#2
Die Tür glitt zischend auf. Prisen feinen Staubs wirbelten auf und spiegelten im Lichtschein der Fenster von außen, wie kleine graue Flammen, die lautlos in der Luft knisterten. Schwarze Lederstiefel hallten auf dem Boden in leicht erhöhtem, wenn auch nicht eiligem Tempo wider, ein paar Stufen hinab ins Laboratorium. Ein weißer Umhang wehte etwas im von draußen einströmenden Wind, schlug Falten in den Stoff und ließ ihn bedächtig tanzen. Die übergroßen schwarzgepanzerten Soldaten der Leibgarde blieben eigenständig an der Türe stehen, ohne dass irgendein Zeichen gegeben werden musste. Unverständliche Funkmeldungen schnarrten aus ihren Empfängern in den finsteren Helmen. Der Großteil der Forschungsstation war finster, schon lange nicht mehr in Betrieb. Die Zeit der Grundlagenforschung schien vorüber – jetzt ging es nur noch um Details. Und das hiesige Objekt, das es zu schützen galt, war weitaus zu gefährlich, um es in Kontakt mit einer Vielzahl anderer Personen kommen zu lassen. Ein paar ausgewählte Wissenschaftler in kleinen Gruppen mit ihren Familien, die ebenfalls nie das riesige Gebäude verlassen durften. Und vermutlich auch nie wieder würden. Es war nicht schwierig, Freiwillige für Projekte zu finden, wenn man sie als „streng geheim“ einstufte. Leute waren neugierig und liebten Geheimnisse, wollten einen Einblick hinter die Kulissen und wenn jemand ihnen einen solchen anbot, gab es nur wenige Kandidaten, die den Vorhang lieber geschlossen sehen wollten. Doch das Vertraulichste an diesem Ort war sicherlich nicht das, woran geforscht werden würde, sondern vielmehr die Person, die daran forschen sollte.

Orson Krennic verlangsamte seinen Schritt stetig, während er die Stufen Schritt für Schritt in das Laboratorium hinein nahm. Es war das erste Mal seit dem großen Knall, der schlussendlich den Zweiten Todesstern zerfetzt hatte, dass Orson den Mann wieder aufsuchte. Wieder aufsuchen musste. Gut über ein Jahr also seit dem letzten Besuch. Der Weg hinein in die Station war immer eine Art widerstreitender Tortur. Einerseits wollte er die Forschungsstation und vor allem die Person darin überhaupt nicht mehr aufsuchen. Sie hier einkerkern und die Zeit schlichtweg das Problem von alleine erledigen lassen. Es hätte Vieles vereinfacht, hätte Risiken für ihn ganz persönlich minimiert und somit eine der Klingen, die derzeit noch immer gierig in seinem Rücken funkelte, wieder in dunkle Schatten weiter im Hintergrund verlegt. Aber andererseits zwang ihn etwas in seinem Inneren dazu, ähnlich der Flammen, es schlichtweg zu tun, er brannte darauf, weiter voranzukommen. Musste es einfach. Diesen Antrieb, den er durchaus auch selbst als Ehrgeiz verstand, hatte er inzwischen längst als unabänderlichen Teil seiner Persönlichkeitsstruktur akzeptiert, auch wenn er ihn nicht immer so kontrollieren konnte, wie er vielleicht wollte. Aber womöglich lag auch genau darin der Ursprung für den Funken, der alles ins Rollen gebracht hatte. Erstaunliches war in den letzten Jahren und Jahrzehnten von Menschen sowie Nichtmenschen erschaffen worden; mittlerweile glaubte er nicht mehr daran, dass es überhaupt so etwas wie Grenzen in der Schöpfungskraft ihrer Generation gab. Die Frage war letztlich nur noch die der praktischen Umsetzbarkeit – und diese Frage zermarterte ihm Tag für Tag den Schädel. Am Ende gab es nur eine Person, die dieser Schöpfungskraft praktischen Ausfluss verschaffen konnte, die ihre Generation vom Fortschritt in ungeahnte und bislang kaum denkbare Höhen bringen konnte. Ärgerlicherweise war es ausgerechnet die Person, die ihn hasste. Aber im Endeffekt durfte das nicht von Belang sein. Fortschritt kannte keine Abneigungen.

