und zwar auf beiden Seiten. Ein Preis, der gezahlt werden musste und zwar zurecht, das war dem Sanitäter klar. Aber dennoch, in solchen Situationen vermittelte ihm sein Bauchgefühl immer eine etwas andere Sichtweise. So auch jetzt, wie es Slrruk schien. Auch wenn er das Gefühl hatte, dass es diesmal nicht nur mit der Frau auf dem Bett zu tun hatte, sondern ein allgemein ungutes Gefühl war, das ihn heimsuchte.
Mit leicht gerunzelter Stirn setzte der Mrlssi wieder das kleine Häkchen in der Akte und drehte sich herum, um sich dem nächsten Patienten zuzuwenden. Und auch wenn Valmet aus seinem Sichtfeld verschwunden war, diese vage, in der Luft hängende Gefühlsregung blieb.
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