#6
Unruhig wandte sich die junge Frau im Bett hin und her. Sie hatte keinen Schlaf gefunden, wie auch Schweißperlen auf ihrer Stirn verrieten. Nervös suchten ihre Hände die schwarze Felddecke, die über den kleinen Körper geworfen war. Die Gedanken waren nicht fokussiert, sprangen zurück an jene Erinnerung, die sich gerade plagte, wie eine Heimsuchung. Eriadu war mehr als nur ein Name für sie, sondern ein Ereignis, indem sie alles verloren hatte, was ihr einst etwas bedeutet hatte. Ariana fühlte sich verlassen, als auch schuldig, ob des Todes ihres besten Freundes. Die langen Finger gruben sich in den Stoff der Decke, so als ob sie das Leben aus diesem leblosen Objekt drücken wollte. Mit einem Satz riss die Frau ihre Augen auf, keuchte und holte tief Luft. Augenringe untermalten ihr zartes Gesicht mit einer rohen Fehlbarkeit. Schwungvoll rollte sie sich auf die Seite, stellte die Beine über die Bettkante hinaus auf den Boden und blickte nun sitzend in den kleinen Raum, der in seinem sterilen Grau wenig Farbe verhieß. Mit beiden Augen betrachtete die Kampfpilotin ihre zitternden Finger an ihren Händen, die sie fast schützend von sich streckte.

"Ich wünschte," sagte ihre unpassend schöne Stimme, als sie sich an das erinnerte, was gewesen war. "Ich konnte dich nicht retten," stammelte sie einen weiteren Satz, während sie die Arme herabsinken ließ, um sich mit beiden Händen vom Bett abzustoßen. Ihre FGelenke schien unwillig und knackten laut. "Ah", machte sie, während sie das schmale Waschbecken erreichte. Über diesem hing ein schlichter rechteckiger Spiegel mit einem kleinen Sprung rechts unten. Ihre zu Schlitzen zusammengepressten Augen betrachteten ihr Angesicht im Spiegelbild. Mit der Rechten griff sie zum Wasserschalter, stellte das Wasser an, welches kalt aus dem Hahn sprudelte. Es blubberte im kleinen Abschluss, der fast gluckernd das Wasser verschlang. Mit beiden Pranken schlug sie ins Wasser und warf sich eine geraume Menge Wasser ins Gesicht. Sie spürte dessen Kälte, welche die Gedanken an das Vergangene kurz vertrieb. Die sandige Kruste im ihren Augen zerfloss mit der Flüssigkeit und ihre Wimpern befreiten sich von ihrem Ballast. Ariana blickte ehrlich in ihr Gesicht, während sie zum ebenfalls grauen Handtuch griff, auf dessen Mitte ein großes Speichenlogo prankte. Das Imperium hatte wirklich keine große Farbpalette im Angebot. Kräftig rieb sie mit dem flauschigen Stoff über ihr Gesicht, auch über Teile ihrer Stirn. Ihre Haare waren zerzaust, aufgewirbelt und lagen plattgedrückt über ihren Nacken hinab und wirkten alles andere als gepflegt. Ohne weiteres Interesse ließ sie das Handtuch fallen, welches mit einem Hauch auf dem polierten Boden landete. Mit der linken Hand suchte sie aus dem kleinen Schrank neben dem Waschbecken ihre Bürste, um die verwirbelten Haare zu richten. Die junge Soldatin rang um Fassung und versuchte ihren Fokus wieder zu finden. Mit langen Zügen strich mit der schwarzen Bürste durch ihre Haare, bis diese wieder einigermaßen in Form waren. Bei jeder Bewegung schienen die Haare widerspenstiger zu werden und am Ende hatte die Bürste einige Haare gefressen, die grimmig in dem Werkzeug hingen. Ariana grummelte als sie dies betrachtete und warf die Bürste mit einem lauten Knall in das Fach zurück, welches sie mit einem Fußtritt schloss. Nun folgte das Haargummi, welches die Haare zum üblichen Dutt formen würde, der eng an ihren Kopf gelegt war. Mit geschmeidigen Handbewegungen war dies schnell erledigt, bevor sie zum Deo griff, um dieses einzusetzen und wieder abzustellen. Immer noch trug sie nur die Unterkleidung der Soldaten. Mit einem langen Schritt ging die Pilotin zum Wandspind, indem sich ihre schwarze Uniform befand. Der Spind öffnete sich mit einem blechernden Geräusch. Ariana kleidete sich ein und schlüpfte dann auf dem Bett sitzend in die schwarzen Stiefel. Die Uniformjacke hing noch halb offen zur Seite und verdeckte dabei das Rangabzeichen. Auch lag die Mütze noch platt auf dem Kopfkissen neben der zerworfenen Decke. Schließlich waren die Stiefel angelegt, die Jacke geschloßen und die Mütze wanderte mit gedrillter Handhabung auf den Kopf, wo sie ausgerichtet wurde und zwar vor dem Spiegel. "Dann wollen wir mal," kommentierte die junge Kämpferin mit einem kalten Ausdruck im Gesicht. Sie verspürte keinen großen Drang ihren Einplanungsoffizier aufzusuchen. Doch die Holomail war eindeutig gewesen.

