#46
Es war nicht dass, was sie erwartet hatte, als die Palasttüre aufschwang und ihre Augen als erstes die großen republikanischen Banner erblickten, die von der Saaldecke herabhingen. Der Zorn verrauchte in einem Moment der Verwirrung, wenn nicht das Ereignis eintrat, dass sie erwartet hatte. Was für ein irrsinniges Szenario sollte das sein? Der sonst so tot und unlebendig wirkende imperiale Palast, glich nun einer fröhlichen Festhalle, gefüllt mit unzähligen ausgelassen Feiernden verschiedenster Spezies, die unabhängig von Rang und Namen, sich am Niedergang des Imperiums ergötzten. Sie erblickte einen Mann, der sie zu sich herüber winkte und identifizierte ihn unverkennbar als Luke Skywalker, dem vielleicht letzten Jedi, der sich tatsächlich noch mit der Idee eines ritterlichen Beschützerordens verbunden fühlte. Sie bemerkte wie ihre Beine schwächer wurden, wie die Wunden, die das obskure Monstrum ins Fleisch gerissen hatte, ihren Tribut forderten, sich eine Welle der Erschöpfung breitmachte, als das Bewusstsein versuchte sich abzuschalten. Doch Reah erlaubte es nicht, konnte ihrem Leib hier und jetzt eine solche Pause nicht gestatten, sondern musste sich konzentrieren, zusammenreißen und achtsam bleiben. Sie redete sich ein, dass dies hier nicht schlimmer war als Byss oder die Konditionierungsversuche durch den IGD, ließ sich von der unnachgiebigen Sturheit treiben, dass hier nicht das Ende liegen konnte, nicht jetzt, wo sie eine Aufgabe für sich sah, wo sie nun wusste, dass Vesperum gestoppt werden musste.
Ein Teil von ihr, jener Teil, der den sparsamen Rest ihrer eigenen Jedi-Vergangenheit repräsentierte, fand in diesem Augenblick sogar gefallen an der einladenden Geste Skywalkers, nicht nur, weil er in dieser Finsternis ein Licht war, sondern, weil er eine Gemeinschaft repräsentierte, weil er mit dieser kleinen Geste anbot, wieder Teil von etwas Größerem zu sein. Doch der größere Teil von ihr wusste auch darum, dass selbst er sie nicht so nehmen konnte, wie sie war, dass auch seine Gemeinschaft Reglungen unterworfen war, denen es sich anzupassen galt, denen man sich unterwerfen musste, so, dass es schlussendlich keinen Platz geben würde. Wunschträume waren eben nichts anderes als das, die Wirklichkeit war stets komplizierter und selbst wenn nicht, so wollte sie doch kein Teil vom dem hier sein: von dieser Republik, überhaupt Teil eines politischen Systems, wieder als Spielball und Haustier einer Macht habenden Person zu enden. Nein, noch einmal wollte sie sich nicht einsperren und anleinen lassen. Reah entschied selbst und nicht irgendwer oder irgendetwas über sie: dies war ihr Leben und ihre Freiheit gehörte nur ihr ganz allein.

Doch vermochte sie auch nicht den Schleier der Illusion zu zerreißen, der sich ihr hier bot, so wusste Reah doch nicht wo oder wie sie ihn packen sollte, wie sie dieses Schauspiel der Unwahrheit dazu zwingen konnte, die falsche Maske abzulegen und zu zeigen, was dieser Ort wirklich war. Es konnte leicht sein, eine solche Projektion zerfallen zu lassen, wenn sich nur ihr Ankerpunkt finden würde, der Teil, der sie mit Energie speiste, sie aufrecht erhielt, doch dessen sanfter Puls in der Macht den Ausgangspunkt verriet. Nur, gab es so etwas hier nicht. Es schien vielmehr eine andere Welt zu sein, ein absurdes Traumbild vielleicht, dass nur in ihrem Kopf war, dem sie aber nicht entrinnen konnte, weil es für Reah unmöglich schien, sich selbst auszuschalten. Doch in ihren Wunschträumen mochte es zwar einen toten Vesperum geben, doch einen Gedanken an eine siegreiche Republik hatte sie bislang noch nicht verschwendet und dazu gab es auch keinen Grund. Der Kampf der Republik gegen das Imperium war ein politischer, weltlicher Konflikt, zu dem sie keinen besonderen Bezug aufbauen konnte, der sie auch nicht maßgeblich interessierte weil es für Wesen wie Vesperum letztlich auch keine Rolle spielte, ob sie sich Kaiser, Kanzler oder Staatschef nannten. Für ihn konnte alles Mittel zum Zweck sein und letztlich mochte der Grund, warum er das zerfallende Imperium erwählt hatte auch nur jener sein, dass sich seine Ziele mit einem totalitärem Regime leichter würden durchsetzen lassen, als in einer Bewegung,deren demokratische Elemente es erschwerten.
