#29
Ein interessanter Gedanke, den Gers ansprach, wenn auch keiner, der einer kritischen Überprüfung allzu lange standhalten würde - aber darauf schien der unbekannte Verräter auch nicht zu setzen. Es ging vielmehr um Desinformation und Verwirrung, eben der Verschleierung der tatsächlichen Absichten, die in diesem Dickicht unsichtbar und - zumindest noch - ungreifbar waren. Aber Eliza Ferron dachte nicht daran, aufzugeben, derlei kam nicht in Frage, allein ihre Ausbildung wusste solche Gedanken und Ausführungen zu vermeiden. Zweifellos mochten einfachere Armeesoldaten im Angesicht einer schwierigen Aufgabe eher dazu neigen, sich in ihrer Unwissenheit zu suhlen und es den Feinden des Imperiums damit gestatten, noch viel mehr Schaden anzurichten, doch sie und ihre Kameraden, jede Sturmtruppe war darauf trainiert diesem Reich bestmöglich zu dienen und vor Schaden zu bewahren oder aber, wenn der Schaden durch Versagen anderer Organe bereits aufgetreten ist, Folgeerscheinungen zu unterdrücken und den Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.
"Kein abwegiger Gedanke, nicht wahr?", begann Ferron etwas ironisch und zeigte damit wohl zum ersten Mal so etwas, wie eine tatsächliche Gefühlsregung. "Wenn Sie ihn jedoch genau hinterfragen, werden Sie feststellen, dass der Verräter nur eines will: nämlich Sie genau das glauben zu lassen." Sie senkte ihr E-11 Blastergewehr herab und begann damit den manuellen Überbrückungscode in die Türkonsole des Panzerschotts einzugeben, während aus den Korridoren hinter ihnen der gleichmäßige Marsch ertönte, den Sturmtruppensteifel auf dem Durastahlboden hervorriefen. Die Soldaten waren pünktlich - gut für sie. Aber etwas anderes hätte sie auch nicht erwartet. "Sie möchten vielleicht glauben, dass die Schiffe zu einem späteren Zeitpunkt gestohlen werden sollen - angesichts der Tatsache, dass die Rebellenallianz bei derartigen Aktionen in der Vergangenheit ein glückliches Händchen bewies, erscheint es auf den ersten Blick nicht abwegig. Aber vergessen Sie nicht, wo Sie sich gerade befinden. Fondor ist einer der wichtigsten Sammelpunkte für imperiale Flotten um die Südflanke und den Kern zu sichern - beim derzeitigen Militäraufgebot ist so etwas gar nicht möglich - allein der Gedanke an ein solches Vorhaben wäre ausgesprochen töricht." Ein Klacken verriet, dass sich die Magnetschlösser langsam zu lösen begannen und den Panzerschott freigaben, der sie in den Wartungsbereich der Schiffe führen würde - und sobald sie darin angekommen waren, würde sie ebenjenen Schott auf die gleiche Art und Weise wieder schließen. Vielleicht gab es eine Arbeiterverschöwrung - vielleicht auch nicht. Es spielte eigentlich auch gar keine Rolle. Wer den Verrat tolerierte, war der Verräter. "Und vergessen Sie nicht, dass Sie für fortschrittliches Militärgerät eine entsprechende Crew brauchen. Wir reden nicht von Ein-Mann-Jägern."