"Lieutenant Ariana Ennko," eröffnete der Offizier in seiner typischen oliven Uniform zur noch stehenden Pilotin. "Überlebende von Eriadu, dekoriert mit zwei Ehrenzeichen und zeitweise Wing-Commander," sammelte der stoische, fast bürokratische Einplaner die Daten vom Pad, ohne wirklich sein Gesicht in die Richtung von Ariana zu bewegen. "Soweit korrekt?" - versuchte er sich zu versichern, während die Frau immer noch in Haltung vor dem kleindimensionierten Schreibtisch stand, welcher in dieses Büro nicht wirklich passen wollte. "Jawohl, Sir," antwortete sie ohne weitere Tonerhöhungen oder Tiefen in ihrer Stimme. "Ein Verweis für Zögerlichkeit, unorthodoxe Flugmanöver und drei schriftliche Anmerkungen in ihrer Akte, Lieutenant." Ariana zog kurz beide Brauen herunter, legte die Lippen aufeinander und stieß entnervt Luft durch ihre Nase. "Sie könnten mehr sein. Ihr Heilungsurlaub endet. Ich werde sie heute einer neuen Staffel zuweisen. Unsere Verluste müssen zeitnah ausgeglichen werden." Wie er nur von Verlusten sprach, ärgerte die junge Pilotin, welche ihre Hände hinter dem Rücken verschränkt und beide Hände zur Faust ballte. Das Wort Verluste gefiel ihr nicht. Zwar war es formal korrekt aber entwertete die Leistungen der Gefallenen erheblich. Sie waren nicht nur eine Statistik für sie. Nein, noch war es nicht an ihr, diesen Offizier über den Wert von Soldaten zu belehren. Die Wut blieb trotzdem. "171th Starfighter, 28th Fighter Wing, Akk Dogs. Zuweisung als Pilot, Abfangjäger," rezitierte der ältere Offizier die Zuweisung und schob Ariana das Pad zu. "Eine Unterschrift, bitte, Lieutenant." Die Pilotin nickte schnell, eilte mit einem Schritt vor und griff nach dem stilisierten Stift, um elektronisch auf dem Pad zu unterschreiben. Eigentlich wollte sie kein Cockpit mehr betreten aber der Drang zu fliegen wurde großer. Auch wenn die Angst vor der Erinnerungen blieb, vor den Erfahrungen mit der eigenen Sterblichkeit. Dann trat sie wieder zurück. "Abreise morgen 0900 Standardzeit an Docking Bay 5, Sammelflug zum Trägerschiff Enigma. Abtreten." Ariana salutierte zackig und verließ mit einem mulmigen Gefühl das Büro durch die aufzischende Tür. Der Offizier drückte auf seinem Tisch eine Taste, um den nächsten Soldaten hereinzubitten. Diese warteten bereits im Flur davor. An diesen musste Ariana erneut vorbei. In einigen Gesichtern stand Angst aber in vielen schlicht Resignation, erneut auszurücken. Ein Militärkrankenhaus war kein Ort der Hoffnung, sondern schlicht der körperlichen Gesundung.
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