Wundersam war es, dass selbst in den dunkelsten Gassen der von Lebewesen errichteten Bauwerke immer noch das Licht durchschien. Splitterhaft, geteilt wie von einem Prisma, aber doch beständig und überall. Wie hier, zwischen den vermodernden Steinen, wo es sich aus kleinen Spalten hervor zwängte, um Dinge zu betrachten, die es eigentlich nicht sehen sollte. Doch überall dort, wo es war, musste sein Gegenspieler weichen. Überall dort, wo es sein wollte, war es. Licht war nicht wählerisch. Nur Blockaden konnten es aufhalten, solche, die nie ganz perfekt ausblenden konnten, dass es dennoch da war; dort, weit in der Ferne vielleicht, aber doch immer als fast greifbare Größe in annähernder Reichweite. Und Blockaden konnten eingerissen werden, mühevoll einzeln zwar in Handarbeit. Manchmal bedurfte es der puren Verzweiflung, damit anzufangen, eine Angst vor dem Ersticken, wenn man fühlte, wie hinter dem Gemäuer die Luft dünner wurde, abgestanden und der natürliche Drang, eine neue Prise davon zu erhalten, von Mal zu Mal größer wurde, bis es endlich hervorbrach.
Sedrael saß verdutzt einige Sekunden mit geöffnetem Mund da. Die zermarterte Hand der Inquisitorin entfernte sich wieder, langsam, beinah schüchtern. Aber die Sephi hatte diesen schattigen Griff nach ihr, der sich ihr genähert hatte, nicht einmal wirklich realisiert. Etwas anderes, weitaus Wichtigeres war gerade passiert – unerwartet, das sich als warmer Schleier an ihre Haut schmiegte. Die Worte, auf die sie so lange gehofft hatte, erwartet hatte, die unausgesprochen zwischen ihnen gestanden waren. Monatelang. Am wenigsten hätte sie die Worte, die Auflösung dieser Störung an einem solchen Ort vermutet, an dieser Bastion der Finsternis. Aber vielleicht war es ja auch genau das. Dieser Ort, dieser Kontrast, den er mit seiner bloßen Präsenz schärfte und somit auch das gegenteilige Spiegelbild klarer zu werden schien. Wo sonst nur Finsternis war, strahlte auch das kleinste Licht umso deutlicher heraus, vermochte als Orientierung und Wegweiser dienen, der ohne das beständige Dunkel unauffällig gewesen und womöglich gar nicht entdeckt worden wäre.
Es war ein… fast überwältigendes Gefühl. Nicht unbedingt voller Erleichterung, schwer bereits zu fassen in Worte, noch schwerer zu fassen in Emotionen, widerstreitend. Ein Teil von ihr wollte nur lachen, den dünnen Faden der Ernsthaftigkeit zerschneiden mit einer erheiterten Reaktion, die sie gerade überforderte und die Anspannung oberflächlich abschliff. Ein anderer Teil wollte die Hexe anbrüllen, die Vorwürfe als Kohlen in die glühende Feuersbrunst des Ofens schaufeln, um irgendeine Reaktion zu provozieren. Am Ende jedoch musste die Sephi vor allem damit kämpfen, überhaupt die Fassung zu wahren und es nicht zu verlieren. Die Spannung in ihrem Körper schien mit einmal wie zerstört, der Schutzschild, mit dem allein sie die zeitweise Gehässigkeit und die Brutalität der Frau überhaupt nur hatte ertragen können, lag in Scherben vor ihr; zerstört von ein paar Worten, die sie schon lange hören wollte, aber eigentlich nie realistisch erwartet hätte. Ihre Schultern senkten sich ein gutes Stück weit ab, auch ihr Kopf fiel nach unten und sie schloss ihre Augen. War soeben ein komplexes Ziel erreicht worden? In gewisser Weise, vielleicht. Irgendwo funkelte auch Dankbarkeit über die Worte. Sie blinzelte die Feuchtigkeit in ihren Augen fort, die ohne ihren Schild als emotionale Welle über sie einbrach und gegen ihre stoische Ruhe brandete. Die Sephi hob ihren Blick jedoch nicht an, ertrug es nicht, dass die Frau ihre Schwäche sehen konnte.