Tatsächlich vermutete Eliza dahinter eine eher innere politisch motivierte Tat, jemand, der nicht zwingend ein Problem mit dem Imperium hatte, sondern vielmehr mit der politischen Führungsspitze. Die Rebellion als direkte Saboteure konnte sie daher ausschließen, obgleich derlei Widerstandsbewegungen als Mittel zum Zweck sicherlich eingesetzt wurden. Es war einfach ein cleveres Vorgehen jenen Abschaum, den man ohnehin brennen sehen wollte, für solche Unternehmungen einzusetzen. Wenn diese als Werkzeuge fungierenden Narren dann dabei versagten oder im Nachhinein aufflogen, hatte man keine eigenen Verluste erlitten und es entstand kein Nachteil. Eine nützliche und ressourcenschonende Strategie, erst Recht, wenn das eigene Militäraufgebot überschaubar war und Verluste sich nicht so leicht ersetzen ließen. Diese Angelegenheit versprühte ihren gänzlich eigenen Reiz - anspruchsvolle Aufgaben und gefährliche Feinde waren ein Anziehungspunkt für sie - nicht zwingend wegen irgendwelcher Auszeichnungen und Medaillen, die so etwas mit sich bringen konnten, sondern schlichtweg aus dem Grund, weil es sie zu Bestleistungen antrieb. Der Todesstern war ein mahnendes Beispiel dafür, was geschehen konnte, wenn bei Soldaten das Gefühl der Routine und Sicherheit die Überhand gewann. Sie wurden faul, nachlässig und riskierten damit imperiale Operationen oder Projekte. In ihren Augen war ein bequemer Soldat etwas sehr unbrauchbares, dass schnellstmöglich ausgetauscht gehörte.

Die Panzertüren glitten auf und die Sturmtruppen nahmen eine breitgefächerte Formation ein. Die etwa 40-Mann starke Truppe hob ihre Blastergewehre bedrohlich, bereit alles niederzumähen, was sich aus der Tür herauswagte. "Sämtliches Zivilpersonal bleibt zurück!", sprach Eliza deutlich und hob ihr eigenes Gewehr ebenfalls. "Zuwiderhandlungen werden mit tödlicher Gewalt geahndet." Ein Murren ging durch die Reihen der einfachen Leute, die sich noch immer dicht hinter die Türe gedrängt hatten, während die Vorderen sichtbar nervös in die Blastermündungen der Sturmtruppen schauten. Ein Kopfnicken seitens Elizas deutete ihren Soldaten den Bereich zu betreten. Im Gleichschritt marschierte die weiß gepanzerte Elite des Imperiums in den als DZ-52 ausgewiesen Bereich und begann damit die Horde Zivilisten grob auseinander zu treiben, ehe sich Eliza wieder an Gers wandte. "Todesangst führt oft zu Schuldeingeständnissen.,, schien sie Gers Aussage erst zu bekräftigen "aber vergessen Sie dabei nicht, dass diese unter Panik ausgesagt wurden und Personen neigen dazu jede erdenkliche Schuld auf sich zu nehmen nur um dem Tod zu entrinnen." Zweifellos die Handschrift des eher grobschlächtigen Murrays, die sich in Gers Vorschlag wiederfand und wie so oft im Imperium fand sich auch hier der richtige Gedanke, gepaart mit dem falschen Ansatz.
Eliza wandte sich ab und betrat den Bereich ebenfalls, wartete auf den Lieutenant und begann dann damit die Schotten wieder zu versiegeln, ehe sie stoisch dem Weg folgte, der sie zu den lädierten Schiffen führen sollte. "Davon ab, ist Großadmiral Ishin- Il-Raz daran gelegen Dissidenten lebendig gefangen zu nehmen. Offenbar ist er der Meinung, dass die Truppe allgemein etwas... Motivation benötigt." Ihr Kopf drehte sich dabei zu Gers herüber, als wolle sie ebenfalls deutlich machen, dass sich, aufgrund der jüngst katastrophalen Kriegsentwicklung die Sternenflotte offenbar nicht genug Mühe gab oder deren Kommandos von inkompetentem Personal, ob Admiräle oder einfache Bordschützen, durchzogen waren. "Ihre Kooperationsbereitschaft wurde ebenfalls vermerkt, Lieutenant.", bemerkte Eliza abschließend. Sicherlich hatte er recht - die meisten Konsolen würden unbrauchbar sein. Ionenangriffe konnten aus sensibler Raumschiffselektronik binnen Sekunden einen Haufen Schrott machen. Aber Schiffe waren immer noch Schiffe und somit Terrain des Flottenpersonals. Sie war nicht so arrogant zu glauben alles besser zu können oder zu stolz um mit Leuten, deren diese Umgebung weitaus vertrauter war, zusammenzuarbeiten. Selbst wenn die Bordcomputer nichts interessantes ausspucken konnten, gab es vielleicht Dinge die sie übersah und die jemanden wie Gers auffallen konnten.
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