#3
„Und dann, dann kommt dieser Vollidiot auf einmal wieder auf mich zu und meint: 'Ey, kannst du einfach nur nicht mixen oder warum schmeckt mein Drink so abartig schlecht?'
Da konnte ich natürlich nicht anders, als mich wohlwollend lächelnd und kopfschüttelnd so ein wenig über den Tresen zu lehnen und zu sagen:“, mit leicht geneigtem Kopf beobachtete Slrruk, wie sich der bärtige Mann dezent räuspernd gegen die aufgestellte Trennwand lehnte. Die Kunstpause war gut platziert, und man konnte gut erkennen, wie der Kerl in seiner leicht abgewetzten, grünen Dienstkleidung es genoss, die drei anderen Sanitäter so an seinen Lippen hängen zu sehen.
Bereits nach ein paar Sekunden hielt das kleine Vogelwesen, das auf einer stabilen, verschlossenen Box mit der Aufschrift Druckverbände, Tupfer, Operationsbesteck Set 1 stehen musste, um mit seinen Kollegen auf Augenhöhe zu sein, es nicht mehr aus.

„Ja, und? Jetzt sag schon, Tel, raus damit“, krächzte Slrruk, und das leise Rascheln des orangen Federkranzes unterstrich noch seine Neugier. Eine etwas hagere Frau mit markanten Gesichtszügen und einem amüsierten Gesichtsausdruck nickte zustimmend und auch der dritte Sanitäter im Bunde, nebenbei mit seinem eher wenig appetitlich wirkenden Essen beschäftigt, machte mit einer Daumen-nach-oben-Geste seiner freien Hand sein Interesse an der Geschichte deutlich. Von seinen Kollegen derartig angebettelt konnte der Tel genannte Mann gar nicht anders, als seine eigene Belustigung zu unterdrücken und weiter zu reden: „Ja, dann meinte ich: 'Ach, mach dir keine Sorgen. An meinen Fähigkeiten als Barkeeper liegts ganz sicher nicht. Ich hab dir einfach nur ins Glas gespuckt. Ich meine, so wie du die ganze Zeit mit deinem Speichel rumsprühst, da wollte ich dir einfach was zurückgeben!“

Für einen Moment erhellte das kleine Grüppchen die Umgebung mit herzhaftem Gelächter. Relativ schnell jedoch dämpfte Slrruk genauso wie die anderen seine Stimme, sodass das kräftige Lachen eher zu einem amüsierten Glucksen verkam. Schließlich waren die vier Sanitäter ja nicht allein im Frachtraum, und vier zwei Meter hohe Trennwände aus Kunststoff ohne Überdachung machten auch sicher keinen schalldichten Raum. So war es auch eher wenig verwunderlich, dass nicht viel später von irgendwo „draußen“ ein verhaltenes Räuspern kam.
Noch während Slrruk hastig seinen Kopf in die Richtung drehte, aus der er die Geräusche zu kommen vermutete machte er einen beherzten Sprung nach hinten, um lautlos hinter der Box aufzusetzen, die dem Vogel jetzt bis zur Hüfte ging. Das alles Tat er keinen Moment zu früh, wie sich kurz darauf herausstellte. Durch den Spalt, den man beim Aufstellen zwischen zwei der Wände gelassen hatte schob sich eine weitere Gestalt in den provisorischen Aufenthaltsraum. Anders als die vier bereits Anwesenden war er nicht gekleidet in die schlichte grüne Montur, wie sie die anderen trugen, sondern schien das Privileg zu besitzen, in einen weißen, eng zugeknöpften Kittel eingehüllt zu sein.