„Gut“, sagte sie dann nur, tonlos. Die Frau hatte es verstanden. Nach allem hatte sie es endlich verstanden. Verstand es, nicht Teil der Qualen werden zu müssen, sondern reuig und friedlich loszulassen. Vielleicht ein einmaliger Zustand, den sie nie wieder erreichte. Weitermachen. Weitermachen war dann ehrlich. Ja, am Ende war das nur konsequent. Die noch frischen Wunden an Sedraels Hals pulsierten, pochten als Herzschlag in ihrem Kopf. Ihre weiße Hand griff an die Kehle der Bestie und drückte zu. Fester. Es war Gnade. Nur jetzt, in diesem Moment, war Reah Nigidus bereit, der Macht entgegenzutreten und in ihr aufzugehen. Es war kaum Widerstand zu spüren. Ein kurzer Augenblick vor dem Ende vielleicht, ehe die gekrümmte Hand der Inquisitorin kraftlos zu Boden glitt und der Blick glasig wurde. Der Hals schien sofort eiskalt zu werden. Der Totenschädel blickte sie an aus seiner kalten Fratze. Doch zumindest fühlte es sich gut an. Richtig. Befriedigend. Es war keine Gerechtigkeit, nicht nach dem, was das Monster alles getan hatte. Nur ein kleiner Ansatz davon. Aber allein dieser kleine Ansatz ließ den Durst nach der Gerechtigkeit für all das Leid etwas verebben. Einerseits. Andererseits war da das Gefühl der Unvollkommenheit, jetzt, wo es vorüber war. Es war nicht genug. Mehr war nötig. Letztlich war es nicht nur die Inquisitorin gewesen. Auch die ganze Organisation, die Besatzung des Raumschiffes, das Imperium, der Imperator. Sie alle trugen ihren Teil bei. Aber auch dann, war es genug? Nein. Es war nie genug. Niemals. Selbst wenn alle schuldigen Totenfratzen sie anblickten, war es unvollkommen.
Die Pupillen kehrten in das Weiß von Sedraels Augen zurück, während die Realität wieder in grellen Lichtstreifen aus dem Tunnel zurückkehrte und die Macht in kleinste Partikel zerbarst. Etwas fiepte in Sedraels Ohren, sorgte für einen dumpfen Ton in ihrem Schädel und sie meinte, den Geschmack von Blut auf ihrer Zunge zu spüren, ohne den Grund dafür zu verstehen. Vielleicht war es auch nur Einbildung, aber das kupferne Gefühl blieb. Die Erscheinungen wurden häufiger, mehrten sich. Immer wieder zog sie etwas aus dem Diesseits an einen anderen Ort, sprunghaft, willkürlich? Sie spürte ihren Körper zittern, als wäre sie bereits seit Stunden bitterster Kälte ausgesetzt gewesen. Neben ihr lag Reah weiter am Boden, reglos. Das Gefühl von Panik breitete sich erneut in ihr aus, ihre Hände tasteten sich an Reah heran, umfassten das Handgelenk, stellten dabei aber fest, dass der Körper noch warm und ein Puls zu spüren war und bei der Berührung eine leichte, unwillkürliche Regung an Reahs Körper sichtbar wurde. Es war also wieder nur ein kurzer Aussetzer gewesen, vielleicht eine Abwesenheit von wenigen Sekunden. Dennoch machte es ihr Angst, von Mal zu Mal mehr. Sie konnte den Kontrollverlust nicht kanalisieren, nicht steuern, so war es wie ein Hammer, der sie traf und ihr immer wieder für einige Zeit das Bewusstsein nahm. Wo es früher vielleicht alle paar Monate geschehen war, auch in ihrer Zeit im Orden, war dieses grausige Momentum jetzt ebenso zu einem regelmäßigen Begleiter herangewachsen wie Reah selbst – und womöglich war der Kampf hiermit einer, der noch mehr Geduld und Weisheit benötigte, als sie aufbringen können würde. Seit ihren letzten Wochen auf Firrerre war es häufiger geworden, mittlerweile von Tag zu Tag mehr, wie es schien. Sie wusste nicht warum. Wusste nicht, was sie dagegen tun konnte. Sie wusste nur, dass es aufhören musste. Irgendwie. Es riss sie innerlich immerzu auseinander, sie konnte damit nicht umgehen. So wie es ihr bei Reah auch immer ergangen war. Vielleicht war es genau das. Reah zerstörte sie. Aber womöglich war das genau der Preis, der eben zu zahlen war. Wäre sie so selbstlos, das zu akzeptieren? Auf Dauer? Sie wollte nicht darüber nachdenken, nicht jetzt, konnte es auch gar nicht.