Es war ein hartes letztes Jahr gewesen. Ein unklares, mit vielen Veränderungen seit dem Tod des Mannes, auf dessen Treffen er so lange hingearbeitet hatte. Vergebliche Bemühungen schlussendlich. Palpatine hatte ihn nie empfangen, niemals. Selbst als er persönliches Interesse an der neuen Kampfstation bekundet hatte, hatte er sie nur ein Mal besucht – kurz vor seinem Tode, als Orson selbst nicht dort war. Ein ironischer Zufall. Nichts, was der Mann vor ihm wusste. Nichts, was Orson ihm mitteilen würde, um dem Mann die Befriedigung zu verschaffen, dass er am Ende Recht behalten hatte. Du wirst niemals gewinnen, hatte der Mann dereinst gesagt. Als einer von vielen. Die meisten hatten nicht Recht behalten. Dieser schon. Krennics erstes Meisterwerk – zersprengt kurz nach Fertigstellung aufgrund der Arroganz seines eigenen Gegenspielers. Sein zweites – zersprengt vor Fertigstellung aufgrund der Arroganz seines eigenen Herrschers. Manche am imperialen Hof mochten bereits über ihn lachen. Andere dagegen verstanden die Dinge, wie sie waren. Vor einiger Zeit hatte es eine kaiserliche Order von ihrem neuen Herrscher gegeben – Vesperum, ein Emporkömmling aus dem Nichts. Kein etablierter Mann mit großem Namen oder großem Hintergrund. Offenbar jemand, der sich nach oben gearbeitet hatte. Etwas, das Krennic respektieren und vielleicht bewundern konnte, sogar musste, wollte er sich selbst wertschätzen (und das tat er durchaus in erheblichem Maße), denn das Gleiche galt für ihn auch. Niemand würde sich an Orsons Eltern oder Großeltern erinnern. Es gab auch nichts über sie zu berichten, normale Leute der Arbeiterklasse, die nie etwas Bemerkenswertes in ihrem Leben geleistet hatten oder auch gar nicht danach gestrebt hatten. Schwer zu sagen, woher Orsons Drang kam, anders zu sein als sie, aber vermutlich steckte darin auch kein großer Plan, sondern schlichtweg ebenso der Zufall. Zufall, der mal für ihn wirkte und mal gegen ihn, etwa in Form eines Treffers eines Abluftschachtes, den ein Computer im besten Fall in einem von einer Million Versuchen hätte treffen können. Zufall war eben immer ein zweischneidiges Schwert.

Und so stand er also vor dem Mann, der überhaupt erst dafür gesorgt hatte, dass dieser nahezu unmögliche Zufall hatte eintreten können. Der einerseits das gesamte Projekt nach zwanzig Jahren erst möglich gemacht hatte, um es ihm dann wieder mit einem Fingerschnippen nehmen zu können. Letztlich ein Plan, der meisterhaft funktioniert hatte, Orson kam nicht umhin, das zugeben zu müssen. Etwas, das Tarkin nicht besser hätte inszenieren können – nur dass dieser am Ende sogar noch mehr der Leidtragende gewesen war als Krennic selbst. Hätte er selbst nicht zwanzig Jahre seines Lebens an diese Station verschwendet, hätte er dem Mann vielleicht sogar dankbar dafür sein können, dass er so elegant Krennics Rivalen beseitigt hatte. So aber haftete dem Ganzen ein Stück Bitterkeit an, als er dem Mann wieder gegenüberstand, während er im Abstand von ein paar Metern zum Stillstand kam. Er schürte kurz die Lippen, ließ dann ein paar Sekunden Stille walten – die Art von dramatischer Pause, die sein Gegenüber inzwischen besser kennen musste als jeder sonst.
„Galen“, sagte dann Krennics wie üblich leicht kratzige Stimme trocken, tonlos, während er seinen Blick nach unten abwandte und ablenkend an seinen Handschuhen hantierte, sie sich langsam, Finger für Finger, von der einen und schließlich auch von der anderen Hand zog – für einen Wissenden womöglich ein kleines Indiz dafür, dass etwas nicht nach seinem Willen gegangen war und er deswegen für einen Moment seinen Gegenüber nicht anblicken konnte. Erst nach diesem Moment hoben sich vom weiterhin gesenkten Haupt die blauen Augen über gekräuselten Brauen wieder an und blickten in das Gesicht eines Freundes, eines alten Freundes – wenngleich es ein Begriff war, den keiner der beiden auch nur gedanklich in den Mund nehmen würde. Die entscheidenden Passagen dieser Änderung lagen bereits Jahre zurück, doch manche Wunden heilten niemals.
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