„Doc...“, begrüßte die Menschenfrau ihn schließlich. Aufmerksam, wie Slrruk den so eben zu ihnen Gestoßenen beobachtete fiel ihm natürlich auf, wie die Gesichtszüge des Kittelträgers ein wenig zu entgleisen drohten, und entschloss sich kurzerhand dazu, einen solchen Unfall lieber zu verhindern. Hier gab es schließlich schon genug Verletzte.
„...tor El'sonn! Gut sie zu sehen, wir haben schon...“, fügte Slrruk also an, kam allerdings nicht sehr weit. Nickend bestätigte Doktor El'sonn nämlich die Begrüßung der Frau und der des Mrlssi, doch sogleich fiel er ihm auch ins Wort. „Tatsächlich ist es auch gut, sie alle wenigstens mal zu sehen! Wenn sie schon nicht am Arbeiten sind. Es ist schon witzig, in den Krankenbereich zu kommen und sich plötzlich allein auf weiter Flur wiederzufinden“. Während der ehemalige Barkeeper zu erklären versuchte, dass sie ja die ganze Zeit hier waren und sich nur eine Pause gegönnt hätten, hatte Slrruk seine Aufmerksamkeit weniger auf die Worte des leicht genervten Doktors gelegt als viel mehr auf dessen interessante Angewohnheit, sich immer dann durch seinen Vollbart zu streichen, wenn er von irgend etwas so gar nicht begeistert war oder nach den richtigen Worten suchte. Jetzt gerade war wohl beides so ein wenig der Fall, denn sein Blick von unten herauf verriet dem Mrlssi gut, wie El'sonn förmlich versuchte, sich während Tels Ausführungen ein paar seiner Barthaare auszureißen.
Slrruk wollte sich gerade erkundigen, warum El'sonn denn schon wieder so angefressen war, doch dieser schien ihm heute einfach keine Gelegenheit zum Sprechen geben zu wollen, denn gerade, als der schmale Schnabel sich öffnete, zupfte der Doktor ein wenig am Kragen seines Kittels herum und fuhr fort.
„Was auch immer, auch wenn mir der Maschinenschaden ein bisschen Zeit verschafft habe ich noch einen Haufen Berichte zu schreiben und Dokumente über den Zustand der Verwundeten auszufüllen. Und da ich ja niemanden schreien gehört habe als ich gekommen bin, sondern nur ihr dämliches Gelächter scheint ja kein akuter Notfall zu bestehen. Von daher wäre es ganz schön, wenn sie ausnahmsweise Mal ihre Arbeit machen und ich mich auf meine konzentrieren kann! Es reicht mir nämlich schon, dass die Mechaniker anscheinend nichts auf die Reihe kriegen. Also, machen sie's mal? Nur heute? Ja? Super, danke!“

Ohne auf eine Antwort seitens der Sanitäter zu warten hatte El'sonn sich schon bei seinen letzten Worten wieder umgedreht und war nun so schnell verschwunden, wie er aufgetaucht war. Einen kurzen Moment blickte Slrruk seine Kollegen ein wenig ratlos an und bekam lediglich eine stumme Antwort in Form von nicht minder fragenden Blicken. Dann stemmte die Frau ihre Arme in die Seiten und konstatierte mit einem leicht hämischen Grinsen: „Also ich hab heute früh schon die Runde gemacht und Tel durfte letzte Nacht aufpassen. Und womit unser Gourmet beschäftigt ist, das ist ja wohl offensichtlich“. Der Kerl mit seinem Essen nickte bestätigend, gestikulierte ein wenig mit seinem Besteck und murmelte mit halbvollem Mund etwas von Müllvernichtung.
Slrruk, dem klar war, worauf das hinauslief, klapperte leicht mit seinem Schnabel – man hätte es als das Mrlssi-Äquivalent eines genervten Schnalzens mit der Zunge interpretieren können – und verdrehte ein wenig die Augen. „Ja ja, ist schon gut, ich kümmere mich drum“. Kopfschüttelnd ging er zu dem Tisch, auf dem ein paar kleine Datenspeichergeräte lagen. Eines davon griff der Mrlssi sich, bevor er langsam zum Ausgang trottete. Dennoch konnte Slrruk es sich nicht verkneifen, noch einmal nach Hinten zu blicken. „Aber wenn du nächstes Mal 'deine Runde machst', dann bitte, kümmere dich doch auch mal um die Verwundeten, und lauf nicht nur im Eilschritt durch die Reihen um die Häkchen im Behandlungsplan zu setzen“. Mit einem amüsierten Krächzen verließ er schließlich den Aufenthaltsraum, um den Zustand der knapp zwei Dutzend verletzten Soldaten zu überprüfen und sich mit denen, die es konnten über eventuelle Beschwerden zu unterhalten.
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