#9
Zunächst ohne weitere Reaktion nahm Cassio das von seinem Vorgesetzten Gesagte zur Kenntnis. Prinzipiell waren dies für ihn keine neueren oder gar überraschenden Informationen – abgesehen vielleicht davon, dass Vaash zwei Geschwader diesbezüglich als übermäßig wichtig bezeichnete. Aber dabei mochte es sich auch um übertriebene Höflichkeit handeln, denn aus sein strategischer Sicht war das wohl letztlich kaum als mehr anzusehen. Zwei Geschwader gegen einen Supersternenzerstörer? Schwerlich vermittelbar. Als der Flottenadmiral schließlich nach ihrer Einschätzung der Lage fragte, zeigte sich zum ersten Mal in der steinernen Miene Cassios so etwas wie Beunruhigung. Er verlagerte sein Gewicht ein Stück weit in dem Stuhl, was ihm einen etwas unruhigen Eindruck verlieh. Sein Blick fiel derweil mit in Falten gelegter Stirn auf Admiral Sloane neben ihm, die jedoch für ihn in dieser Situation nicht zu lesen und einzuschätzen war. Cassio war Besprechungen auf dieser Ebene schlechterdings nicht gewohnt, fühlte sich daher unwohl dabei. Dies umso mehr, da er innerhalb des Stabs und der damit verbundenen Stellen wusste, wem er welche Dinge wie mitteilen konnte und bei welchen Personen eine gewisse Grundvorsicht angebracht war. Dieses Wissen fehlte ihm letztlich sowohl für Vaash, insbesondere aber auch für Sloane. Der Stab und die Operationsabteilungen waren im Schnitt weitaus weniger politisiert und ideologisch aufgeladen als die Frontkommandeure, die vor Ort von ihren Truppe Inbrunst und Fanatismus verlangen mussten, weil es dort ums Leben oder ums Sterben ging und zweifellos der einzelne Soldat darin zumindest eine gewisse Form von Sinn erkennen musste, um dies auch akzeptieren zu können. Das war jedoch kein Thema und auch kein zulässiger Betrachtungswinkel im gesamtstrategischen Verteilungsmechanismus der Flotte. Cassio entschied sich daher zunächst für eine eher objektivierende Darstellung seiner Einschätzung anhand der übergeordneten Sachlage.
„Wenn die letzten Schätzungen des Geheimdienstes, die ich im Zentrum noch lesen konnte, weiterhin zutreffen, ist die Beurteilung der Lage relativ eindeutig“, sagte er schließlich und blickte mit dem Glas in einer Hand, in der Luft haltend, in den Raum hinein.
„Abseits vom Säbelrasseln gehe ich nicht davon aus, dass jemand im Stab ernstlich mit einem Sieg rechnet, bevor Grunger in die Kolonien vorstößt. Jedenfalls nicht, falls uns nicht ein eigenes Schlachtschiff gestellt wird. Aber ich zweifle daran, dass Tigellinus uns die Whelm überträgt und dafür Azure Hammer Command schwächt.“
Ganz zu schweigen davon, dass es politisch schlichtweg nicht durchsetzbar schien, ohne Anaxes und den gesamten Azur-Sektor bloßzustellen und ihnen einen weiteren Bedeutungsverlust vor Augen zu führen. Großadmiral Tigellinus war politisch klug genug zu wissen, dass man sich das nicht leisten konnte. Die Whelm konnte nur im Sinne einer Präsenzflotte in der Nähe von Coruscant verbleiben – andernfalls entblößte man nicht nur den Azur-Sektor, sondern praktisch einen großen Teil der nördlichen Kernwelten, einschließlich Coruscants. Nein, mit der Whelm konnten sie nicht rechnen. Die Annihilator wartete als Kommandoschiff indes im Süden der Kernwelten, um gegebenenfalls auf einen dortigen Durchbruch der Republik in den Kern reagieren zu können. Und die Intimidator… nun, diese war von der Bildfläche verschwunden und alle Versuche, Kontakt nach Koornacht herzustellen, waren gescheitert und kein Spähschiff war von dort zurückgekehrt. Auch hier musste daher vermutet werden, dass auch dieses Schiff verloren war. Oder noch schlimmer, Teil eines weiteren, unbekannten Abtrünnigen, der damit direkt Coruscant würde bedrohen können. Noch ein Grund mehr, weshalb die Präsenz der Whelm absolut erforderlich war. Wenn sich Black Sword Command wirklich in Gänze abgespalten hatte, war das ein Desaster – weitaus größer noch als die Niederlage über Eriadu, wenn auch weniger publik und daher weniger öffentlichkeitswirksam. Aber dass in einem gesamten Regionskommando die Lichter ausgegangen waren, war in jedem Fall mehr als nur besorgniserregend; ganz gleich, was konkret dahintersteckte.

