#4
Es war immer seltsam, einer Person gegenüber zu stehen, die einem bereits so lange bekannt und vertraut war und die einen von Jahr zu Jahr mehr verabscheute. Nun, so war es eben. Vermutlich der Preis dafür, den es zu zahlen galt, wollte man die Ziele, die man sich setzte, auch wirklich erreichen. Der Weg zur Größe war am Ende immer mit Leichen gepflastert – ein seltsames Konzept zwar, aber offenbar eine Art Naturgesetz, an dem auch Orson nichts ändern, sondern es lediglich so hinnehmen konnte, wie es sich zeigte. Mit der Zeit wurde es auch einfacher, normaler. Insbesondere in einem Regime wie dem Imperium blühten rücksichtslose, gewissenlose Personen auf und erreichten Positionen, die sie in anderen Staaten niemals erlangt hätten. Orson selbst zweifelte allerdings nicht daran, dass er auch in der Republik eine beachtliche Karriere gemacht hätte – ob beachtlicher oder nicht, spielte letztlich keine Rolle. Er war schlichtweg auch nicht bescheiden genug, um sich nicht daran zu erinnern, dass er clever war. Galen dagegen war… nun, wie konnte man es nennen? Orson hielt ihn zweifellos für ein Ausnahmetalent, sicherlich sogar für intelligenter als sich selbst, doch für weitaus weniger clever. Intelligenz allein war eine gute Sache, eine wichtige Sache sogar. Wer sie jedoch nicht richtig zur Geltung bringen konnte, der verschwendete sie nur. Und hier hatte Galen immer versagt, benötigte ihn lenkende Personen, weil er seine Gaben schlichtweg nicht gut einzusetzen wusste. Das war sicherlich ein Grund, warum er Orsons und ja, auch Lyras Führung durchaus immer bereitwillig akzeptiert hatte. Galens Pech war am Ende dann gewesen, dass er auf das falsche Pferd von beiden gesetzt hatte. In dem damals aufsteigenden Staat wie dem Imperium waren Widerstand und Attitüde, wie Lyra sie gezeigt hatte, töricht. Und beinahe hätte sie damit Galens Leben ebenfalls leichtfertig weggeworfen und das Ausnahmetalent wäre unerkannt aus der Galaxis verschwunden. Unter anderen Umständen hätten Orson und Galen jetzt bequem hier sitzen und zusammen arbeiten, die Galaxis gemeinsam besser machen können. Doch Galen wollte damals nicht begreifen, wie die Dinge in der Galaxis liefen. Es war eben dreckig. Und manchmal musste man lügen. Jeder tat es. Später auch Galen selbst, als er begann, Orsons Arbeit zu sabotieren. In gewisser Weise mochte das ausgleichende Gerechtigkeit sein – doch es war schwer, es als Leidtragender als solche akzeptieren zu können.