Aus dem geöffneten Mund keuchend streckten sich ihre zitternden Hände voran, umschlangen den Oberkörper Reahs, um sie aus ihrer liegenden Position endlich aufzurichten.
„Du kannst es schaffen, Reah“, flüsterte sie gegen den Strom der Dunkelheit Korribans an in Reahs Ohr. „Zu leben ohne all das. Ich weiß es. Wenn du es wirklich willst.“
Während sie den Rücken der Frau hinabblickte, wurde der Sephi trotz der Dunkelheit auch bewusster, in welchem körperlichen Zustand Reah überhaupt war. Erst dann konnte sie den Körper beinah widerwillig wieder loslassen, eingedenk der dramatischen Schmerzen, die jede Bewegung der Frau zwangsläufig machen musste. Sedrael versuchte, mit einer ihrer zittrigen Hände in ihre Tasche zu greifen, scheiterte ein Mal, zwei Mal, erst beim dritten Mal gelang es ihr, die Tasche so zu treffen, um in den Stoff zu fassen und dort einen der Autoinjektoren, den sie vorhin mitgenommen hatte, herauszufingern.
„Wir müssen hier weg, irgendwie“, nuschelte sie, während sie die Plastikverpackung an der vorgesehenen Stelle aufbiss und das Stück auf den Boden spuckte. „Es ist Vesperums Helferin. Ein schemenhaftes Geisterwesen. Sie ist hier.“
Es klang verrückt, war es vermutlich in irgendeiner Form auch. Aber die scharfkantigen Striemen in ihrer Haut und ihrer Robe durch den Steinsturm bewiesen ihr, dass es real gewesen war. Naheliegend ging sie davon aus, dass an Reahs Situation ebenfalls der Schemen schuld sein musste. Einen kurzen Moment lang sondierte ihr etwas hektischer Blick die zum Teil ebenfalls sehr zerschlissene Kleidung der Frau, bis sie an deren Oberschenkel ein größeres Kleidungsloch fand, das sich anbot. Sie hielt kurz den Atem an, vielleicht um das Zittern ihrer Hände etwas verbessern zu können, stauchte dann dort mit einer Hand die Haut am Oberschenkel und bohrte die Schmerzmittelnadel schließlich hinein. Wie bei ihr selbst, allenfalls ein Provisorium, aber für eine nachhaltige Behandlung blieb an diesem Ort keine Zeit. Ihre Körper mussten jetzt funktionieren, rasch. Ehe der nächste Alptraum über sie beide hineinbrach. Sedrael blickte von Reah auf in den Raum hinein. Abseits der maroden Steine ragten nur Schutt und einige alte Rohre von oben aus dem Loch hinab, auf einer Seite eine schwere Felsentüre. Ein Ausgang? Zumindest der einzige gangbare Weg für sie, wenn auch vermutlich noch kein endgültiger Ausgang aus dem Alptraum, sondern eher ein Weg weiter in die Untiefen des Tempels.
Sedrael saß verdutzt einige Sekunden mit geöffnetem Mund da. Die zermarterte Hand der Inquisitorin entfernte sich wieder, langsam, beinah schüchtern. Aber die Sephi hatte diesen schattigen Griff nach ihr, der sich ihr genähert hatte, nicht einmal wirklich realisiert. Etwas anderes, weitaus Wichtigeres war gerade passiert – unerwartet, das sich als warmer Schleier an ihre Haut schmiegte. Die Worte, auf die sie so lange gehofft hatte, erwartet hatte, die unausgesprochen zwischen ihnen gestanden waren. Monatelang. Am wenigsten hätte sie die Worte, die Auflösung dieser Störung an einem solchen Ort vermutet, an dieser Bastion der Finsternis. Aber vielleicht war es ja auch genau das. Dieser Ort, dieser Kontrast, den er mit seiner bloßen Präsenz schärfte und somit auch das gegenteilige Spiegelbild klarer zu werden schien. Wo sonst nur Finsternis war, strahlte auch das kleinste Licht umso deutlicher heraus, vermochte als Orientierung und Wegweiser dienen, der ohne das beständige Dunkel unauffällig gewesen und womöglich gar nicht entdeckt worden wäre.