Das bedeutete aber nun einmal beinahe zwingend, dass der vermutliche Feind Grunger ein Schlachtschiff besaß und Vaashs Flotte nicht – was rein taktisch zur Folge hatte, dass Grunger praktisch mit dem Äquivalent von etwa zwei Flotten angreifen würde und im absoluten Idealfall Vaash gerade eine dagegen setzen konnte. Und das auch nur für den Fall, dass der militärische Geheimdienst korrekt lag mit seiner Beurteilung, dass Grunger aufgrund seiner Lage in der Galaxis auf Dauer nicht mehr als eine Flotte würde unterhalten können. Besonders gut war die Informationslage über Grunger indes explizit nicht gewesen.
„Aber um Sieg geht es hier wohl auch nicht, zumindest zunächst. Ich denke, unsere Befehle sind auch so relativ klar zu verstehen. Wir können mit zwei Geschwadern kein Schlachtschiff schlagen. Und vermutlich nicht einmal mit dem Rest der Flotte. Das wird auch niemand erwarten. Wir stellen den Prellbock dar – wir sollen den Angriff abschwächen, damit der Feind in den Kolonien oder im Kern geschwächt gestellt und von unserer dann überlegenen strategischen Reserve besiegt oder vertrieben werden kann.“
Ohne ihn zu sehen, konnte Cassio den Blick von Admiral Sloane zu seiner Seite beinahe spüren. Soweit er wusste, hatte Sloane nicht im Stab gedient, sondern war ein – durchaus – Vorzeigeoffizier für die Frontlinie. Sicherlich mochte dies zu verschiedenen Blickwinkeln führen, zumal solche Frontlinienoffiziere aus der Sternenflotte, die noch lebten, Niederlagen ohnehin nicht gewohnt waren. Das konnte womöglich noch immer ein gewisses Manko der Flotte darstellen: die mangelnde Vorstellbarkeit, die Galaxis nicht mehr nach Belieben dominieren und auf alle Bedrohungen unmittelbar reaktiv agieren zu können, weil dafür die Präsenz nicht mehr vorhanden war. Wo früher vielleicht einzelne Schiff oder kleinere taktische Elemente verloren gegangen waren, war sich dennoch jeder bewusst, dass es sich dabei im schlimmsten Fall um eine taktische Niederlage, nicht jedoch um eine nachhaltige strategische Niederlage handeln würde, da unstreitig war, wer die Kontrolle innerhalb der Galaxis innehatte. Das vermochten auch kleinere Siege der Rebellen nicht verändern – die imperiale Reaktion nach der Niederlage über Yavin hatte Bände gesprochen. Aber diese Gewissheit gab es nach Endor nun nicht mehr und Cassio war sich nicht darüber im Klaren, ob diese Botschaft an der Front bei aller bizarrer Propaganda wirklich auch angekommen war. Viele der Abspaltungen imperialer Teilverbände mochten weder bekannt noch geglaubt werden, konnte er sich zumindest vorstellen. Die imperiale Propaganda hatte sich schwerpunktsmäßig immer auf die Rebellion konzentriert – selbst als Grunger zum Sturz der imperialen Regierung aufgerufen hatte.

Cassio glaubte daher nicht daran, dass Truppe und Bevölkerung wirklich auf einen größeren imperialen Bruderkrieg eingestellt waren – Vesperum mochte damals Glück gehabt haben, dass sein Feldzug gegen das Reich einen enorm günstigen Zeitpunkt gehabt und zudem nur kurz angehalten hatte, wodurch nicht übermäßig viel Blut vergossen wurde. Das hatte aber auch gezeigt, wie wenig das Reich sich damals hatte vorstellen können, dass sich Imperiale wirklich ernsthaft militärisch gegen andere Imperiale richten würden. Und das galt nicht nur für das Reich, sondern durchaus auch für Cassio als Person. Es war damals unerhört gewesen, als Vesperum seine Waffen auf die eigenen Männer gerichtet hatte. Mittlerweile war es das nicht mehr.
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Ithor - von Protokolldroide - 02.05.2020, 17:18
RE: Ithor - von Tiberius Vaash - 02.05.2020, 17:47
RE: Ithor - von Cassio Acchetia - 13.05.2020, 19:57
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