Ein republikanischer Admiral, den Reah aus Geheimdienstberichten als Firmus Nantz erkannte kam unerwartet zur ihr, bedankte sich und verließ sie alsbald wieder mit einem Glas Wein in der Hand, ehe die perplexe Frau entgegnen konnte "Wofür?". Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sich das letzte Mal jemand bei ihr bedankt hatte und auch jetzt fiel es ihr schwer zu verstehen, warum sich überhaupt jemand bei ihr bedanken sollte. Sollte diese hier gezielte Szenerie etwa ihr Werk sein? Sie, als Henkerin des letzten dunklen Lords der Sith? Selbst wenn das einmal geschehen mochte, würde sie das nicht zu einer Heldin machen, sie würde es auch gar nicht wollen, hätte gar kein Interesse an solchen Feierlichkeiten sondern wäre nur zufrieden, zufrieden, dass eine Bedrohung für jegliches Leben in der Galaxis ausgelöscht worden war, zufrieden vielleicht, dass als das, was sie einst in den Abgrund gerissen hatte, fortan in Trümmern lag, unfähig sich je wieder zu regenerieren. Aber konnte Vesperums Tod überhaupt das Ende sein? Sedrael hatte auch von einer zweiten Person gesprochen, etwas, dass noch ungesehen in den Schatten verborgen lag. Konnte es nicht letztlich sein, dass selbst Vesperum, der sich als dunkler Lord der Sith inszenierte, in Wirklichkeit nur Schüler war? So wie Vader letztlich nur der Schüler Palpatines war? Der wahre Meister mochte hier das tatsächliche Übel sein und der Imperator nicht mehr als Symptom, dessen Tötung nur einen temporären Ruhezustand schaffen konnte, solange die Ursache, die Wurzel des Übels noch existierte.

Als ihr Blickfeld sich wieder Schärfte, sie sich wieder genug konzentrieren konnte, einen Schritt vor den anderen zu setzen, konnte Reah weitere Gesprächsfetzen auffangen. Bürger und Soldaten der Republik, die den Tod Vesperums hoffnungsvoll befeierten, sich gegenseitig versicherten, dass der Imperator tatsächlich tot war. Aber dem war nicht so, nur weil dieses famose Trugbild es ihr so krampfhaft einzureden versuchte, wurde es nicht zur Wirklichkeit. Ihre Augen fokussierten sich auf das Ende des Feiersaals, dorthin, wo sie dem Trubel dieser Gemeinschaft, dem sie nichts abgewinnen konnte, zu entkommen versuchte. "Nein, ist er nicht!", murmelte die dunkle Jedi leise zu sich selbst, wollte dem, was sich ihr hier präsentierte unter keinen Umständen nachgeben. Ihre Arbeit war noch lange nicht beendet und dieser Wunschtraum einer befriedeten Galaxis vermochte ihre Rastlosigkeit dahin gehend nicht einzudämmen. Sie hatte eine Aufgabe, musste immer noch das finden, dass Vesperum selbst hier vor wenigen Monaten suchte.
So wenig, wie sie selbst den Feierlichkeiten eine Beachtung schenkte, so schien es nun auch mehr und mehr umgekehrt der Fall zu sein, mochte es nun sein, dass das Trugbild von selbst zerfiel oder weil es ihr nun doch irgendwie gelungen war, es aus ihren Kopf zu bannen. Stattdessen vernahm sie ein steigendes Wechselspiel zwischen Wärme und Kälte, Feuer und Eis,die sich stets in Waage hielten, die seltsamen Schriftzeichen bei jedem Impuls, den sie abgaben, in violettem Schimmer aufleuchten ließen. Mochte dies nun ein Signal sein, dass sich das unvermeidliche Ende näherte? Das nun, hinter all dem, das zum Vorschein kam, was sie tatsächlich gesucht hatte? Oder war es letztlich nur der Geist, das Echo einer uralten Wesenheit, die dieses Schauspiel der eigenen Unterhaltung wegen betrieb? eine schwere Vorstellung, keine, die Reah so akzeptieren konnte oder wollte. Dies hier wirkte bedeutungsschwerer, wichtiger, als ein einfacher Schrecken, den ihr längst toter Sith-Lord einjagen wollte. Vielleicht war es ein Szenario von der Macht selbst geschaffen und wenn, was mochte es dann bedeuten? Sie sah die Macht nicht als etwas an, dass einen eigenen freien Willen besaß, sondern, dass durch Umstände und Entscheidungen immer erst geformt werden musste, bevor es Auswirkungen zeigte. Mochte dies dann bedeuten, dass alles, was hier geschah nur etwas war, dass sie irgendwie selbst ausgelöst hatte? Die dunkle Jedi wusste keine Antwort darauf, wusste nicht einmal, ob eine solche Antwort ihr einen tatsächlichen Mehrwert bringen würde. Sicher war nur, dass jede Aktion ein Echo in die Macht entließ, doch was aus diesen Echos wurde, war stets ungewiss.
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