Es war ein… fast überwältigendes Gefühl. Nicht unbedingt voller Erleichterung, schwer bereits zu fassen in Worte, noch schwerer zu fassen in Emotionen, widerstreitend. Ein Teil von ihr wollte nur lachen, den dünnen Faden der Ernsthaftigkeit zerschneiden mit einer erheiterten Reaktion, die sie gerade überforderte und die Anspannung oberflächlich abschliff. Ein anderer Teil wollte die Hexe anbrüllen, die Vorwürfe als Kohlen in die glühende Feuersbrunst des Ofens schaufeln, um irgendeine Reaktion zu provozieren. Am Ende jedoch musste die Sephi vor allem damit kämpfen, überhaupt die Fassung zu wahren und es nicht zu verlieren. Die Spannung in ihrem Körper schien mit einmal wie zerstört, der Schutzschild, mit dem allein sie die zeitweise Gehässigkeit und die Brutalität der Frau überhaupt nur hatte ertragen können, lag in Scherben vor ihr; zerstört von ein paar Worten, die sie schon lange hören wollte, aber eigentlich nie realistisch erwartet hätte. Ihre Schultern senkten sich ein gutes Stück weit ab, auch ihr Kopf fiel nach unten und sie schloss ihre Augen. War soeben ein komplexes Ziel erreicht worden? In gewisser Weise, vielleicht. Irgendwo funkelte auch Dankbarkeit über die Worte. Sie blinzelte die Feuchtigkeit in ihren Augen fort, die ohne ihren Schild als emotionale Welle über sie einbrach und gegen ihre stoische Ruhe brandete. Die Sephi hob ihren Blick jedoch nicht an, ertrug es nicht, dass die Frau ihre Schwäche sehen konnte.
„Gut“, sagte sie dann nur, tonlos. Die Frau hatte es verstanden. Nach allem hatte sie es endlich verstanden. Verstand es, nicht Teil der Qualen werden zu müssen, sondern reuig und friedlich loszulassen. Vielleicht ein einmaliger Zustand, den sie nie wieder erreichte. Weitermachen. Weitermachen war dann ehrlich. Ja, am Ende war das nur konsequent. Die noch frischen Wunden an Sedraels Hals pulsierten, pochten als Herzschlag in ihrem Kopf. Ihre weiße Hand griff an die Kehle der Bestie und drückte zu. Fester. Es war Gnade. Nur jetzt, in diesem Moment, war Reah Nigidus bereit, der Macht entgegenzutreten und in ihr aufzugehen. Es war kaum Widerstand zu spüren. Ein kurzer Augenblick vor dem Ende vielleicht, ehe die gekrümmte Hand der Inquisitorin kraftlos zu Boden glitt und der Blick glasig wurde. Der Hals schien sofort eiskalt zu werden. Der Totenschädel blickte sie an aus seiner kalten Fratze. Doch zumindest fühlte es sich gut an. Richtig. Befriedigend. Es war keine Gerechtigkeit, nicht nach dem, was das Monster alles getan hatte. Nur ein kleiner Ansatz davon. Aber allein dieser kleine Ansatz ließ den Durst nach der Gerechtigkeit für all das Leid etwas verebben. Einerseits. Andererseits war da das Gefühl der Unvollkommenheit, jetzt, wo es vorüber war. Es war nicht genug. Mehr war nötig. Letztlich war es nicht nur die Inquisitorin gewesen. Auch die ganze Organisation, die Besatzung des Raumschiffes, das Imperium, der Imperator. Sie alle trugen ihren Teil bei. Aber auch dann, war es genug? Nein. Es war nie genug. Niemals. Selbst wenn alle schuldigen Totenfratzen sie anblickten, war es unvollkommen.