„Ach Galen“, entgegnete er gespielt amüsiert und breitete seine Arme zu einem überschwänglichen Schulterzucken aus. Ein freudloses Lächeln glitt über seine Lippen, erzwungen wirkend, da zu erkennen war, wie er dafür die Lippen aufeinanderpressen musste. Das Lächeln hielt einige Sekunden an, während er Galen anblickte und begann, den Kopf zu schütteln, ehe eine gewisse Härte in seinen Blick gelangte.
„Ich schätze, du warst einfach zu lange mit Lyra zusammen. Aber ich werfe dir das nicht vor. Jeder trifft gelegentlich schlechte Entscheidungen.“
Bei Orsons letztem Satz schien der Direktor seinen alten Freund besonders zu fixieren, was dem Satz eine gewisse Doppeldeutigkeit gab – schließlich hatte sich auch Orsons Entscheidung, auf Galen zu setzen, am Ende zumindest in gewisser Weise als eine schlechte Entscheidung seinerseits erwiesen.
„Wie dem auch sei…“, fing er schließlich gleich wieder an, ehe Galen darauf reagieren konnte, und wandte sich nur kurz dem Bildschirm mit Galens derzeitiger Arbeit zu. Er wirkte nicht interessiert hieran.
„Die Arbeit daran ist hiermit beendet“, fuhr er dann gleichgültig fort, als wäre es eine Selbstverständlichkeit. „Nur ein Test, um zu sehen, ob du mir noch einmal so eine fixe Idee wie bei unserem ersten Projekt unterschieben möchtest.“
Eine Lüge, wenn auch nur teilweise. Das primäre Bestreben von Orson war es gewesen, mit der provisorischen Arbeit die Kooperationsbereitschaft und -willigkeit von Galen zu überprüfen und ob dieser überhaupt noch den scharfen Geist besaß, der ihm inne gewesen war. Das war zweifellos der Fall. Nun würde er Galen auch wieder für etwas einsetzen können, das wirklich Relevanz auf die Galaxis haben konnte. Nur dieses Mal würde er genauer darauf achten, dass sein alter Freund auch wirklich so arbeitete, wie er es sollte.
„Ich denke, dir ist bewusst, zu was man mich wieder zwingt, wenn das noch einmal passiert.“
Es war kein Geheimnis. Galen wusste ohne Zweifel, worauf er anspielte. Beide würden die Situation auf Lah’mu niemals vergessen, wenn auch aus verschiedenen Gründen. Orsons Schulter trug ein Zeichen davon, das Mal, das ihm Lyra als Abschiedsgeschenk hinterlassen hatte. Und Orson würde es in gewisser Weise durchaus bedauern, sich dazu genötigt zu sehen, eine weitere Erso beseitigen zu müssen. Wenn auch im Falle von Jyn zumindest eine gewisse Form der Befriedigung nicht zu verneinen war, denn deren Widerstand und Kollaboration mit der Rebellion war weitaus schwerwiegender als im Falle von Lyra, die primär lästig und töricht gewesen war. Jyn war beteiligt am Untergang seines Projektes gewesen, ihr Leben war also aus Krennics Sicht ohnehin verwirkt – die Frage war nur noch, wann es so weit war. Jedenfalls nicht solange sie noch einen Wert für ihn besaß und dieser war einzig und allein mittelbar über Galen vorhanden. Der Direktor seufzte knapp, blickte einen kurzen Augenblick zu Boden, dann machte er einige Schritte weiter auf Galen zu – nicht direkt frontal, sondern ein Stück weit an ihm vorbei, bis er neben Galen an der Tischplatte stand, auf der er sich abstützte.
„Es gibt eine Menge Leute, die euch tot sehen wollen, Galen“, log er, ohne mit der Wimper zu zucken. „Und ich bin der Einzige, der zwischen euch und denen steht. Vergiss das nicht. Ironisch, nicht wahr? Nach allem, was passiert ist.“
Tatsächlich war die Lage natürlich so, dass im Prinzip niemand wusste, dass Galen hinter dem Konstruktionsproblem mit dem Todesstern steckte. Die meisten hielten ihn für tot, es war die offizielle Version - getötet während der Schlacht auf Bakura, als die Rebellen die Forschungseinrichtung für den Todesstern attackiert hatten. Auf der anderen Seite war es auch wieder wahr, denn wäre bekannt, was wirklich während des Todessternprojekts geschehen war, würden Galen tatsächlich eine Menge Personen tot sehen wollen. Allerdings auch Krennic. Insoweit schien es diesem sogar im beiderseitigen Interesse zu sein, dass nichts davon an die Oberfläche gelangte, sondern der jetzige Zustand so verborgen blieb wie er war. Das Risiko, Galen ein neues Team zuzuweisen, war nicht zu leugnen – eine Alternative, wenn er den jetzt äußerst engen Zeitplan für das neue Projekt annähernd einhalten wollte, gab es indes nicht. Wie üblich erwartete man Wunder von ihm, Wunder innerhalb weniger Monate. Und letztlich war nur eine Person in der Galaxis zu diesen Wundern in der Lage.

Orson blickte von seiner mit beiden Händen auf dem Tisch abgestützten Position zu Galen hoch, wirkte einen Augenblick lang tatsächlich ein Stück weit müde von all dem – wobei nicht erkennbar war, ob es sich um echte oder gespielte Müdigkeit handelte. Letztlich war es eine Mixtur aus beidem.
„Du weißt, wie es läuft. Du hilfst mir, ich helfe dir.“
Er dachte kurz nach, ehe er hinzufügte. „… im Rahmen des mir Möglichen.“
Dann nickte er nur noch knapp.
„Ich bin kein grausamer Mensch. Gib mir das, was ich brauche, und ich lasse dich deine Tochter sehen.“
Offline
Zitieren
 


Nachrichten in diesem Thema