Die Pupillen kehrten in das Weiß von Sedraels Augen zurück, während die Realität wieder in grellen Lichtstreifen aus dem Tunnel zurückkehrte und die Macht in kleinste Partikel zerbarst. Etwas fiepte in Sedraels Ohren, sorgte für einen dumpfen Ton in ihrem Schädel und sie meinte, den Geschmack von Blut auf ihrer Zunge zu spüren, ohne den Grund dafür zu verstehen. Vielleicht war es auch nur Einbildung, aber das kupferne Gefühl blieb. Die Erscheinungen wurden häufiger, mehrten sich. Immer wieder zog sie etwas aus dem Diesseits an einen anderen Ort, sprunghaft, willkürlich? Sie spürte ihren Körper zittern, als wäre sie bereits seit Stunden bitterster Kälte ausgesetzt gewesen. Neben ihr lag Reah weiter am Boden, reglos. Das Gefühl von Panik breitete sich erneut in ihr aus, ihre Hände tasteten sich an Reah heran, umfassten das Handgelenk, stellten dabei aber fest, dass der Körper noch warm und ein Puls zu spüren war und bei der Berührung eine leichte, unwillkürliche Regung an Reahs Körper sichtbar wurde. Es war also wieder nur ein kurzer Aussetzer gewesen, vielleicht eine Abwesenheit von wenigen Sekunden. Dennoch machte es ihr Angst, von Mal zu Mal mehr. Sie konnte den Kontrollverlust nicht kanalisieren, nicht steuern, so war es wie ein Hammer, der sie traf und ihr immer wieder für einige Zeit das Bewusstsein nahm. Wo es früher vielleicht alle paar Monate geschehen war, auch in ihrer Zeit im Orden, war dieses grausige Momentum jetzt ebenso zu einem regelmäßigen Begleiter herangewachsen wie Reah selbst – und womöglich war der Kampf hiermit einer, der noch mehr Geduld und Weisheit benötigte, als sie aufbringen können würde. Seit ihren letzten Wochen auf Firrerre war es häufiger geworden, mittlerweile von Tag zu Tag mehr, wie es schien. Sie wusste nicht warum. Wusste nicht, was sie dagegen tun konnte. Sie wusste nur, dass es aufhören musste. Irgendwie. Es riss sie innerlich immerzu auseinander, sie konnte damit nicht umgehen. So wie es ihr bei Reah auch immer ergangen war. Vielleicht war es genau das. Reah zerstörte sie. Aber womöglich war das genau der Preis, der eben zu zahlen war. Wäre sie so selbstlos, das zu akzeptieren? Auf Dauer? Sie wollte nicht darüber nachdenken, nicht jetzt, konnte es auch gar nicht.
Aus dem geöffneten Mund keuchend streckten sich ihre zitternden Hände voran, umschlangen den Oberkörper Reahs, um sie aus ihrer liegenden Position endlich aufzurichten.
„Du kannst es schaffen, Reah“, flüsterte sie gegen den Strom der Dunkelheit Korribans an in Reahs Ohr. „Zu leben ohne all das. Ich weiß es. Wenn du es wirklich willst.“
Während sie den Rücken der Frau hinabblickte, wurde der Sephi trotz der Dunkelheit auch bewusster, in welchem körperlichen Zustand Reah überhaupt war. Erst dann konnte sie den Körper beinah widerwillig wieder loslassen, eingedenk der dramatischen Schmerzen, die jede Bewegung der Frau zwangsläufig machen musste. Sedrael versuchte, mit einer ihrer zittrigen Hände in ihre Tasche zu greifen, scheiterte ein Mal, zwei Mal, erst beim dritten Mal gelang es ihr, die Tasche so zu treffen, um in den Stoff zu fassen und dort einen der Autoinjektoren, den sie vorhin mitgenommen hatte, herauszufingern.
„Wir müssen hier weg, irgendwie“, nuschelte sie, während sie die Plastikverpackung an der vorgesehenen Stelle aufbiss und das Stück auf den Boden spuckte. „Es ist Vesperums Helferin. Ein schemenhaftes Geisterwesen. Sie ist hier.“
Es klang verrückt, war es vermutlich in irgendeiner Form auch. Aber die scharfkantigen Striemen in ihrer Haut und ihrer Robe durch den Steinsturm bewiesen ihr, dass es real gewesen war. Naheliegend ging sie davon aus, dass an Reahs Situation ebenfalls der Schemen schuld sein musste. Einen kurzen Moment lang sondierte ihr etwas hektischer Blick die zum Teil ebenfalls sehr zerschlissene Kleidung der Frau, bis sie an deren Oberschenkel ein größeres Kleidungsloch fand, das sich anbot. Sie hielt kurz den Atem an, vielleicht um das Zittern ihrer Hände etwas verbessern zu können, stauchte dann dort mit einer Hand die Haut am Oberschenkel und bohrte die Schmerzmittelnadel schließlich hinein. Wie bei ihr selbst, allenfalls ein Provisorium, aber für eine nachhaltige Behandlung blieb an diesem Ort keine Zeit. Ihre Körper mussten jetzt funktionieren, rasch. Ehe der nächste Alptraum über sie beide hineinbrach. Sedrael blickte von Reah auf in den Raum hinein. Abseits der maroden Steine ragten nur Schutt und einige alte Rohre von oben aus dem Loch hinab, auf einer Seite eine schwere Felsentüre. Ein Ausgang? Zumindest der einzige gangbare Weg für sie, wenn auch vermutlich noch kein endgültiger Ausgang aus dem Alptraum, sondern eher ein Weg weiter in die Untiefen des Tempels.